Strafanzeige von Topbanker Iqbal Khan
Verdacht auf Vorzugsbehandlung durch die Polizei

Neue Wende in der CS-Beschattungsaffäre: Die Anwälte eines Privatdetektivs haben Aufsichtsbeschwerde bei der Zürcher Kantonsregierung eingereicht. Ihr Vorwurf: Die Polizei sei bei der Strafanzeige des Topbankers Iqbal Khan auf Druck von oben unzulässig vorgegangen.
Publiziert: 11.01.2020 um 21:07 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2020 um 09:00 Uhr
Thomas Schlittler

Die Credit Suisse (CS) liess Iqbal Khan (43) beschatten, weil er dabei war, zur Konkurrentin UBS zu wechseln. Die Überwachungsaktion flog auf und sorgte weltweit für Schlagzeilen – seit dieser Woche beschäftigt sie auch die Politik.

SonntagsBlick weiss: Bei der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (56) liegt eine Aufsichtsbeschwerde auf dem Tisch. Darin wird kritisiert, dass der beschattete Topbanker Khan von der Polizei bevorzugt behandelt worden sei, nachdem er seine Überwachung entdeckt und Strafanzeige eingereicht hatte.

Wörtlich heisst es in dem Schreiben: «Vorliegend geht es um nichts weniger als um die mögliche staatliche Vorzugsbehandlung einer selbsternannten Elite sowie den möglichen Missbrauch des Justiz- und Polizeiapparats.»

Wende in der CS-Beschattungsaffäre: Anwälte eines Privatdetektivs haben bei der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Ihr Vorwurf: Die Polizei sei bei der Strafanzeige von Topbanker Iqbal Khan auf Druck von oben unzulässig  vorgegangen.
Foto: Keystone
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Schwere Vorwürfe. Unterzeichnet sind sie von Anwälten, die einen der Privatdetektive verteidigen, die von Khan der «schweren Drohung» und «Nötigung» bezichtigt werden.

Kontakt mit der Kantonspolizei Zürich

Im Zentrum der Beschwerde steht Jérôme Endrass (49), bekannter forensischer Psychologe – und Vizechef im Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich.
Am 17. September 2019 wurde Endrass von Khan angerufen, unmittelbar nachdem der Banker bemerkt hatte, dass er beschattet wird. Endrass kontaktierte daraufhin die Kantonspolizei Zürich und arrangierte, dass das Ehepaar Khan von den Beamtenkollegen einen Termin für die Einreichung einer Strafanzeige erhielt.

«Dass die Kantonspolizei potenziell Geschädigte proaktiv zur Einreichung einer Strafanzeige einlädt, darf dabei durchaus als einmaliger Vorfall bezeichnet werden», heisst es in der Beschwerde. Hinzu komme, dass Khan und seine Frau von der Polizei «entgegen dem üblichen Vorgehen» gemeinsam und nicht einzeln befragt worden seien.

Doch das war für die Beschwerdeführer nur der äussere Anlass. Ihr Hauptkritikpunkt ist, dass die Polizei wegen Khans Aussage alles stehen und liegen gelassen habe. Über das Kontrollschild des ertappten Privatdetektivs, dessen Auto Khan fotografiert hatte, machten die Beamten die Detektei Investigo als dessen Mieter ausfindig.

Beschatter in Handschellen abgeführt

Tags darauf, um 6 Uhr morgens, wurden der von Khan gestellte Beschatter und die beiden Inhaber der Privatdetektei an ihren Wohnorten abgeführt – von jeweils drei bis vier Polizeibeamten. Alle Verdächtigen mussten eine DNA-Probe abgeben, zeitweise sogar Handschellen tragen.

Ein solches Vorgehen sei unüblich, sagt der erfahrene Strafverteidiger Ivo Harb (52), der nicht in den Fall involviert ist: «In aller Regel werden die Beschuldigten in den nächsten Tagen vorgeladen.» Grosse Ausnahme seien Fälle von häuslicher Gewalt.

Die Beschwerdeführer werden noch deutlicher: Es sei ihnen «kein einziger Fall» bekannt, in welchem ein Beschuldigter bei Verdacht auf Nötigung und Drohung umgehend verhaftet und einer dermassen harschen Behandlung unterzogen worden wäre. Es liege deshalb auf der Hand, dass Polizei und Staatsanwaltschaft Wert darauf legten, es Khan mit seinen Kontakten in die Justizdirektion recht zu machen.

Was diese These stützt: Zwei der drei verhafteten Personen hat Khan nie zu Gesicht bekommen. Er konnte sich von diesen also nie direkt bedroht gefühlt haben.

Keine Gefahr im Verzug

Hinzu kommt: Die abgeführten Privatdetektive haben seit Jahren mit der Zürcher Polizei und Staatsanwaltschaft zusammengearbeitet, meist in Zusammenhang mit der Observation von Sozialhilfebezügern. «Die involvierten Beamten wussten folglich, dass es sich mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit um einen simplen Überwachungsauftrag handelte und von Gefahr im Verzug keine Rede sein konnte», so die Anwälte in ihrem Schreiben.

Es dränge sich der Verdacht auf, dass Khan aufgrund seiner Kontakte zur Justizdirektion eine Sonderbehandlung zuteilgeworden sei. Der Regierungsrat werde deshalb dazu aufgefordert, zu klären, in welcher Form Jérôme Endrass – oder andere innerhalb der Justizdirektion – in die Behandlung von Khans Anzeige involviert gewesen seien.

Abklärungen laufen

Gegenüber SonntagsBlick bestätigt die Zürcher Justizdirektion den Eingang der Aufsichtsbeschwerde. «Die Abklärungen laufen», sagt ein Sprecher. Zurzeit jedoch sieht die Behörde offensichtlich keine Anhaltspunkte, dass in der Sache etwas falsch gelaufen sein könnte. Im Gegenteil: Endrass habe nach dem Telefonat mit Khan «das einzig Richtige» getan und die Information an die zuständige Stelle der Kantonspolizei weitergeleitet.

Auf die Frage, wen Endrass innerhalb der Justiz- oder Sicherheitsdirektion sonst noch kontaktiert habe, schreibt die Medienstelle: «Herr Endrass hat zeitnah seinen Vorgesetzten Hans-Jürg Patzen informiert.» Unterdessen sei zudem auch der leitende Oberstaatsanwalt Beat Oppliger über Endrass’ damaligen Kontakt mit Herr Khan ins Bild gesetzt worden.

Die Staatsanwaltschaft wiederum betont, dass das gewählte Verfahren im Fall Khan der üblichen Vorgehensweise «bei derartigen, zu Beginn der Untersuchung noch unklaren Bedrohungslagen» entspreche.

Keine weitere Stellungnahme

Die Kantonspolizei, Endrass und Kahns Anwalt verzichten gegenüber SonntagsBlick auf eine Stellungnahme.

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