Preise für Wohneigentum gehen durch die Decke – trotz Corona
Was ist ein Haus folglich wirklich wert?

Die Preise für Häuser steigen und steigen – trotz Corona. Doch was gibt einem Haus Wert und wann ist es überbewertet? Immobilienexperten erklären.
Publiziert: 31.08.2020 um 09:01 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2021 um 22:28 Uhr
Dorothea Vollenweider

In der Immobilienbranche gibt es ein geflügeltes Wort, wenn es darum geht, ein Haus zu bewerten. Entscheidend sind immer drei Faktoren: Die Lage, die Lage und nochmals die Lage. Doch stimmt das wirklich? Und was macht die Wertigkeit eines Hauses sonst noch aus? BLICK hat bei drei führenden Branchenexperten nachgefragt.

«Das Sprichwort bezüglich der Lage ist nicht falsch», sagt Markus Meier (58), Direktor des Hauseigentümerverbands Schweiz (HEV). Letztendlich könne man schliesslich alles an einem Haus ändern, wenn man es erstmal gekauft hat. «Doch bewegen kann man es nicht mehr, denn es ist eben eine Immobilie – also nicht mobil», sagt er. Nicht zuletzt deshalb sei ein Hinweis wie zum Beispiel «unverbaubare Seesicht» in einer Immobilienannonce von so grossem Wert.

Die Lage ist alles

«Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen der Makrolage – also die Gemeinde, in der das Objekt steht – und der Mikrolage – also wo in der Gemeinde das Haus steht», sagt Ronny Haase (45), Mitglied der Geschäftsleitung und Partner des Immobilienberatungsunternehmen Wüest Partner.

Ist es die Lage, die über den Wert einer Immobilien entscheidet? Oder die Bausubstanz?
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Die Makrolage ist entscheidend für Faktoren wie Erreichbarkeit und Steuerniveau. Bei der Mikrolage gehe es darum, ob das Haus See- oder Bergsicht hat, wie gross die Distanz zur Schule ist oder ob sich Einkaufsmöglichkeiten und Bushaltestellen in der Nähe befinden.

Warum steigen die Preise?

Abgesehen von der Lage gibt es laut Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff (59) noch drei weitere ausschlaggebende Punkte für den Wert eines Hauses: «Die Grösse des Grundstücks und der Wohnfläche, der Gebäudezustand und der Ausbaustandard», so Neff.

Doch was rechtfertigt einen Preisanstieg, wenn diese Faktoren gleich bleiben? «Eine Immobilie ist immer das wert, was der Käufer bereit ist, zu bezahlen», sagt Meier vom HEV. «Das heisst, der Preis ist immer auch eine Momentaufnahme», fügt er an. Und es heisst eben auch, dass der Preis nicht immer dem reinen Substanzwert des Hauses entspricht.

Markt ist nicht überbewertet

«Letztendlich gibt es keinen objektiven Wert für eine Immobilie», sagt Neff. Der Wert ergebe sich immer aus individuellen Präferenzen der Käufer und Verkäufer. Es geht also wie immer um Angebot und Nachfrage.

Und das erklärt auch, weshalb die Corona-Krise dem Preisanstieg keinen Dämpfer verliehen hat. «Das Angebot ist in der Schweiz nun mal knapp und die Bautätigkeit liegt auf tiefem Niveau», so Neff. Das Tiefzinsumfeld, dessen Ende nicht absehbar sei, und das knappe Angebot rechtfertigen demnach die aktuell hohen Preise. Soll heissen: Der Immobilienmarkt ist derzeit nicht überbewertet.

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Die Kaufentscheidung absichern

Aber was kann man tun, wenn das Haus, das man kaufen möchte, laut der Bank überbewertet ist? «Das kommt darauf an», sagt Haase von Wüest Partner. Es komme vor, dass Banken bei der Bewertung Risikomanagement betreiben. «Das heisst, sie bewerten das Objekt bewusst unter dem aktuellen Marktwert», so Haase.

In dem Fall muss der Käufer mehr Eigenmittel einschiessen, um es zu finanzieren, weil die Bank nicht bereit ist, die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem von ihnen berechnete Marktwert zu finanzieren. Ist der Käufer unsicher, ob der Preis für das Haus gerechtfertigt ist, hilft es auch, die Immobilienpreise in der Region zu vergleichen. Im Zweifel sollte man laut Haase eine unabhängige Bewertung durchführen lassen, um die Kaufentscheidung abzusichern.

Bauland ist ein endliches Gut

Denn die Frage bleibt: Wie lange können die Hauspreise noch steigen, bis sie den Zenit erreicht haben? Bereits seit der Jahrtausendwende kennt die Kurve nur eine Richtung: nach oben. Selbst jetzt, während der Corona-Krise, hat sich daran nichts geändert. Und laut den Experten deutet vieles darauf hin, dass sich das auch künftig nicht ändern wird.

Denn Bauland ist und bleibt in der Schweiz begrenzt und die Nachfrage für dieses begrenzte Gut steigt. «Gerade jetzt nach dem Lockdown spricht vieles dafür, dass die Leute ein Haus auf dem Land kaufen möchten», so Meier.

Preisentwicklung wird abflachen

«Jedoch wird sich die Dynamik der Preisentwicklung abbremsen, weil die Tragbarkeitsrichtlinien mehr und mehr limitierend auf die Nachfrage auswirken», so Neff. Das hat aber auch seine Vorteile: Denn die strengen Tragbarkeitsrichtlinien tragen dazu bei, dass Hauseigentümer auch während einer vorübergehenden Krise ihre Schulden noch begleichen können. «Es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass Eigenheimbesitzer ihre Hypotheken in nächster Zeit nicht mehr bezahlen können», so Neff.

Sind Immobilien also noch immer ein guter Ort, um Geld anzulegen? Ja, finden die Experten. Die anhaltend tiefen Zinsen machen den Kauf eines Eigenheims immer noch zu einer lohnenswerten Investition. Nicht zuletzt auch, weil sich durch ein Eigenheim im Vergleich zur Miete Kosten sparen lassen.

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