Manager-Abgänge bei Dottikon ES
Angestellte klagen über Markus Blocher

Die Mitarbeiter von Dottikon ES lobten Christoph Blocher als Patron. Sohn Markus Blocher sorgt bei den Mitarbeitenden dagegen für ein Klagelied. Auf Angestellte ist das Unternehmen aber dringend angewiesen.
Publiziert: 19.09.2018 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2018 um 12:21 Uhr
Marc Iseli (Handelszeitung)

Es geschah im Speisesaal des Restaurants Zum Güggel. Ein Angestellter der heutigen Chemiefirma Dottikon sprach in den höchsten Tönen von Christoph Blocher. Er lobte den SVP-Übervater für seine unternehmerischen Verdienste im Aargau. Zufällig anwesend war Magdalena Martullo-Blocher. Sie bezahlte die Getränkerechnung des Herrn, der so positiv über ihren Vater ­gesprochen hatte.

Das ist knapp zwanzig Jahre her. Christoph Blocher hat mittlerweile die Kontrolle abgegeben. Martullo-Blocher hat Dot­tikon von der Ems-Gruppe abgespalten. Markus Blocher übernahm die Leitung. Seither wurde das Loblied auf die Familie leiser, Unterstützung wie damals am Stammtisch ist selten geworden.

Anschuldigungen von Mitarbeitern

Vielmehr häuft sich nun Kritik, sowohl in den Medien als auch auf Bewertungsplattformen wie Kununu. Im Management kam es in den vergangenen Monaten zu diversen Abgängen. Dottikon präsentiert zwar ansehnliche Gewinne und investiert in den Ausbau der Produktionskapazi­täten. Doch die Kritiker verstummen nicht. Auf Kununu stellen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Unternehmen ein schlechtes Zeugnis aus. Sie berichten von tiefen Löhnen, fehlendem Umweltbewusstsein und unbezahlter Überzeit.

Die Dottikon ES von Chef Markus Blocher ist auf Expansionskurs. Neue Mitarbeiter sind gesucht. Doch der Ruf des Unternehmens bei der Belegschaft ist angekratzt, das zeigen Bewertungen auf dem Portal Kununu. (Archiv)
Foto: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI
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Die Arbeitsbedingungen seien zuweilen gefährlich, heisst es sogar. Es werde mit Maschinen produziert, die fast ein halbes Jahrhundert alt seien. Dottikon sei der «mit Abstand schlechteste Arbeitgeber der Karriere», behauptet einer. Im ­Bereich Finanzen, Einkauf und Produk­tion sei die Fluktuationsrate hoch, so ein anderer. Überprüfbar sind viele solcher Anschuldigungen nicht. Dottikon will sich gegenüber der «Handelszeitung» zu diesen Vorwürfen nicht äussern.

Abgänge von leitenden Mitarbeitern häufen sich

Doch in den vergangenen Monaten häuften sich die Abgänge von leitenden Mitarbeitern. Alexander Dimai, ein langjähriger Weggefährte von Markus Blocher, zeichnet nicht mehr für die Firma. Der Chef der Rechtsabteilung hat das Unternehmen verlassen. So auch der Leiter der Recycling-Abteilung und der Leiter der Abteilung für Performance Chemicals. Die Abgänge sind vermeldet im Handelsregister des Kantons. Die Dokumente tragen die Unterschrift des gesamten Dottikon-Verwaltungsrats. Offiziell kommuniziert hat das Unternehmen die Abgänge nie.

Die Abgänge im Management und die anonymen Aussagen der Mitarbeiter im Internet zeichnen ein kritisches Bild von Markus Blocher, der unlängst vom einstigen Lonza-Chef Stefan Borgas als «einer der talentiertesten Unternehmer der Schweiz» bezeichnet wurde. Es erinnert an die ersten Jahre nach der Abspaltung von der Ems-Gruppe, als die Führungsriege Stück um Stück ausgetauscht wurde.

Auf Expansionskurs

Mitarbeitende berichten von einem «ausgeprägten Kontrollverhalten». Nur die wenigsten empfehlen das Unternehmen weiter. Konkurrenten wie Lonza oder Siegfried schlagen sich besser in der Gunst der Angestellten. Auch das Unternehmen von Schwester Magdalena Martullo-Blocher kommt besser weg. Die Ems-Chefin muss sich zwar ähnliche ­Vorwürfe anhören. Aber die Zahl der Klagenden ist deutlich kleiner.

Das Problem ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Dottikon hat eine hohe Visibilität im Netz. Nur das Profil von Lonza wird auf Kununu öfter aufgerufen. Zehntausende haben bereits die unrühm­lichen Kommentare gelesen, was die Reputation des Unternehmens belasten dürfte. Das gilt umso mehr, als Dottikon auf ­Expansionskurs ist. Das Unternehmen hat innert drei Jahren über hundert Jobs geschaffen. 2015 belief sich die Zahl der Vollzeitstellen auf 458. Im jüngsten Geschäftsbericht ist die Rede von 573 Vollzeitstellen. Mitarbeiter wurden in den letzten Jahren händeringend gesucht. Dottikon warb auch schon auf Bussen und im Kino.

Bei Inspektionen der US-Aufsicht FDA angeblich getrickst

Das Unternehmen lässt die Anschuldigungen im Internet trotzdem unkommentiert. Obschon gewisse Vorwürfe gravierend sind. So soll das Unternehmen bei Inspektionen tricksen, wird behauptet. Bei Stippvisiten von Kunden oder der amerikanischen Behörde Food and Drug Administration (FDA) würden nur die vorführbaren Bereiche gezeigt, schreibt eine angebliche Führungskraft. Alle anderen Bereiche seien an diesen ­Tagen «nicht begehbar».

Der Vorwurf wiegt schwer, weil in den USA nur verkauft werden darf, was von der FDA abgesegnet ist. Alle sind darauf bedacht, die US-Wachhunde zufriedenzustellen, schliesslich will niemand das Tor zum lukrativen US-Markt schliessen. Das gilt auch für Dottikon. In den USA unterhält Dottikon eine Niederlassung in Chicago. Fast 25 Millionen Franken setzte das Unternehmen im letzten Jahr in der Region um – bei einem Gesamtumsatz von rund 158 Mil­lionen Franken.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.

Die letzte Inspektion der FDA fand im Oktober 2017 statt. Sie dauerte eine ganze Arbeitswoche. Der Bericht liegt der «Handelszeitung» vor. Darin findet sich kein Hinweis, der den Vorwurf des Mitarbeiters stützt. Nirgends ist die Rede von Räumen, die nicht zugänglich gewesen wären. Es gibt auch keinen Hinweis auf unsichere Produktionsbedingungen. Der Bericht hebt lediglich zwei Punkte hervor: Die Dokumentation der Produktionsprozesse sei «nicht immer komplett» – und beim Wassermanagement, insbesondere bei der Filtrierung, gebe es Unstimmigkeiten.

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