Reisen während der Pandemie
So gefährlich sind Ferien in Zeiten von Corona

Bei Reisen in viele Länder drohen zehn Tage Quarantäne bei der Rückkehr. Laut eines Berichts der «Bilanz» ist die Ansteckungsgefahr unterwegs aber nicht viel grösser als zu Hause.
Publiziert: 17.10.2020 um 21:54 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2020 um 10:24 Uhr
Alexander Koenig («Bilanz»)

Die Angst vor Covid-19 ist gross. Gerade erst vermeldete die Schweiz an nur einem Tag knapp über 2'500 neue Corona-Infektionen. Viele verbinden diese Angst jedoch vor allem mit dem Thema Ferien.

Doch wie wahrscheinlich ist es tatsächlich, dass man sich auf Reisen ansteckt? Den Massnahmen nach zu urteilen sehr hoch. Denn wer in ein Land mit erhöhtem Ansteckungsrisiko reist, muss bei Rückkehr in die Schweiz zehn Tage in Quarantäne, die auch durch einen negativen Test nicht aufgelöst werden kann. Bedeutet: Jedes Land, das es auf die Liste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) schafft, ist von Schweizern quasi nicht mehr bereisbar.

Keine Quarantäne bei steuerbaren Risiken des Alltags

Warum muss man zehn Tage in Quarantäne nach einer Reise, nicht aber, wenn man auf eine Geburtstagsfeier geht oder in einen gut besuchten Gottesdienst? Oder generell auf Veranstaltungen, die aktuell noch mit bis zu 1000 Personen erlaubt sind?

Wie wahrscheinlich ist es, dass man sich in den Ferien ansteckt? Das hängt laut «Bilanz» von der Art der Ferien ab.
Foto: imago
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Das Virus hat keine Präferenz für Reisende. Es überträgt sich primär über Aerosole in der Luft. Wo auch immer mehrere Menschen in geschlossenen Räumen für längere Zeit aufeinandertreffen, ist die Gefahr am grössten. Nur verdrängen viele diese Gefahr.

Man denkt meist, dass Freunde und Bekannte doch vernünftig sind und das Virus bestimmt nicht haben. Aber wenn man Freunde trifft, ist man auch allen Personen indirekt ausgesetzt, mit denen sich die Freunde in den letzten Tagen getroffen haben. Kindergärten und Schulen tun ihr Übriges, um das Ansteckungsrisiko zu erhöhen.

Abstand und Hygiene auch im Urlaub

Wie wahrscheinlich ist es also, dass man sich in den Ferien ansteckt? Das hängt immer von der Art des Ausflugs ab. Denn auch hier gilt: Masken tragen, Abstand halten und Hygienemassnahmen einhalten. Nur ist man in den Feiren nicht automatisch mehr Gefahren ausgesetzt, als wenn man zu Hause bleibt.

Wer beispielsweise im Winter in wärmere Gefilde reist, kann dort Frühstück, Mittagessen und Abendessen im Freien einnehmen. Es war kein Zufall, dass die Fallzahlen generell im Sommer deutlich niedriger lagen. Auch sind aktuell viele Reiseziele sehr schwach frequentiert, sodass das Abstandhalten nicht schwerfallen dürfte. Bleibt also das Thema Fliegen.

Bisher kaum Infektionen auf Flügen

Viele haben besondere Angst vor dem Fliegen, denn dort kann man zumindest in der Economy Class keinen Abstand zu anderen Passagieren halten. Doch der Medizinspezialist des Wirtschaftsverbands International Air Transport Association, David Powell, rechnete jüngst in Genf vor, dass es 2020 bisher nur 44 Infektionsfälle gab, die auf Flüge zurückzuführen waren (und dort oft auch nur, weil Regeln nicht eingehalten wurden). Bei 1,2 Milliarden Flügen ist das ein Fall je 27 Millionen Reisende.

Selbst wenn die Dunkelziffer zehnmal so hoch wäre – was bei den täglich gemeldeten Infektionen auch oft angenommen wird – wäre es einer von 2,7 Millionen Reisenden. Powell führt auch aus, dass 60 Prozent der Fluggäste die Kabinenluft im Flugzeug aufgrund der Aerosole für gefährlich halten.

