Sind wir bald alle Cyborgs?
In der Medizin hat der Chip eine grosse Zukunft

Die Menschheit steht vor einem grossen Entwicklungsschritt. Bald könnte es möglich sein, Maschinen in den Körper einzubauen, die unsere Leistungsfähigkeit in nie gesehene Sphären bringt. Ist das gut oder gefährlich? Wissenschaftler erklären.
Publiziert: 14.05.2018 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 11:19 Uhr
Konrad Staehelin

Heute wirkt der Chip, den Robert Rudolph (51) trägt, wie ein unbedeutendes Spielzeug. In ein paar Jahrzehnten könnte er als Anzeichen einer Revolution gesehen werden.

BLICK hat das Geschäftsleitungsmitglied des Industrieverbands Swissmem gestern vorgestellt, weil er sich einen reiskorngrossen Chip zwischen Daumen und Zeigefinger hat implantieren lassen. Darauf kann er Daten speichern – und damit zum Beispiel Türen öffnen, für die alle anderen eine Zugangskarte zücken müssen.

Elegant: Professor Bertolt Meyer fährt mit seiner Armprothese sogar Velo.
Foto: Twitter/@myo

Das klingt unspektakulär, ist aber ein erster Schritt auf einem langen Weg. Führt er die Menschheit irgendwann ins Verderben, wie es die Terminator-Filme mit Arnold Schwarzenegger (70) suggerieren? Oder führt er in ein langes, glückliches Leben ohne Schmerzen und Hunger?

«Leben um Jahrzehnte verlängern» 

Martin Fussenegger (49), Professor für Biotechnologie an der ETH Zürich, glaubt an das grosse Potenzial der Chips in der Medizin: Er arbeitet an einer Pille, die unter die Haut eingepflanzt wird. Sie überwacht dort den Stoffwechsel und schlägt sofort Alarm, sollte etwas nicht in Ordnung sein. Und nicht nur das: Sie soll sogar Eiweiss absondern können. «Mit dieser Erfindung können wir hoffentlich schon in ein paar Jahren Krankheiten wie Alzheimer verhindern und die Lebenserwartung verlängern!»

Optimistisch: ETH-Professor Fussenegger.
Foto: Zvg

Professor Bertolt Meyer (41), Direktor am Psychologie-Institut der Technischen Universität Chemnitz (D), bestätigt: «Die moderne Medizintechnik hat ein riesiges Potenzial.» Ganz neu sei das aber nicht: «Der erste Herzschrittmacher wurde vor 60 Jahren implantiert, Diabetiker tragen seit 40 Jahren Insulinpumpen.» Er selbst ist ohne linken Unterarm zur Welt gekommen, trägt schon seit seinem dritten Lebensmonat eine Prothese.

Jetzt schon diskutieren

Neu sei dagegen, dass die Technik nicht mehr nur dazu benutzt werde, um Schwächen auszumerzen. «Hier wird es problematisch», warnt Meyer. «Stellen Sie sich vor, es sei plötzlich ganz normal, eine doppelt so leistungsstarke Lunge zu haben als wir sie heute in uns tragen. Der Druck zur Anpassung wäre für all jene, die noch eine normale Lunge haben, enorm – und damit die Entscheidungsfreiheit nicht mehr garantiert.»

Müssen wir also Angst haben? «Nein», sagt Meyer. «Wir haben es selbst in der Hand, wie wir die Fortschritte der Technik nutzen.» Es sei bloss wichtig, dass die Gesellschaft jetzt schon darüber diskutiert, was sie will. Bevor die grossen Veränderungen so viel Kraft entfalten, dass sie nicht mehr zu stoppen sind.

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