Schweizer CEO von Tommy Hilfiger
«Jetzt greifen wir Nike und Adidas an»

Daniel Grieder führte das Label Tommy Hilfiger zurück zum Erfolg, indem er mit alten Regeln der Modebranche bricht.
Publiziert: 08.10.2018 um 16:22 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2021 um 15:17 Uhr
Interview: Moritz Kaufmann

Im Hafen von Amsterdam entsteht ein völlig neues Quartier. Im Zentrum: der Tommy-Hilfiger-Campus. Hier hat die Weltmarke ihren Hauptsitz. Die perfekt durchdesignten Büros strahlen Selbstbewusstsein aus. CEO Daniel Grieder (56) empfängt SonntagsBlick bestens gelaunt zum Interview. Im Anschluss führt er durch das nigelnagelneue Areal. Den Angestellten stehen Fitnesscenter mit Trainern, Saftbars und Cafés zur Verfügung. «Wie bei Google, aber mit mehr Style», betont Grieder. Das Selbstvertrauen – man spürt es auch hier.

BLICK: Herr Grieder, Sie haben aus Tommy Hilfiger eine Technologie-Firma gemacht.
Daniel Grieder: Sagen wir es so: Mein Ziel ist es, aus Tommy Hilfiger eine Fashion-Tech-Firma zu machen.

Sie machen also keine Mode mehr?
Doch, natürlich! Das Wichtigste ist immer noch das Produkt. Man kann keine Tech-Firma bauen ohne ein gutes Produkt als Fundament. Marketing, Technologie, die Läden und die Inszenierung bauen dann darauf auf. Wir stehen heute besser da denn je, weil wir immer wieder ins Produkt investiert und Innovationen vorangetrieben haben.

Daniel Grieder auf der Terrasse des Tommy-Hilfiger-Hauptsitzes. Hinter ihm der Hafen von Amsterdam.
Foto: Judith Jockel
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Eine Jeans ist eine Jeans. Der Stoff bleibt gleich. Was kann man da neu erfinden?
Das ändert sich ständig! Es geht nicht nur um den Schnitt oder die Waschung. Nehmen wir das Material: Vor ein paar Jahren kannte noch niemand Stretch. Dann haben wir angefangen, Stretch in Damenhosen beizumischen. Heute tragen das auch die Männer. Oder Nachhaltigkeit, da tut sich ganz viel Neues auf: Uns ist es zum Beispiel gelungen, Jeansstoff wiederzuverwerten.

Eines Ihrer Rezepte: Sie erfassen ganz viele Daten. Vermessen Sie Ihre Kunden?
Heute steht der Endkunde im Zentrum. Das ist eine ganz wichtige Erneuerung. Früher fragte man etwa die Warenhäuser: Was habt ihr von unserer Ware verkauft? Das spielt keine Rolle mehr. Wir hören heute dem Konsumenten zu.

Daniel Grieder

Daniel Grieder (56, nicht verwandt mit Grieder Boutique) wuchs in Schaffhausen auf. 1997 half er mit, die Kleidermarke Tommy Hilfiger in der Schweiz und Österreich zu lancieren. 2006 wurde er Europa-Chef der Marke, seit 2014 ist er CEO. Ursprünglich hat er das KV gemacht und danach an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) studiert. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Daniel Grieder (56, nicht verwandt mit Grieder Boutique) wuchs in Schaffhausen auf. 1997 half er mit, die Kleidermarke Tommy Hilfiger in der Schweiz und Österreich zu lancieren. 2006 wurde er Europa-Chef der Marke, seit 2014 ist er CEO. Ursprünglich hat er das KV gemacht und danach an der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) studiert. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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Stimmt es, dass Sie in Ihren Läden erfassen, wie lange jemand vor einem bestimmten Regal stehen bleibt?
Ja klar. Wenn Sie reinkommen, interessiert uns bereits: In welche Richtung laufen Sie? Welcher Tisch spricht Sie an? Das machen wir mit Kameras und sogenannten RFID-Empfängern. Wenn wir merken, dass das Interesse abnimmt, stellen wir sofort um. Das kann man heute nicht mehr alles dem Zufall überlassen.

Kleiderläden sind am Kämpfen.
Wir testen in London, Amsterdam und Zürich gerade unser neues Store-of-the-Future-Konzept. Es besteht aus drei Ebenen. Der traditionelle Kunde möchte immer noch in den Laden, etwas anprobieren und vielleicht kaufen. Das behalten wir. Wir haben aber auch Touchscreens, viel grösser als auf dem Smartphone. Dadurch hat der Kunde Zugriff auf ein riesiges Sortiment. In Zürich haben wir keinen Platz für Kinderkleider. Man kann sie aber über den Touchscreen bestellen.

Das waren zwei Ebenen.
Die dritte Ebene ist unsere Community. Dort kann man sich treffen, etwas trinken oder einfach auf den Partner warten. Man kann dort aber auch Kleider personalisieren, etwa ein Poloshirt. Oder wir reparieren etwas. Der Kunde soll sich bei uns wohlfühlen. So haben Läden eine Zukunft. Der Erfolg gibt uns recht.

