SVP will Anbauschlacht wegen Ukraine-Krieg
«Weizen pflanzen statt Schmetterlinge zählen»

Der Krieg in der Ukraine hat zur Folge, dass das Essen künftig teurer wird. Die SVP will deshalb mehr Lebensmittel in der Schweiz anbauen.
Publiziert: 13.03.2022 um 10:59 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2022 um 20:12 Uhr
Camilla Alabor

In den ersten zwei Wochen des Ukraine-Krieges stand für die Schweizer Politik vor allem die Energieversorgung im Vordergrund: Haben wir im kommenden Winter noch ein warmes Zuhause? Nun rückt zunehmend ein anderes Thema in den Fokus: das täglich Brot.

Denn die Ukraine gehört weltweit zu den wichtigsten Exporteuren von Weizen. Wegen des Krieges dürfte es dort zu grossen Ausfällen kommen. Länder wie Ägypten, die den überwiegenden Teil ihres Weizens direkt aus der Ukraine importierten, trifft das unmittelbar. Aber auch in der Schweiz werden die Folgen zu spüren sein, weil die Preise für Weizen und andere Lebensmittel auf dem Weltmarkt in die Höhe geschossen sind.

Das gilt auch für Kunstdünger, den die Bauern zum Bestellen ihrer Felder brauchen. Der wird aus Erdgas hergestellt und kommt zum grossen Teil aus Russland. Weil der Gaspreis durch die Decke ging, kostet der Kunstdünger derzeit bis zu dreimal so viel wie in normalen Jahren.

Die Preise für Lebensmittel und Dünger schiessen wegen des Kriegs in der Ukraine in die Höhe. Die SVP nimmt das zum Anlass, eine neue Anbauschlacht zu fordern: «Weniger Schmetterlinge zählen, mehr Weizen pflanzen.»
Foto: Keystone
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SVP gegen «Unsinnige Ökoprojekte»

Das ruft die Politik auf den Plan. Die SVP hat vergangene Woche eine ganze Kaskade von Fragen eingereicht, die zumeist in eine Richtung zielen: Die Schweiz soll einen grösseren Teil ihrer Lebensmittel selbst erzeugen und damit den Selbstversorgungsgrad erhöhen – im Jahr 2019 betrug er 57 Prozent.

Zwar werde man auch künftig nie zu hundert Prozent vom Ausland unabhängig sein, räumt SVP-Nationalrat Martin Haab (59, ZH) ein. Aber, so der Landwirt: «Wenn der Import von Lebensmitteln schwieriger wird, ist jedes Prozent, das wir zusätzlich selber produzieren, erstrebenswert.»

Wenn 2022 – wie in den Jahren zuvor – ein Grossteil der Ernte im Regen ertrinke oder vertrockne, «haben wir ein Problem».

Seine Partei, die SVP, fordere den Bundesrat daher auf, «sofort einen Plan für eine Anbauschlacht 2.0 auszuarbeiten», sagt Haab in Anspielung auf die Anbauschlacht während des Zweiten Weltkriegs, als selbst auf der Zürcher Sechseläutenwiese Kartoffeln angebaut wurden. «Wenn jeder Bauer ein paar zusätzliche Tonnen Getreide ernten kann, ergibt das einen Haufen Brot.» Unsinnige Ökoprojekte hingegen seien zu sistieren, meint Haab. Denn: «Statt Schmetterlinge zu zählen, müssen wir jetzt Weizen anpflanzen.»

Altbekannte Position

Gratis ist eine intensivere Produktion allerdings nicht zu haben. Denn mehr Dünger und mehr Pestizide bedeuten auch höhere Schäden an der Umwelt. Auch Haabs Parteikollege Jacques Nicolet (57, VD) ist sich dessen bewusst. Er verlangt vom Bundesrat, auf geplanten Biodiversitätsflächen stattdessen Nahrungsmittel anzubauen. Zu den Unterstützern von Nicolets Vorstoss zählt auch der Mitte-Nationalrat Markus Ritter (54), Präsident des mächtigen Bauernverbands.

Dass die SVP einen höheren Selbstversorgungsgrad fordert, kommt nicht von ungefähr: Es entspricht der Position, welche die Partei seit jeher vertritt. Und es läuft der Richtung entgegen, in die sich die Schweizer Agrarpolitik gemäss Bundesrat bewegen sollte. Dieser setzt angesichts der Biodiversitätskrise auf eine Reduktion von Pestiziden.

Heftige Opposition gegen die Pläne von SVP und Bauernverband kommt vonseiten der Grünen. Es sei «absurd», den Selbstversorgungsgrad erhöhen zu wollen, indem die Schweiz mehr Dünger und Pestizide aus dem Ausland importiere, sagt Nationalrat und Landwirt Kilian Baumann (41, BE). «Damit erhöhen wir unsere Abhängigkeit ja gerade.» Sinnvoller sei, in der konventionellen Landwirtschaft vermehrt biologische Methoden anzuwenden – wie etwa den Einsatz bestimmter Pflanzen als Düngemittel.

Liegt das Problem beim Fleisch?

Um den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen, müsse man ohnehin anderswo ansetzen, sagt Baumann. «Nebst der Verminderung von Foodwaste ist die Reduktion des Fleischkonsums der grösste Hebel.»

Würden die Schweizer weniger Fleisch essen, könnten die hohen Importe von Futtermitteln reduziert werden. «Gleichzeitig könnten wir jene Flächen im Mittelland, auf denen heute Futter für Kühe und Schweine angebaut wird, zur Produktion von Lebensmitteln verwenden – das sind immerhin 43 Prozent der gesamten Ackerfläche», sagt Baumann.

Was soll es also sein: Mehr Weizen und Pestizide – oder weniger Fleisch? Wer sich durchsetzt, ist bislang noch offen. Sollte sich der Bauernverband geschlossen hinter die SVP stellen, hat das Vorhaben aber durchaus Chancen.

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