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Staatlicher Unfallversicherer kündigt 800 Angestellten und übergeht Frauen bei Beförderungen
Suva leistet sich doppelten Betriebsunfall

Grosse Verunsicherung bei den Angestellten des staatlichen Unfallversicherers. 800 von ihnen sollen neue Verträge unterschreiben – oder gehen. Interne Dokumente zeigen auch, dass Suva-Chef Felix Weber Frauen bei der Beförderung nicht berücksichtigt hat.
Publiziert: 20.03.2021 um 02:06 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2021 um 08:56 Uhr
Nicola Imfeld

Schock für Hunderte Suva-Angestellte! Schweizweit zittern 800 Sachbearbeiter, Team- und Bereichsleiter aus dem Schadenmanagement um ihren Job. Sie haben erfahren, dass es ihre Stelle ab 2022 nicht mehr gibt. BLICK hat interne Dokumente des staatlichen Unfallversicherers zugespielt bekommen, die etwa den Personalbesetzungsprozess offenlegen.

Recherchen ergeben zudem: Auch das Kunden- und Partnermanagement ist vom grossen Suva-Umbauprojekt betroffen. Interner Codename: «Structuro». Ausgerechnet während der Corona-Pandemie will sich der grösste Unfallversicherer des Landes neu aufstellen. Es ist eine Riesenübung: Jeder zweite Arbeitnehmer in der Schweiz ist bei der Suva versichert. Im Hauptsitz in Luzern und den 18 Agenturen arbeiten 4200 Mitarbeitende.

Mitarbeiter haben bereits gekündigt

Jetzt bangen 20 Prozent der Belegschaft um ihre Existenz. Jeder fünfte Suva-Mitarbeiter wird eine Vertragsänderung erhalten. Wer nicht unterschreibt, muss gehen. Über Arbeitsort, Position und Lohn werden die Angestellten noch im Dunkeln gelassen. Einige von ihnen noch bis Oktober.

800 Suva-Angestellte sind ab 2022 ihre bisherigen Jobs los.
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«Die lange Unsicherheit über den zukünftigen Job und Lohn ist für uns alle sehr belastend», heisst es in einem Schreiben der Suva-Belegschaft, das BLICK vorliegt. Die Stimmung in der Zentrale und den Agenturen ist mies. Einige haben wegen «Structuro» bereits gekündigt.

Lohneinbussen für die Mitarbeiter?

Die Suva hat das Umbauprojekt bislang unter dem Deckel gehalten. Kein Wort davon, als Suva-Chef Felix Weber (56) diese Woche öffentlich Bilanz über das Corona-Jahr 2020 zog.

Man wolle mit dem Umbauprojekt die Digitalisierung vorantreiben, ein Stellenabbau stehe nicht zur Debatte, bestätigt Suva-Sprecherin Simone Isermann die Recherchen von BLICK. Die Suva sei bestrebt, mit den Unzufriedenen Lösungen zu finden. Kündigungen oder Lohneinbussen könne man aber nicht ausschliessen.

Juristin: «Nicht sehr geschickt»

Dass mit einem neuen Vertrag eine Änderungskündigung einhergeht, ist arbeitsrechtlich geregelt. «Nach schweizerischem Recht ist das grundsätzlich zulässig», sagt Isabelle Wildhaber (47), Rechtsprofessorin an der Universität St. Gallen. Im Gegensatz zur Schweiz seien Arbeitnehmende in Deutschland besser geschützt.

Beim Umgang mit den Mitarbeitenden und der Kommunikation hat die Suva aber versagt! Dieser komme während der Pandemie ein sehr hoher Stellenwert zu, sagt Wildhaber. «Dass die Mitarbeitenden so lange Ungewissheit haben, ist nicht sehr geschickt.»

Frauen werden bei Beförderung übergangen

Während die Angestellten zittern, haben die Chefs schon Klarheit. Die obersten Kaderstellen wurden Anfang März verkündet. Von 23 Chefposten gingen nur gerade drei an Frauen. Laut Insidern sollen einige Männer ihren weiblichen Kolleginnen vorgezogen worden sein, obwohl diese in tieferen Positionen gearbeitet haben. Pikant: «Die Stellen sind nie ausgeschrieben worden», prangern die Mitarbeitenden im Schreiben an. Damit leistet sich Suva einen doppelten Betriebsunfall.

Suva-Chef Weber hat vom Ärger Wind bekommen. Er musste sich über das Firmen-Intranet erklären. «Auch ich betrachte die Zusammensetzung aus Sicht Diversity mit einem kritischen Auge», sagt Weber. Doch aufgrund der Wichtigkeit von «Structuro» wollte er auf «bewährte Suva-interne Mitarbeitende» setzen.

Suva verschweigt Versicherten Änderungen

Die Reorganisation trifft auch die rund zwei Millionen Versicherten. Auch für sie gibts Änderungen – informiert wurden sie aber noch nicht.

Bis anhin hatten Verunfallte und deren Betriebe einen klaren Ansprechpartner bei der Suva. Ab 2022 sollen menschliche Schicksale wie ein Sachschaden abgehandelt werden. Die persönliche Kontaktperson fällt für viele weg.

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