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Spitäler knausern
Umkleiden gilt für die meisten Pflegenden als Freizeit

Für Pflegende in Spitälern gilt aus Hygienegründen eine Umkleidepflicht. Obwohl das zwingende Kleiderwechseln gesetzlich als Arbeitszeit gilt, foutieren sich viele Spitäler nach wie vor darum, es abzugelten.
Publiziert: 19.03.2021 um 07:00 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2021 um 15:28 Uhr
Claudia Gnehm

Es gehört zur täglichen Routine in der Pflege: das Umkleiden. Bevor sie ihre Arbeit mit Patienten starten, müssen Pflegefachkräfte ihre Strassenkleider gegen das Spitaloutfit eintauschen. Diese Prozedur – der Arbeitgeber verpflichtet sie dazu – frisst ihnen im Schnitt 20 Minuten weg pro Tag. Auf ein Jahr gerechnet summiert sich der Tenuewechsel auf zwei Wochen Arbeitszeit.

Pikant: Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat vor zwei Jahren zum Arbeitsgesetz ausgeführt, dass das Umkleiden vor und nach dem Dienst als Arbeitszeit gilt. Dennoch umgehen diverse Spitäler die Vorgabe weiterhin – um Kosten zu sparen.

Der Ärger unter den Angestellten wächst: Diesen Monat haben sich Pflegefachkräfte des Spital Bülach ZH in einem wegweisenden Urteil ihr Recht auf Abgeltung erkämpft. Das Spital Bülach muss gemäss einem Gerichtsurteil neun Angestellten rückwirkend bis 2016 die Umkleidezeit zurückerstatten.

Pflegefachkräfte verbringen pro Arbeitstag im Schnitt 20 Minuten in der Garderobe, um sich die Arbeitskleidung an- und abzuziehen.
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Gestern hat das Personalamt des Kantons Zürich diesen Anspruch grundsätzlich anerkannt. Die Richtlinie dazu tritt per 1. April 2021 in Kraft. Nun liegt der Ball bei den Städten und Gemeinden, wie die Gewerkschaft VPOD mitteilte.

Umkleiden gilt nicht als Arbeit

Heute bezahlt das Spital Bülach zwar Umkleidezeit, allerdings dürfen Mitarbeitende die 15 Minuten Umkleide-Überzeit nur aufschreiben, wenn sie auf die freiwillige Znünipause verzichten.

Andere Spitäler beharren auf dieser Gratisarbeit. Das neue Personalreglement für die fusionierten Spitäler Uster ZH und GZO Wetzikon ZH, das im Juli in Kraft treten soll, legt die Umkleidezeit nicht als Arbeit fest.

SP-Kantonsrätin Michèle Dünki-Bättig (31), Präsidentin der Gewerkschaft VPOD Sektion Zürich, kritisiert: «Es ist stossend, dass ein öffentlich-rechtliches Spital bei den Anstellungs- und Arbeitsbedingungen hinter die privaten Spitäler zurückfallen soll und dass man dies heute noch in einem Personalreglement festschreiben will.»

Mehrkosten in Millionenhöhe

Während etwa die Spitäler der Stadt Zürich und die Klinik Hirslanden ihre Praxis bereits änderten und die Umziehzeit als Arbeitszeit betrachten, gibt es im Spital Limmattal nach wie vor keine Abgeltung dafür. Das Bundesgericht gab dem Limmattal-Spital im Februar recht. Es argumentierte mit einer Definition von Arbeitszeit, die sich an der bisher gelebten Praxis in den Spitälern orientierte. Auch wenn es diese als durchaus für «fraglich» bezeichnete.

Viele Spitäler lehnen die bezahlte Umkleidezeit ab, weil sie ihnen Mehrkosten in Millionenhöhe verursachen würde. Es gibt Ausnahmen: In Bern entschieden die Spitäler letztes Jahr, dass die Angestellten eine Zulage fürs Umziehen erhalten. In St. Gallen konnten sich im Dezember 2019 die öffentlichen Spitäler, die Gewerkschaft und der Berufsverband darauf einigen, dass die Umkleidezeit künftig als Arbeitszeit gilt.


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