Rivella-Chef Erland Brügger im Interview
«Wenn es zu heiss ist, trinken die Leute lieber Wasser»

Der Flop mit dem Soja-Rivella steckt dem Hersteller des Nationalgetränks immer noch in den Knochen. Mit Rivella Refresh feiert Chef Erland Brügger aber wieder einen Erfolg. Und mit Urs hat er noch einen Joker in der Tasche.
Publiziert: 28.09.2018 um 17:43 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2019 um 10:22 Uhr
Claudia Gnehm (Interview) und Philippe Rossier (Foto)

Dieser Hitzesommer sollte Rivella prallvolle Kassen beschert haben, müsste man zumindest meinen. Doch darauf angesprochen, führte Rivella-Chef Erland Brügger (52) BLICK ins Lager am Sitz in Rothrist AG. Noch sei es voll, doch jetzt komme dem Hersteller des Nationalgetränks das Wetter zugute. 

BLICK: Warum war der Durst auf Rivella bei dieser Sommerhitze nicht grösser?
Erland Brügger: Wenn es heiss ist, trinkt man gerne. Aber wenn es sehr heiss ist, trinken die Leute noch lieber Wasser und keine Softdrinks, Fruchtsäfte, Wein und Alkohol mehr.

Ab welcher Temperatur wechseln wir zum Wasser?
Ab 27 bis 28 Grad steht bei der Flüssigkeit der Geschmack nicht mehr im Vordergrund. Schönes Wetter um 25 bis 26 Grad, wo die Leute draussen noch aktiv sind, ist für uns ideal. So oft hatten wir dieses ideale Wetter diesen Sommer nicht.

Der Rivella-Konsum im Inland ist dieses Jahr also gegenüber 2017 weiter zurückgegangen?
Sagen wir so: Wir haben noch genügend Rivella an Lager. Der Sommer hat nicht zu einem Boom geführt. Das Schweizer Geschäft ist aber stabil.

Mit der Zuwanderung sollte doch auch Ihr Markt wachsen!
Es ist noch offen, ob die Bevölkerung dieses Jahr überhaupt zunimmt. Wir merken nichts von einer grossen Einwanderung, denn für uns ist es schwieriger geworden, Personal aus dem Ausland zu rekrutieren. Erschwerend kommt die neue Stellenmeldepflicht hinzu.

Inwiefern betrifft Sie die Stellenmeldepflicht?
Sie betrifft alle Arbeitgeber. Der Anstellungsprozess ist aufwendiger, und es dauert länger, bis man eine Stelle besetzt hat. Für die Stellensuchenden ist das eine positive Entwicklung. Aber die Arbeitgeber erhalten damit nicht unbedingt die Leute, die sie sich wünschten.

Bei Rivella stellt die zweite Generation der Gründerfamilie die Besitzer und den Verwaltungsrat. Wo steht der Generationenwechsel?
Die Familie Barth ist sehr zufrieden mit der Firma. Wir diskutieren darüber, wie die nächste Generation reinkommt. Weiter sind wir noch nicht.

Hat der Gründer festgelegt, dass die Firma nicht nach China verkauft werden darf?
Es gibt viel Herzblut dafür, dass es für Rivella eine schweizerische Lösung gibt, und auch, dass es eine Familienlösung sein soll.

Wie halten Sie es mit einem Verkauf von Getränken in China?
Eine Expansion nach China ist kein Thema. Wir sind ein Familienunternehmen, und wir konzentrieren uns auf den Heimmarkt. Wir haben in der Schweiz schon genug zu tun, wo wir gegen Coca-Cola und Konsorten ankämpfen müssen.

Die Verkäufe in der Schweiz stagnieren. Ist das Auslandsgeschäft erneut der Wachstumstreiber?
Ja, wir werden im laufenden Jahr ein deutliches Wachstum im Ausland haben. Im wichtigsten, aber gesättigten Markt Holland legen wir sogar zu.

Stehen die Holländer auf die neuen, kohlesäurefreien Rivellas?
Sie starteten gut und tragen zum Wachstum bei. In der Schweiz versteht man das nicht. Aber in Holland gibt es tatsächlich einen Markt für kohlesäurefreie Erfrischungsgetränke.

Kannibalisieren diese nicht Rot, Blau und Grün mit Blöterli?
Nein, wir bauen damit unseren Marktanteil aus.

Mehr Mineral, weniger Soft-Getränke

Auf dem Schweizer Getränkemarkt nimmt der Durst auf Soft-Getränke ab, der auf Mineralwasser zu. Der Konsum von Coca-Cola, Rivella & Co. reduzierte sich letztes Jahr auf 582 Millionen Liter, er ging auch dieses Jahr weiter zurück, wie Christiane Zwahlen vom Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten, auf Nachfrage bestätigt.

Nicht nur der schwindende Konsum, sondern auch die steigenden Importe machen den Schweizer Herstellern zu schaffen. Ihre Produktionsmenge ist vom Höhepunkt im Jahr 2007 mit 620,5 Millionen Litern auf 481,3 Millionen Liter im letzten Jahr gesunken.

