Lutschtabletten gegen Corona
Wundermittel-Verkäufer narren die Behörden

Mehrere Shops verkaufen Lutschtabletten als Mittel gegen Corona. Nachdem die Behörden interveniert haben, geht das Katz- und Maus-Spiel in die nächste Runde.
Publiziert: 21.02.2022 um 09:42 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2022 um 16:59 Uhr
Chantal Hebeisen und Otto Hostettler («Beobachter»)

Es ist wie Katz und Maus. Nachdem der «Beobachter» über das Geschäft mit Chlordioxid-Pastillen berichtet hatte, wurden die Behörden in Zug und Zürich aktiv. Sie nahmen mehrere Anbieter unter die Lupe. Die Verkäufer priesen ihre Pastillen mit Versprechen wie «beste keim- und entzündungshemmende» oder «antivirale Wirkung» an. Doch genau das ist für diese Produkte nicht erlaubt.

Die Lutschtablette enthält Natriumchlorit und Zitronensäure. Wenn beide Stoffe im Mund zusammenkommen, entsteht Chlordioxid. Eine ätzende Chemikalie, vor deren Einnahme Gesundheitsbehörden weltweit warnen. Die Pastillen wurden als «Mundhygiene-Produkt» beworben und gehören damit rechtlich in die Kategorie Kosmetika. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sagt aber klar: «Bei Kosmetika sind Hinweise irgendwelcher Art auf eine krankheitsheilende, -lindernde oder -verhütende Wirkung verboten.»

Falsche Versprechen

Ein anderer Shop bezeichnet die Pastillen als Nahrungsergänzungsmittel. Damit würde es sich juristisch gesehen um Lebensmittel handeln – und für sie darf man von Gesetzes wegen ebenfalls keine Heilsversprechungen machen. Diese sind nur erlaubt für zugelassene Arzneimittel – was die Pastillen aber nicht sind.

Shops verkaufen Lutschtabletten mit falschen Heilsversprechen als Corona-Medikamente.
Foto: imago images/Shotshop
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Den behördlichen Interventionen zum Trotz: Die Tabletten werden munter weiter verkauft. Bei einigen Shops waren sie in den letzten Wochen weiterhin erhältlich. Einer der Anbieter nahm den Shop zwar vom Netz, lieferte die Pastillen nach einer E-Mail-Bestellung aber aus.

Umtriebiger Erfinder. Treibende Figur hinter den Pastillenanbietern ist Erfinder Walter Schaub mit seiner Firma Naturasana aus Herisau AR. Mal heissen die Pastillen David19, Vibasin oder Arcudine19, dann wieder QMix19 oder Ovirex. Schaub sagt auf Anfrage: «Die Heilsversprechen unserer Vertriebspartner waren wohl etwas übertrieben.» Ein eigentliches Verkaufsverbot habe man aber nicht erhalten. «Als Mundhygiene sehe ich kein Problem.»

Ein Katz- und Maus-Spiel

Bis vor wenigen Tagen warb auch die Firma SonoreSwiss Biopharma GmbH für die Chlordioxid-Pastillen von Naturasana – unter dem Namen Ovirex. Auf der Website war die Rede von Studien zur Wirksamkeit. In der Packungsbeilage sind Indikationen zu Denguefieber, Zikavirus, Malaria und Covid-19 aufgeführt. Auf eine Anfrage erklärte Firmeninhaberin Olena Reutter, die Pastillen seien für den osteuropäischen Markt bestimmt, in der Schweiz sei Ovirex nicht erhältlich. Die Packungsbeilage war trotzdem auf Deutsch verfügbar.

Kein Gesuch bei Swissmedic. Von einem Zürcher Webshop, der noch Anfang Februar die identischen Pastillen unter den Namen Vibasin und Arcudine anbot, distanziert sich Olena Reutter. Allerdings lautete die Internetadresse im offiziellen Schweizer Domainregister (Switch) auf ihren Namen. Kurz nachdem der Beobachter sie kontaktiert hatte, überschrieb sie den Onlineshop auf einen neuen Besitzer.

Mit ihren Pastillen namens Ovirex agiert Reutter im Graubereich. «Ovirex ist kein Heilmittel», sagt sie, auch wenn die Packungsbeilage genau das suggeriert.

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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Unzulässige Packungsbeilagen

Die Heilmittelbehörde sagt dazu: Eine solche Auslobung ist nicht zulässig, da nur bei Heilmitteln konkrete Krankheiten genannt werden dürfen. Man evaluiere derzeit mit den kantonalen Behörden allfällige Massnahmen gegen die Firma.

Auch beim ähnlichen Produkt Novirex der Zuger Novelpharm AG prüft die Behörde, ob die Beschreibung zulässig ist. Der Onlineshop ist offline. Laut Firmeninhaber Hans E. Holzgang überarbeite man derzeit die Website, weil die Produktbeschriebe regelmässig auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben geprüft und entsprechend angepasst würden. Im Webshop einer Firma der gleichen Firmengruppe ist Novirex weiter aufgelistet – allerdings ohne Heilsversprechen.

Walter Schaub behauptet weiterhin, dass sein Produkt heilsam sei. Er strebe mit Vibasin eine Zulassung zur Behandlung von Covid-19 an. Schon vor Monaten sei er bei Swissmedic vorstellig geworden. Bei Swissmedic klingt das etwas anders. Schaub habe letzten Herbst eine einfache Anfrage gemacht. «Es liegt aber kein Zulassungsgesuch vor», stellt ein Sprecher klar.

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Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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