Rekordtief macht Türkeiferien superbillig
Was hinter dem Lira-Absturz steckt

Der Fall der türkischen Lira ist tief und endlos. Der Zentralbank fehlen inzwischen die Mittel, um diesen zu stoppen. Und eine Zinserhöhung ist ein Tabu.
Publiziert: 15.08.2020 um 18:46 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2020 um 16:26 Uhr
Christian Kolbe

Die türkische Währung, die Lira, befindet sich im freien Fall. Verliert täglich an Wert gegenüber wichtigen Referenzwährungen wie dem Dollar, dem Euro oder dem Franken. Wieder einmal, muss man sagen, denn schon im August vor zwei Jahren, stürzte die Lira richtiggehend ab.

Türkei-Ferien jetzt wieder süperbillig? Seit Jahresbeginn hat der Schweizer Franken gegenüber der Lira fast ein Drittel an Wert gewonnen. Das hat vor allem mit der Schwäche der türkischen Währung zu tun, weniger mit einer Aufwertung des Frankens. Auch gegenüber Dollar und Euro fiel die türkische Lira am Freitag auf historische Tiefstände.

Dabei hat die türkische Zentralbank bereits einige Schritte eingeleitet, um den Kursrutsch der Währung zu bremsen – bislang erfolglos: «Die türkische Zentralbank ist langsam ausgeschossen», erklärt Adriel Jost (35), Ökonom und Partner bei der Wirtschaftsberatung WPuls. «Es fehlen die harten Devisen, um die Lira zu stützen.»

Viel bleibt nicht mehr viel vom Ersparten:
Foto: keystone-sda.ch
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Ohne Touristen keine Devisen

Diese fehlen auch deshalb, weil der Tourismus wegen der Corona-Krise weit vom Niveau früherer Jahre entfernt ist. Das zeigen aktuelle Zahlen aus der Türkei: In Istanbul ist die Zahl der Besucher im ersten Halbjahr 2020 um beinahe zwei Drittel eingebrochen. Das schreibt das Online-Portal Hürriyet.de.

Viele Hotels an den türkischen Stränden bei Bodrum, Izmir oder rund um Antalya waren im Juli noch geschlossen. Inzwischen sind zwar rund 60 Prozent der Hotels geöffnet, ausgebucht sind aber die wenigsten. Obwohl die ausländischen Touristen aufgrund des Lira-Absturzes mehr für ihr Geld bekommen.

«Die Corona-Krise hat die türkische Wirtschaft hart getroffen», erklärt Florence Hartmann (29), Währungsanalystin für Schwellenländer bei der Credit Suisse. «Vor Corona befand sich die Türkei in einer Aufschwungphase, auch dank starker monetärer Lockerung durch die Zentralbank.»

Doch diese kann nun ihre Tresore nicht mehr mit den Devisen füllen, welche die Touristen sonst ins Land bringen. «In normalen Zeiten wäre es dank der schwachen Lira günstiger für ausländische Touristen, Ferien in der Türkei zu machen», sagt Hartmann. Doch in Zeiten von Corona ist nichts normal.

Türken wollen ihr Erspartes retten

Deshalb schafft die schwache Lira vor allem Probleme: «Die Gefahr einer Inflationsspirale ist gross», so Hartmann. Das Leben in der Türkei wurde in den letzten Wochen teurer. Zudem frisst die Inflation die Ersparnisse der Bevölkerung auf: «Die Inflation liegt bei rund 12 Prozent», sagt Ökonom Jost. «Bei Zinsen von rund acht Prozent, wissen die Türken noch viel besser als die Schweizer, wie negative Zinsen das Ersparte vernichten können.»

Auch deshalb haben türkische Banken damit begonnen, Gebühren für Barabhebungen ausländischer Devisen zu verlangen. «Es geht darum, eine Kapitalflucht zu unterbinden. Denn das würde die Lira noch weiter schwächen», glaubt Jost.

Tabuthema Zinserhöhung

Seit der Währungskrise 2018 hatten die Türken verstärkt harte Währungen gehortet. Im Zuge des erneuten massiven Kursrückgangs der Lira in den vergangenen Wochen nahm das Volumen an Fremdwährungen bis Ende Juli auf 213 Milliarden Dollar zu.

Es gäbe ein Rezept gegen Teuerung und schwache Währung: viel höhere Zinsen. Ein Ding der Unmöglichkeit glaubt CS-Analystin Hartmann: «Es ist nach wie vor ein Tabuthema in der Türkei, die Zinsen zu erhöhen. Der politische Druck auf die Zentralbank ist enorm hoch.»

Vor einem Jahr hat Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) den damaligen Zentralbankchef Knall auf Fall rausgeschmissen: Nicht etwa, weil er es gewagt hätte, die Zinsen zu erhöhen. Sein Vergehen war es, die Zinsen zu wenig schnell zu senken!

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