Besser geht es den hiesigen Mineralwasser-Produzenten. Denn zum einen steigt der Konsum von Jahr zu Jahr. Zum anderen nehmen zwar auch die Mineralwasser-Importe zu und machen schon fast die Hälfte des Konsums aus. Doch der Verbrauch steigt insgesamt weiter an. Letztes Jahr wurden 977,4 Millionen Liter Mineral konsumiert. Im Vorjahr waren es 964 Millionen Liter. Claudia Gnehm

Auf dem Schweizer Getränkemarkt nimmt der Durst auf Soft-Getränke ab, der auf Mineralwasser zu. Der Konsum von Coca-Cola, Rivella & Co. reduzierte sich letztes Jahr auf 582 Millionen Liter, er ging auch dieses Jahr weiter zurück, wie Christiane Zwahlen vom Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten, auf Nachfrage bestätigt.

Nicht nur der schwindende Konsum, sondern auch die steigenden Importe machen den Schweizer Herstellern zu schaffen. Ihre Produktionsmenge ist vom Höhepunkt im Jahr 2007 mit 620,5 Millionen Litern auf 481,3 Millionen Liter im letzten Jahr gesunken.

Besser geht es den hiesigen Mineralwasser-Produzenten. Denn zum einen steigt der Konsum von Jahr zu Jahr. Zum anderen nehmen zwar auch die Mineralwasser-Importe zu und machen schon fast die Hälfte des Konsums aus. Doch der Verbrauch steigt insgesamt weiter an. Letztes Jahr wurden 977,4 Millionen Liter Mineral konsumiert. Im Vorjahr waren es 964 Millionen Liter. Claudia Gnehm

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Sie haben im Frühling das neue Rivella Refresh eingeführt. Kommt es an?
Refresh ist sehr gut gestartet. Es ist eine leichte Interpretation von Rivella Rot mit 40 Prozent weniger Zucker. Es ist jetzt bereits die Nummer 3, hinter Rot und Blau.

Refresh hat Rivella Grün, Mango und Rhabarber beim Volumen schon überholt?
Rivella Refresh hat die anderen definitiv überholt. Man kann sogar sagen, dass wir bereits mehr Rivella Refresh verkauften, als der Gesamtjahreswert der anderen Rivella beträgt.

Kommt die Sorte mit weniger Zucker auch bald in die Restaurants?
Bis jetzt gibt es in der Gastronomie nur Rot, Blau und Grün. Nächstes Jahr werden es Rot, Blau und Refresh sein.

Seit Juni steht Rivella bei den Discountern Aldi und Lidl im Regal. Bei McDonald’s hats nicht geklappt?
Die Discounter starteten erfreulich. Bei McDonald’s wären wir immer noch gerne dabei – aber unser Konkurrent hat dort das Sagen.

Sie haben Ihr Büro geräumt für ein Start-up, das das neue Getränk Urs entwickelt hat. 
Uns ging es darum, eine neue Generation von Getränken zu entwickeln, losgelöst von Milchserum und Fruchtsäften. Das Apéro-Getränk auf Basis von fermentierten Limetten richtet sich an Konsumenten, die keine Lust auf Alkohol haben, aber auch keinen Orangensaft oder Rivella wollen. Mit Urs sind sie dabei.

Was kostet Urs?
In den Szene-Lokalen in Zürich, Luzern und Basel wurde die 0,275-cl-Flasche für 5 bis 6 Franken lanciert. Eisbär statt Kater ist das Motto, wenn es um Urs geht. (lacht)

Die Limetten kommen wohl nicht aus der Schweiz, oder?
Nein, wir setzen hier auch nicht auf Swiss made. Produziert und abgefüllt wird Urs in Deutschland.

Rentiert Urs?
Unsere Innovationsplattform rentiert im Moment noch nicht. Bei einer Innovation sollte man nach drei, vier Jahren sagen können, ob das Produkt massentauglich ist. Und wenn es massentauglich ist, sollte es rentieren. Wenn nicht, sollte man es lassen.

Was heisst massentauglich für Urs?
Dass wir in eine breitere Distribution gehen können. Man müsste pro Artikel drei bis vier Millionen Umsatz machen, damit das rentiert.

Eisbär statt Kater

HSG-Ökonom Erland Brügger (52) blickt auf eine 25-jährige Karriere in der Ernährungsbranche zurück. Seit 2011 ist der Berner Chef der Rivella-Gruppe mit Sitz in Rothrist AG. Die Herstellerin des Schweizer Nationalgetränks (Rot, Blau, Grün) erzielte einen Umsatz von 136 Millionen Franken im letzten Jahr. Zu den Innovationen gehören neben Rivella Mango und Rhabarber auch Rivella Refresh mit weniger Zucker. Der Chef von 260 Mitarbeitern wagte 2018 den Schritt in die Trendgastronomie mit Urs. «Eisbär statt Kater» ist der Werbespruch, mit dem Brügger für das neue Getränk wirbt.

HSG-Ökonom Erland Brügger (52) blickt auf eine 25-jährige Karriere in der Ernährungsbranche zurück. Seit 2011 ist der Berner Chef der Rivella-Gruppe mit Sitz in Rothrist AG. Die Herstellerin des Schweizer Nationalgetränks (Rot, Blau, Grün) erzielte einen Umsatz von 136 Millionen Franken im letzten Jahr. Zu den Innovationen gehören neben Rivella Mango und Rhabarber auch Rivella Refresh mit weniger Zucker. Der Chef von 260 Mitarbeitern wagte 2018 den Schritt in die Trendgastronomie mit Urs. «Eisbär statt Kater» ist der Werbespruch, mit dem Brügger für das neue Getränk wirbt.

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