Sie bezeichnen sich selbst als süchtig nach Innovation ...
Man kann natürlich die Hände verwerfen ob all dem Digitalen. Wir sehen es aber als neue Möglichkeit: Wie kann man etwas Zusätzliches oder Neues daraus machen? Ich finde es aber auch einfach faszinierend, was es heute alles für Technologien gibt. Da kann man nicht einfach wegschauen. Die neue Welt hat schon so viel verändert, auch in unserer Branche.

Zum Beispiel?
Der Endkunde will nicht ein Stück an einer Fashion Show sehen und dann sechs Monate darauf warten. Er will es am nächsten Tag im Laden haben. Man kann das ignorieren. Oder man passt sich an. Mich fasziniert es, vorne mitzuschwimmen und die neusten Technologien zu integrieren. Ich finde übrigens: Auch ein Mensch muss sich immer wieder neu erfinden und Innovation mit sich selber betreiben.

Sie sind 56 Jahre alt …
Es spielt überhaupt keine Rolle, wie alt man ist. Wenn man sagt: Dafür bin ich zu alt, ist es wirklich vorbei. Wenn man aber offen ist, dann ist auch das ganze Digitale nicht mehr so bedrohlich. Dann denkt man: Wow! So verlange ich es von mir, von meinen Mitarbeitern, auch von meiner Familie.

Sie sagten einmal, Sie seien stolz darauf, schlechte Noten gehabt zu haben.
Habe ich das? Aber es stimmt: Noten finde ich völlig irrelevant. Mir ist viel wichtiger, dass jemand anpassungsfähig ist, etwas präsentieren oder integrieren kann. Der Mensch steht für mich im Zentrum. Mir wurden meine Noten jedenfalls nie zum Hindernis.

Tommy Hilfiger ist noch dabei

1985 verkaufte der amerikanische Designer Tommy Hilfiger (68) erstmals Kleider unter eigenem Namen. Dank Übergrössen und der Hip-Hop-Kultur erlebte die Marke Mitte der 90er-Jahre einen Höhepunkt. Anfang der Nullerjahre gingen die Umsätze dramatisch zurück. Die Europa-Zentrale in Amsterdam rebellierte gegen das Management in New York. Seit 2006 ist Amsterdam der Hauptsitz. Die Marke besann sich zurück auf ihren klassisch-amerikanischen Stil. Seit 2010 gehört die Marke zum PVH-Konzern, zusammen mit Calvin Klein und anderen Brands. Gründer Tommy Hilfiger ist immer noch als Berater tätig.

1985 verkaufte der amerikanische Designer Tommy Hilfiger (68) erstmals Kleider unter eigenem Namen. Dank Übergrössen und der Hip-Hop-Kultur erlebte die Marke Mitte der 90er-Jahre einen Höhepunkt. Anfang der Nullerjahre gingen die Umsätze dramatisch zurück. Die Europa-Zentrale in Amsterdam rebellierte gegen das Management in New York. Seit 2006 ist Amsterdam der Hauptsitz. Die Marke besann sich zurück auf ihren klassisch-amerikanischen Stil. Seit 2010 gehört die Marke zum PVH-Konzern, zusammen mit Calvin Klein und anderen Brands. Gründer Tommy Hilfiger ist immer noch als Berater tätig.

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Sie haben gerade einen Lauf, machen mit Tommy Hilfiger rund 7,5 Milliarden Euro Umsatz. Was machen Sie, wenn Sie an die Decke stossen?
Wir können noch viel grösser werden! Ich sehe so viele Möglichkeiten. Denken Sie an den Sportbereich: Es gibt Adidas und Nike, die machen gegen 30 Milliarden Umsatz, sind aber nur im Sportbereich. Dort hat noch niemand richtig angegriffen.

Sie wollen Nike und Adidas herausfordern?
Ja, wir sind dran! Ich glaube, dass wir eine Chance haben. Wir haben jetzt eine Sportkollektion. Noch eine kleine zwar, aber es kommt.

Das Modebusiness ist knallhart. Warum macht Ihnen das Spass?
Wegen der Herausforderung! Ja, es ist schnelllebig und ändert sich ständig. Aber das fasziniert mich. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn alles immer gleich bleibt. Kennen Sie Didi Mateschitz?

Den Red-Bull-Erfinder? Nicht persönlich …
Das ist meine Lieblingsgeschichte: Ich sass mal mit ihm zusammen und sagte zu ihm: «Du hast es so schön! Du hast nur dieses eine kleine Produkt, diese Dose, die du verkaufen musst.» Und er antwortete: «Nein! Du hast es schön! Du kannst für jede Kollektion wieder eine neue Geschichte erfinden. Ich muss mir für das ewig gleiche Produkt immer wieder etwas Neues einfallen lassen.» Und ja: Er hat recht!

Warum pendeln Sie eigentlich zwischen dem Hauptsitz in Amsterdam und Zürich? Amsterdam ist doch eine tolle Stadt!
Jeden Montag bin ich auf dem ersten Flug nach Amsterdam und jeden Freitagabend fliege ich wieder zurück. Ich mache das seit 15 Jahren. Sie sehen also, wie wichtig mir das ist. Was genau es ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Berge und Seen sind mein Ding.

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