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Skandal offenbart Machtprobe hinter den Kulissen
Thiam kämpft um sein Reich

Wer ordnete die Überwachung von Iqbal Khan an, dem Ex-Chef der CS-Vermögensverwaltung? Die Spur führt zu COO Pierre-Olivier Bouée – der ist nicht nur Thiams Stabschef, sondern auch sein Vertrauter.
Publiziert: 24.09.2019 um 23:06 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2020 um 22:05 Uhr
Christian Kolbe

Ein unglaublicher Vorgang: Die Credit Suisse liess Iqbal Khan (43), ihren ehemaligen obersten Chef der Vermögensverwaltung, nach seinem Abgang von einer Detektei beschatten. Der Skandal flog auf, weil sich das beauftragte Detektivbüro Investigo bei der Observierung nicht nur erwischen liess, sondern mit Khan auch noch aneinandergeriet.

Für Urs Rohner (59), den CS-Verwaltungsratspräsidenten, könnte sich der Fall zur Katastrophe entwickeln. Er erklärte die Aufklärung des Skandals zur Chefsache. Von Amtes wegen ist er weg vom operativen Geschäft – jetzt muss er jedes Detail wissen.

Urs Rohner gibt sich zwei Wochen für die Aufklärung

Vieles deutet darauf hin, dass es ihm geht wie der Öffentlichkeit: Er erfuhr vom Skandal durch die Medien und muss sich nun einen Überblick verschaffen, bevor er Sanktionen ergreifen, gar personelle Konsequenzen ziehen kann. Längstens zwei Wochen gibt sich die Bank dafür Zeit, wie BLICK erfahren hat.

Starbanker Iqbal Khan, der von der CS zur UBS wechselt, wurde überwacht.
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Die zentrale Frage lautet: Wer hat die Überwachung des ehemaligen Top-Kaders angeordnet? Die naheliegende Antwort: der oberste Sicherheitschef der Bank. Doch würde der so etwas lostreten ohne Mitwissen seines direkten Vorgesetzten? Wohl kaum. Aber dann zeichnet sich ein Szenario ab, das die gesamte Spitze der CS ins Wanken bringt.

Machtkampf zwischen zwei Alphatieren

Akt 1 ist ein Machtkampf, wie ihn BLICK bereits skizziert hat: Iqbal Khan gerät mit CEO Tidjane Thiam (57) aneinander und muss die Bank in der Folge verlassen. Oder kann sie verlassen, zu unüblich vorteilhaften Bedingungen. Hier könnte das Drama bereits enden. Machtkämpfe gibt es unter Alphatieren immer wieder. Khan geht, Thiam bleibt.

Welche Rolle spielt COO und Thiam-Wegbegleiter Olivier Bouée?

Doch gemäss diesem Szenario gibt es einen Akt 2: die Beschattung. Wer ordnet sie an? Hier kommt der Franzose Pierre-Olivier Bouée (48) ins Spiel, der Chief Operating Officer der CS. Der COO ist sozusagen der Haushofmeister der Geschäftsleitung, der Mann, der dafür sorgt, dass all die vielen Geschäfte einer Grossbank möglichst reibungslos abgewickelt werden können. Dazu gehört auch, dass die Sicherheit der Bank gewährleistet ist.

Zudem ist Bouée der Stabschef von CS-Boss Thiam. Und ein enger Wegbegleiter im Berufsleben des Ivorers, ein «Copain» würden die Franzosen wohl dazu sagen. Spätestens seit dem Jahr 2000 klettern die zwei gemeinsam die Karriereleiter hoch. Damals begannen Bouée wie Thiam bei der Unternehmensberatung McKinsey.

Möglicherweise reicht die Verbindung sogar noch weiter zurück, in die Zeit, als beide Staatsbedienstete waren. Bouée arbeitete Ende der 1990er-Jahre im Wirtschaftsministerium seines Landes, Thiam war zu dieser Zeit Minister für Planung und Entwicklung der Elfenbeinküste. Ein Land mit engen Beziehungen zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.

Gemeinsamer Aufstieg, gemeinsame Macht

Ab 2000 starten die beiden durch, legen eine klassische Managerkarriere hin. Der jüngere Bouée meist eine Stufe unter Thiam. Von McKinsey führt der Weg über die Versicherer Aviva und Prudential zur Schweizer Grossbank Credit Suisse. Als Thiam in Zürich unterschreibt, bringt er Bouée gleicht mit.

Der gemeinsame Aufstieg macht die beiden reich und mächtig. Widerspruch mögen sie nicht, heisst es aus Insiderkreisen. Als Stabschef hat es Bouée in der Hand, wer zu Thiam vorgelassen wird – und wer nicht.

Die naheliegende Frage: Wenn Bouée etwas von der Beschattung des offenbar aufmüpfigen Khan wusste, was wusste sein enger Copain Thiam?

Was kann Rohner überhaupt ausrichten?

Akt 3 ist die Aufklärung: Was könnte Verwaltungspräsident Urs Rohner überhaupt ausrichten gegen das frankophone Power-Duo? Was, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass der Auftrag zur Überwachung aus der Chefetage kam? Könnte es sich Rohner erlauben, den einen Copain zur Verantwortung zu ziehen, ihn vielleicht sogar auf die Strasse zu stellen? Wie würde der andere Copain reagieren?

Noch sitzen die beiden Angesprochenen, Thiam und Bouée, im Sattel. Doch auch wenn es jetzt hinter den Kulissen heisst, Rohner und sein CEO Thiam hätten das Heu nicht mehr auf der gleichen Bühne; auch Rohner, Thiams einstiger Förderer, ist in einer unangenehmen Lage.

Am Ende droht Akt 4 des Dramas: die Götterdämmerung bei der CS. Und alles wegen eines Machtkampfs – und weil ein paar Detektive geschlampt haben.

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