Lüftungssysteme kombiniert mit Masken effektiv

Bruno Fargeon, ein Ingenieur von Airbus, hat eine Simulation der Aerosole durchgespielt und kam zu dem Ergebnis, dass ein Sitznachbar im Flugzeug von 10'000 Tröpfchen, die beim Husten entstehen, maximal fünf abbekommt, solange Masken getragen werden.

In einem Büroraum mit 1,8 Metern Abstand zu Kollegen wären es zehn Tröpfchen. Das heisst, trotz viel geringerem Abstand ist das Risiko geringer. Die Gründe: häufiger Luftaustausch im Flieger, der Luftstrom, der alles nach unten drückt sowie die eingesetzten Hepa-Filter.

Wer immer noch skeptisch ist, kann mit drei weiteren Massnahmen das Risiko zusätzlich senken:

1. Nutzung der richtigen Maske

Auf dem Markt gibt es aktuell sehr viele unterschiedliche Masken. Am beliebtesten sind die Einweg-Stoffmasken, die nach einmaliger Nutzung einfach weggeworfen werden. Diese schützen in erster Linie andere, können jedoch, da sie zu grobmaschig sind, Corona-Viren selbst kaum abhalten.

Dann gibt es die FFP2- und FFP3-Masken. Diese versprechen einen hohen Grad an Schutz, sind aber nicht bequem zu tragen und erschweren das Atmen. Erlaubt sind sie im Flieger nur dann, wenn sie ohne Ventil verwendet werden. Doch die meisten dieser Masken haben ein Ventil, und damit würde die Maske nur noch einen selbst, jedoch nicht mehr Menschen um einen herum schützen. Das muss man beim Kauf unbedingt beachten.

Eine dritte Variante kommt aus der Schweiz von der Firma Livinguard. Durch magnetisches Aufladen des Gewebes der Masken können auf der Maskenoberfläche mehr als 99,9 Prozent der Corona-Viren inaktiviert werden. Diese Technologie wurde von unterschiedlichen Maskenherstellern aufgegriffen. So hat die Firma Wingguard beispielsweise eine Pro-Maske entworfen, bei der zusätzlich auch noch ein Polypropylenfilter – ähnlich wie in FFP2-Masken – verbaut ist. In Kombination mit der Livinguard-Technologie eine zumindest im Vergleich zu herkömmlichen Stoffmasken deutlich sicherere Variante.

2. Mehr Abstand dank Vielflieger-Status

Eine weitere Massnahme, um Abstand am Flughafen halten zu können, ist der Besitz eines Vielflieger-Status'. Wer zum Beispiel den Lufthansa/Swiss-Senator-Status hat, kann am Business- oder First-Class-Schalter schnell und ohne grosse Warteschlangen einchecken. Es gibt einen Fast Track an den Sicherheitskontrollen, Loungezugang sowie Priority Boarding. Für den Flug erhöht der Status die Wahrscheinlichkeit für ein Upgrade, plus es wird eher versucht, den Nachbarsitzplatz falls möglich freizuhalten.

3. Business und First Class

Social Distancing kann man im Flieger am besten aktiv in der Business Class oder in der First Class umsetzen. In einer First-Class&More-Studie konnten wir die besten zehn Business-Class-Flugprodukte in Zeiten von Corona identifizieren. In der First Class gibt es dann noch einmal mehr Abstand. Besonders attraktiv sind hierbei Suitenprodukte, die vor allem Emirates in fast allen Interkontinentalmaschinen anzubieten hat. Denn da kann man sogar die Tür zur Suite verschliessen und dann auch ohne Maske den Flug geniessen.

Fazit: Covid-19 bestimmt den täglichen Diskurs, und das Reisen muss als Sündenbock herhalten. Doch wenn man von Gruppenreisen, Partytrips und dergleichen absieht und bestimmte Regeln beachtet, ist das Ansteckungsrisiko sehr gering. So gesehen wirkt die zehntägige Zwangsquarantäne stark überzogen.

Artikel aus der «Bilanz»

Dieser Artikel wurde in der «Bilanz» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.bilanz.ch.

Dieser Artikel wurde in der «Bilanz» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.bilanz.ch.

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