Öl wird billiger, Benzin bleibt teuer
Tankstellenbetreiber wehren sich gegen Abzock-Vorwürfe

Die Ölpreise sinken nach dem Ukraine-Schock wieder. An der Zapfsäule hingegen geht es nur im Schneckentempo bergab. Das ruft den Preisüberwacher auf den Plan. Die Tankstellenbetreiber wehren sich gegen Abzockvorwürfe.
Publiziert: 11.08.2022 um 19:14 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2022 um 21:09 Uhr
Martin Schmidt und Aline Leutwiler

Alle Autofahrende kennen die Redensart: Die Benzinpreise steigen schneller als sie sinken. Momentan zeigt sich das an praktisch jeder Zapfsäule des Landes. Der Rohölpreis befindet sich bereits seit zwei Monaten im Sinkflug. Kostete ein Fass der Rohölsorte Brent im Juni noch über 120 Franken, sind es aktuell noch 92 Franken.

Das entspricht einem Rückgang von mehr als 20 Prozent. Wer auch an der Zapfsäule auf einen derartigen Preiszerfall hofft, hat sich geirrt. Laut dem Touring Club Schweiz (TCS) wird an Schweizer Tankstellen der Liter Diesel aktuell im Schnitt zu rund 2.33 Franken verkauft. Im Juni lag der Preis noch bei 2.36 Franken. Ein Rückgang zwar, aber längst nicht um 20 Prozent wie beim Rohöl.

Das hat nun sogar den Preisüberwacher auf den Plan gerufen, wie die «Aargauer Zeitung» am Donnerstag berichtete. Untersucht wird, ob in der Schweiz überzogene Treibstoffmargen eingesackt werden. Blick wollte von den grossen Tankstellenbetreibern des Landes wissen: Werden die Leute an der Zapfsäule abgezockt?

Der Ölpreis ist wieder deutlich gesunken.
Foto: IMAGO/Jochen Eckel
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Das Wasser im Rhein fehlt

Avia hält dagegen. Sie gehört mit 500 Standorten zu den grössten Tankstellenbetreibern im Land. Die Beschaffungspreise des Öls seien nach wie vor hoch: «Die ausbleibenden Regenfälle und der dadurch stark sinkende Pegelstand auf dem Rhein verteuert die Transportkosten um ein Vielfaches.» Die Schiffe auf dem Rhein können derzeit nur noch rund ein Drittel gefüllt werden. Die Schiene kann dies nicht vollständig kompensieren, was die Preise in die Höhe treibt.

Denn tatsächlich: Der Benzinpreis an der Zapfsäule hängt nicht nur vom Rohölpreis ab. Die staatlichen Steuern machen etwa die Hälfte des Preises aus. Daneben fallen auch die Transportkosten an – unter anderem für die Rheinfracht.

Auch Coop Mineralöl beteuert, in den vergangenen Wochen mehrmals die Preise gesenkt zu haben. «Aktuell wird das Preisniveau von Benzin und Diesel durch die stark gestiegene Energienachfrage, Engpässe auf der Schiene und die enorme Trockenheit gesteuert», teilt eine Sprecherin mit.

«Die verdienen sich eine goldene Nase»

Ein kleiner Tankstellenbetreiter in Dagmersellen LU zeigt, dass es trotz Rheintrockenheit auch anders geht. Markus Gasser (53) verkauft sein Benzin stets ein Stück günstiger als die grossen Betreiber. Nun senkte er den Literpreis Diesel auf 2.25 Franken. «Die Tankstellen haben aktuell immer noch 25 Rappen Marge pro Liter. Damit lässt sich sehr viel Geld verdienen», sagt er gegenüber Blick. Er selbst rechne mit tieferer Marge und erwirtschafte immer noch mehr als genug. «Die grossen Ketten verdienen sich eine goldene Nase.»

Auch Voegtlin-Meyer gehört zu den kleineren Ketten in der Schweiz, betreibt 35 Tankstellen. Der Liter Sprit kostet dort in der Regel 2 bis 3 Rappen weniger als bei den grossen Ketten. Auch Voegtlin-Meyer führt für die aktuell noch hohen Preise die Rheinschifffahrt an. «Früher konnten wir mit einem Schiff gut 2000 Tonnen transportieren, jetzt sind es noch dreihundert bis vierhundert», sagt Sandro Graf (30), Mitglied der Geschäftsleitung. Die Marge hätte allerdings nicht zugenommen, betont Graf.

Grosse Unterschiede

Die Beispiele zeigen: Innerhalb weniger Kilometer können die Benzinpreise in der Schweiz massiv variieren. «In der Tankenstelle in Tafers FR war das Benzin 2.25 Franken pro Liter angeschrieben. Ich habe dann in Giffers FR eine Tankstelle gefunden, wo ich zu einem Preis von 1.92 pro Liter tanken konnte», meldet ein Blick-Leser und fragt sich, wo die grosse Preisdifferenz herrührt.

Mitte-Nationalrat Marco Romano (39) will das ändern. Er fordert einen nationalen Spritpreisrechner, analog zum Rechner in Österreich. Dieser soll stets die günstigsten Tankstellen anzeigen, was den Wettbewerb zwischen den Tankstellen antreibt. In Österreich purzelten die Preise um 20 Prozent nach der Einführung des Vergleichsrechners.

Günstiger im Ausland

Wer in den Sommerferien im nahen Ausland günstiger tankte und sich bei der Rückkehr über die Hochpreisinsel Schweiz ärgerte, sitzt allerdings einem Irrtum auf: Schuld an den aktuell hohen Preisen im internationalen Vergleich sind nicht primär die Margen der Tankstellenbetreiber, sondern der Fakt, dass die Schweiz im Vergleich zu den Nachbarländern nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs keinen Tankrabatt einführte. In Deutschland etwa werden der Liter Benzin oder Diesel dank staatlicher Unterstützung aktuell um 35 respektive 17 Cent günstiger. Auch in Frankreich gibt es einen Rabatt von 30 Cent.

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