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Neues Weltraumteleskop wird am Weihnachtstag ins All geschossen – Schweizer forschen mit
«Endziel ist das Besiedeln eines erdähnlichen Planeten»

Am ersten Weihnachtsfeiertag wird das «James Webb»-Weltraumteleskop ins All geschickt. Das soll nach Aliens und erdähnlichen Planeten suchen. Welche Rolle die Schweiz bei einer der wichtigsten Missionen der letzten Jahrzehnte spielt.
Publiziert: 23.12.2021 um 09:10 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2021 um 12:36 Uhr
Das neuste Weltraumteleskop: James Webb.
Foto: keystone-sda.ch
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Nicola Imfeld

Es könnte das bedeutendste Weihnachtsgeschenk in der Geschichte der Menschheit werden: das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST). Am 25. Dezember soll «James Webb» seine lange Reise antreten: 1,5 Millionen Kilometer ins All, zum Lagrange-Punkt L2-Orbit. Wenn alles klappt, könnten wir schon in den kommenden Jahren mehr über unsere Entstehung und das Universum erfahren.

Mittendrin in diesem Megaprojekt: die Schweiz. Da ist einerseits der Berner Thomas Zurbuchen (53), Wissenschaftsdirektor bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa und verantwortlich für James Webb. Da ist auch ETH-Forscher Adrian Glauser (47), der eine Verschlussklappe entwickelt hat, das eines der Infrarot-Instrumente am Teleskop vor Verschmutzungen schützen soll.

Und dann ist mit der Ruag Space auch noch eine Schweizer Technologiefirma am Start, die die Nutzlastenverkleidung in Emmen LU hergestellt hat. Diese wird an einer Ariane-5-Trägerrakete montiert und soll James Webb auf seiner Reise durch die Atmosphäre vor Wetter, Lärm, Staudruck und Hitze schützen.

Projekt kostet zehn statt einer Milliarde Franken

Seit Jahrzehnten fiebern Astronomen, Weltraumingenieure und Space-Fans auf diesen Tag hin. Knapp eine Milliarde Franken sollte das Gemeinschaftsprojekt der Weltraumagenturen der USA, Kanadas und Europas kosten. Zehn Milliarden Franken sind es letztlich geworden, wenn James Webb am Samstag vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abheben wird.

Diese Erkenntnisse soll das James-Webb-Teleskop liefern
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Erdähnliche Planeten gesucht:Diese Erkenntnisse soll das James-Webb-Teleskop liefern

James Webb soll im All das Hubble-Teleskop ablösen, das seit mehr als 30 Jahren im Einsatz ist. «Das neue Teleskop ermöglicht uns eine Reise in die Vergangenheit. Man wird Lichter sehen können, die circa 100 Millionen Jahre nach dem Big Bang ihre Reise gestartet haben. Es gibt viel zu lernen», sagt Weltraumexperte Lukas Viglietti (52), Präsident des Vereins Swiss Apollo, zu Blick.

Suche nach dem Schwesterplaneten der Erde

Das Herzstück des Weltraumteleskops ist ein 25 Quadratmeter grosser, ausfahrbarer Spiegel. Dieser wird hinter einem riesigen Sonnenschutzschild auf rund minus 240 Grad Celsius gekühlt. Das ist wichtig, denn das beste Auge des neuen Weltraumteleskops liegt im infraroten Bereich. Der Spiegel kann das Licht ferner Sterne, Galaxien und sogar Planetensysteme mit einer hundertfach höheren Empfindlichkeit aufspüren als jener von Vorgänger Hubble.

«Die Suche nach Exoplaneten, also Planeten fernab unseres Sonnensystems, wird dank der hochmodernen Instrumente des James-Webb-Teleskops deutlich einfacher als in der Vergangenheit», meint Lukas Viglietti. Er verspricht sich, wie viele andere Experten, sehr viel von der Mission. Seine Prognose: «Es ist wahrscheinlich, dass wir den Schwesterplaneten der Erde finden werden.»

