Marian Goodell, CEO des Kult-Festivals Burning Man, über die Vereinsamung im Internet
«Wir sind das Gegengift»

Die Chefin des Mega-Events in Nevada (USA) spricht heute am World Web Forum in Zürich. Sie verrät BLICK, was ein Wüsten-Festival mit Digitalisierung zu tun hat.
Publiziert: 24.01.2017 um 07:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:34 Uhr
Konrad Staehelin

Als bekannt wurde, dass Marian Goodell (54) heute in Zürich-Oerlikon am World Web Forum auftritt, trafen bei Organisator Fabian Hediger (45) wütende Klagen ein: Die Chefin einer Party mit 75’000 Teilnehmern, denen es vor allem um Drogen und Sex ginge, habe an einer seriösen Business-Konferenz zur Digitalisierung nichts zu suchen.

Trotzdem ist die Amerikanerin heute eine der Hauptrednerinnen. So wirtschaftsfern ist Goodells Mega-Event nämlich gar nicht. Zwei schwergewichtige Argumente sprechen dafür: Eric Schmidt (61), Herrscher über Google, kam auch wegen seiner Burning-Man-Erfahrung zu seinem Posten. Und Tesla-Boss Elon Musk (45), seit 15 Jahren Stammgast am Festival in der Wüste des US-Bundesstaats Nevada, sagte einst: «Burning Man ist Silicon Valley.»

Goodell selber erklärt: «Wer am Festival war, sieht seine Stellung in der Welt anders. Das ist auch für Wirtschaftsbosse wichtig.» Als CEO hat sie 70 Mitarbeiter unter sich. Budget: Knapp 40 Millionen Dollar pro Jahr.

Marian Goodell (54) war 1995 das erste Mal am Burning Man. Heute ist sie CEO des Events.
Foto: Andy Mettler
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Alles selbst mitnehmen

BLICK interviewt sie auf der Rückbank eines SUV auf der Fahrt von Zürich nach Laax GR. Am Steuer: Forum-Gründer Fabian Hediger. Kurz bevor die Businesskonferenz losgeht, hat er für die Stargäste ein Skiweekend organisiert.

«Das Internet ist erwachsen geworden. Die Leute an den Schalthebeln fragen sich, welche Folgen ihre Produkte für den Einzelnen haben», sagt Goodell. «Heute treiben einige Plattformen die Menschen auseinander, statt sie zusammenzubringen.»

Burning Man, vor gut 30 Jahren das erste Mal durchgeführt, sei «das Gegengift». Acht Tage müssen die «Burner» fernab der Zivilisation überleben, sie wohnen in Zelten und Wohnmobilen. Der Veranstalter verkauft nur Kaffee und Eiswürfel, alles andere müssen die Teilnehmer selbst mitnehmen. Organisierte Konzerte, wie man sie von anderen Festivals kennt? Fehlanzeige!

«Wir sind keine Hippies»

Stattdessen bauen sie Kunstwerke und verbrennen diese anschliessend, sie staunen und feiern. Weil das bei Sandstürmen und Temperaturen von bis zu 40 Grad kein Schleck ist, ist Zusammenarbeiten und Improvisieren Pflicht. Handyempfang gibt es keinen. Goodell: «So kann sich keiner dem Kontakt mit anderen Menschen entziehen, indem er aufs Smartphone glotzt.»

Und was ist mit Sex und Drogen? «Öffentlicher Sex ist verboten – es sind auch Kinder am Festival.» Dass Drogen konsumiert werden, kann sie nicht ausschliessen. «Aber die Kunst ist so ausdrucksstark, da braucht man gar nichts einzuschmeissen. Wir sind kein zweites Woodstock, keine Hippies!»

Ihre Familie sei das beste Beispiel dafür: Obwohl konservativ-katholisch, sei sogar ihr Vater an den Wüsten-Event gefahren und habe ihn sehr genossen. «Lebte er noch, er hätte wohl Trump gewählt!»

Laut Goodell gibt es sogar einen fundamentalistischen Priester, der sich am Festival wohlfühlt. «Er hat mir gesagt, dass am Burning Man die Menschen so leben, wie Jesus es gewollt hätte.»

Heute findet das Worldwebforum in Zürich statt. BLICK streamt den Anlass live.

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