«Körner hat eine Herkules-Aufgabe vor sich»
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Kommentar zum CS-Boss-Wechsel:«Körner hat eine Herkules-Aufgabe vor sich»

Neuer Chef, neue Strategie
Die Credit Suisse bleibt eine ewige Baustelle

Die CS stellt die Weichen neu – schon wieder. CEO Thomas Gottstein geht, für ihn übernimmt Ulrich Körner. Ob das der Bank endlich die erhoffte Kehrtwende bringt, ist allerdings fraglich. Sie hat schon diverse Personalwechsel und mehrere Strategieanpassungen hinter sich.
Publiziert: 28.07.2022 um 00:28 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2022 um 08:23 Uhr
Sarah Frattaroli, Aline Leutwiler und Levin Stamm

Die Halbwertszeit an der Credit-Suisse-Spitze ist miserabel. Thomas Gottstein (58) hielt es gerade einmal zweieinhalb Jahre aus, bevor er seinen CEO-Posten am Mittwoch los war. Immerhin wird Gottstein der zweifelhafte Ruhm zuteil, länger als sein Ex-Chef durchgehalten zu haben: António Horta-Osório (58), ehemaliger CS-Präsident, war weniger als neun Monate auf seinem Posten, bevor ihn der Skandal um seinen Quarantäne-Bruch zum Rücktritt zwang.

13 Leute sitzen in der CS-Geschäftsleitung – acht sind innerhalb der letzten Monate ausgetauscht worden. Nun also erwischt es auch Gottstein, bereits am 1. August übergibt er an seinen Nachfolger Ulrich Körner (59). Überraschend kommt der Abgang Gottsteins nicht: Der CEO war seit längerem angezählt. Die erneut tiefroten Zahlen im zweiten Quartal haben das Fass nun zum Überlaufen gebracht. 1,6 Milliarden Franken betrug der Verlust. Es ist das dritte Minus in Folge. Auch das Gesamtjahr könnte rot ausfallen – das Marktumfeld mit Ukraine-Krieg, horrenden Energiepreisen, galoppierender Inflation und steigenden Zinsen stimmt nicht gerade hoffnungsvoll.

Sparprogramm veranlasst

«Enttäuschend» nennt CS-Präsident Axel Lehmann (63) den Zustand der Bank. Das milliardenschwere Minus alleine im zweiten Quartal wird zwar teils mit Rückstellungen für Gerichtsfälle begründet. «Doch selbst wenn man die Spezialausgaben herausrechnet, bleibt das operative Geschäft negativ», sagt Andreas Venditti (49), Analyst bei der Bank Vontobel, gegenüber Blick.

CS-Chef Thomas Gottstein (58) musste am Mittwoch zurücktreten.
Foto: EPA
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Die CS stellt sich deshalb neu auf. Nicht erst mit der Stabsübergabe von Gottstein zu Körner, sondern seit sie sich letztes Jahr eine neue Strategie verpasst hat. Weg vom risikoreichen Investment Banking. Hin zur ertragreichen Vermögensverwaltung. Milliarden werden umgeschichtet.

Als «kleine UBS» wurde die CS nach Ankündigung dieses Strategiewechsels im letzten Jahr verspottet, die grosse Konkurrentin hat die Neustrukturierung nach der Finanzkrise und Beinahe-Pleite 2008 vollzogen. Die CS hingegen kam damals besser über die Runden – und schob den nötigen Umbau vor sich her.

Sinkende Erträge

Nun nimmt sie einen erneuten Anlauf, kündigt zum zweiten Mal innert eines Jahres eine «umfassende Strategieüberprüfung» an. Präsident Lehmann will «Nägel mit Köpfen» machen. Dazu gehört auch ein happiges Sparprogramm. 1 bis 1,5 Milliarden Franken sollen eingespart werden. Ohne Stellenabbau dürfte das kaum zu schaffen sein. Die Sparübung bringe die CS aber nicht automatisch zurück in die schwarzen Zahlen, warnt Bank-Analyst Venditti: «Solange die Erträge weiter sinken, bleibt das Problem.»

Lehmann sprach am Mittwoch davon, das Vertrauen wieder aufbauen zu wollen – von Anlegern, Kunden und Mitarbeitern. Doch das dauert Jahre, warnt Reputationsexperte und Bankenkenner Bernhard Bauhofer (60): «Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Bank muss nun transparent auftreten und zeigen, dass sie einen tatsächlichen Kulturwandel herbeiführen kann, ohne Exzesse und hohe Boni.»

Abgangsentschädigung für Gottstein?

Ob Gottstein eine Abgangsentschädigung erhält, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Letztes Jahr strich er als CS-CEO einen Lohn von 3,9 Millionen Franken ein. Gottsteins Vorgänger Tidjane Thiam (59) soll bei seinem Abgang dem Vernehmen nach einen goldenen Fallschirm von über 30 Millionen Franken erhalten haben. Allerdings: Das Bankgeschäft lief damals rosig, ist heute tiefrot.

Zur Ausnahme nicht rot erschien am Mittwoch allerdings die CS-Aktie: Sie legte im Tagesverlauf ein Prozent zu. Eine Trendwende ist das aber längst nicht, hat der CS-Titel seit Anfang Jahr doch fast die Hälfte seines Werts eingebüsst. «In den letzten Jahren machte jede Ankündigung einer Strategieanpassung Hoffnung auf Besserung, und der Aktienkurs erholte sich etwas», sagt dazu Analyst Venditti. Kurz darauf folgte jedes Mal die Enttäuschung.

CS gibts zum Schnäppchenpreis

Dass die CS-Aktie gerade noch einen Fünfliber wert ist, befeuert erneut Gerüchte, dass sie womöglich aufgekauft werden könnte. «Die CS ist meines Erachtens durchaus ein Übernahmekandidat», sagt Yvan Lengwiler (58), Wirtschaftsprofessor an der Universität Basel. «Allerdings weiss niemand, wie viele grössere und kleinere Probleme, die bislang unentdeckt geblieben sind, noch bei der CS liegen. Das dürfte den möglichen Übernahmepreis deutlich reduzieren.»

Kaufinteressenten könnten die CS zwar zum Schnäppchenpreis erstehen – müssten aber in der Lage sein, das Risiko weiterer Leichen im Keller zu tragen. «Ich wäre sehr überrascht, wenn eine inländische Bank die CS übernehmen würde», so der Professor. Infrage kämen allenfalls internationale Konkurrenten.

Der neue CEO Ueli Körner wird jetzt alles daran setzen, das Schweizer Traditionsunternehmen in ruhigere Fahrwasser zu steuern – wie es schon sein Vorgänger Gottstein glücklos probierte. Körner wird im Herbst 60 Jahre alt. Turbulenzen hin oder her: Auch seine Halbwertszeit an der Bankspitze dürfte daher nicht allzu lange sein. Es sei denn, Körner verzichtet zugunsten der CS auf seine Pensionierung.

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