James Webb sucht nach Aliens

Ein Planet mit Wasser und Sauerstoff? Die zweite Erde? Eine solche Entdeckung käme für viele Menschen einer Sensation gleich. In wissenschaftlichen Kreisen jedoch ist man längst davon überzeugt, dass ein Schwesterplanet der Erde irgendwo in den Weiten des Universums kreist. Die vorherrschende Meinung: Die zweite Erde müsse nur noch gefunden werden.

Genau darum geht es bei der Mission von James Webb. «Und es geht um die Suche nach potenziellem Leben ausserhalb der Erde», sagt Viglietti. «Das ist das Wichtigste bei allen Missionen von Nasa und Co.» Doch ist es realistisch, dass das Teleskop Aliens aufspüren kann? «Die Suche nach Leben ist fast schon eine Sucht», so Viglietti. «Wir forschen, forschen und forschen – bis wir irgendwann gefunden haben, wonach wir suchen.»

Riskante Mission – auch für einen Schweizer

Die Wissenschaft erhofft sich viel von der Mission. Auch weil beim Vorgängerteleskop nicht alles nach Plan lief. «Das Problem bei Hubble war mit 500 Kilometer Entfernung die Nähe zur Erde. Die Lichtverschmutzung und die Temperaturen haben die Präzision von Bildern von Hubble beeinträchtigt. Deswegen waren auch immer wieder Reparaturen notwendig», erklärt Viglietti.

Wenn jetzt etwas klemmt so weit im All, ist an eine Reparatur nicht mehr zu denken. Deshalb muss beim Start und in den kommenden Wochen alles einwandfrei funktionieren – ansonsten sind die zehn Milliarden Franken futsch! Das weiss auch Nasa-Wissenschaftsdirektor Zurbuchen. Der Schweizer ist vor dem Start angespannt, sagt: «Zehntausende von Menschen auf verschiedenen Kontinenten haben daran mitgearbeitet.» Zurbuchen weiss: Geht etwas schief, muss er sich wohl einen neuen Job suchen.

«Erfolgschance mindestens 90 Prozent»

Auch bei der Ruag Space wartet man ungeduldig auf den grossen Tag. «Bei einer so prestigeträchtigen Mission lässt sich eine gewisse Anspannung nicht vermeiden», sagt Holger Wentscher (57), Leiter des Launcher-Geschäfts. «Wir sagen oft, dass es im Weltraum keinen Helpdesk gibt. Deshalb müssen alle Produkte von Anfang an einwandfrei funktionieren.» Doch Wentscher ist zuversichtlich: «Unsere Nutzlastverkleidungen sind gut erprobt, und wir können bisher eine 100-prozentige Erfolgsrate unserer Produkte vorweisen.»

Nach dem Start dauert es etwa 30 Tage, bis James Webb seine Position 1,5 Millionen Kilometer entfernt von der Erde erreicht hat. Und dann nochmals mehrere Monate, bis das Teleskop betriebsbereit ist. «Die Erfolgschance dürfte bei mindestens 90 Prozent liegen, ansonsten würden die Nasa und Esa keinen Start wagen», meint Viglietti. «Es ist zu viel Geld im Spiel.»

«Endziel ist das Besiedeln eines erdähnlichen Planeten»

Doch warum diese ganze Mühe? Wegen der Neugierde, sagt Viglietti. Es gehe bei dieser Mission letztlich auch um die existenzielle Frage, auf die bis heute niemand eine Antwort hat: «Warum sind wir hier? ... Gut möglich, dass wir in einigen Jahren mehr wissen werden.»

Und der Weltraumexperte blickt gleich noch ferner in die Zukunft: «Das ultimative Endziel ist das Besiedeln eines erdähnlichen Planeten. Mit der heutigen Technik ist das nicht möglich. Vielleicht sieht das aber in 100 Jahren anders aus.»

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