Lohnt sich das Abwerben?
Alle jagen die Kundenberater der neuen UBS

Seit Monaten machen prominente Abgänge bei UBS und CS Schlagzeilen. Doch rechnet sich das teure Abwerben? Die skeptischen Stimmen mehren sich.
Publiziert: 15.11.2023 um 11:11 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 07:56 Uhr
Holger Alich
Handelszeitung

Der Posten eines Regionalleiters einer Bank interessiert für gewöhnlich niemanden. Aber dies sind keine gewöhnlichen Zeiten: Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS wirbelt nicht nur den Bankenmarkt, sondern auch den Markt für Topbankerinnen und Topbanker durcheinander.

Und so sorgte der Wechsel von Sabine Heller schweizweit für Schlagzeilen: Die langjährige CS-Topfrau sollte bei der neuen UBS die Leitung der Region Zürich übernehmen. Doch statt den Job anzutreten, heuerte sie bei Lombard Odier an – und düpierte so Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse und Wealth-Management-Chef Iqbal Khan; sie verantworten das Vermögensverwaltungsgeschäft der UBS in der Schweiz gemeinsam.

Lombard Odier expandiert in die Zentralschweiz

Heller folgt einem bekannten CS-Topkader zu Lombard: Serge Fehr. Er leitete zuvor bei der Credit Suisse das Schweizer Private Banking und war Mitglied der Geschäftsleitung der CS Schweiz. Sein neuer Auftrag: Die Genfer Privatbank Lombard Odier zu einer Grösse in der Deutschschweiz zu machen. Im Juli heuerte Lombard dafür gleich ein ganzes Team von der CS in Zug an, das sich um «Entrepreneurs & Executives» kümmert. Dem neuen Team von Marco Arnold spendierte Lombard als Begrüssung einen neuen Standort in Zug.

Schon länger verlassen Kundenberater die neue UBS.
Foto: AFP
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Es sind Jagdzeiten im Swiss Banking: EFG schnappte sich gleich zwei Teams von der CS, eins in Gstaad, ein zweites im Nobelort St. Moritz. «EFG und Lombard sind in der Schweiz am aktivsten, Leute von uns abzuwerben», sagt ein hochrangiger UBS-Banker. EFG-Chef Giorgio Pradelli erklärte gegenüber «Finews» unverblümt, dass die CS-Übernahme für ihn «wie ein Startschuss am Markt für Talente» gewesen sei.

Doch die Frage ist: Rechnet sich das Einstellen mit dem Scheckbuch? Kampf um die besten Beraterinnen und Berater gab es unter den Schweizer Privatbanken schon immer, aber derzeit geht es besonders wild zu und her. Daher mehren sich am Finanzplatz die warnenden Stimmen. «Lombard fängt in Zug mit null Assets an», meint der Private-Banking-Chef eines namhaften Bankenplayers, der die Abwerbe-Bonanza von der Seitenlinie aus beobachtet, «bis die ihre Investitionen wieder drin haben, dauert es mindestens fünf Jahre. Und das ist noch optimistisch gerechnet.» Die Aggressivität, mit der einige Player am Markt derzeit unterwegs seien, verwundere ihn sehr.

Zielmarke bei Neuanstellungen übertroffen

EFG und Lombard Odier winken ab: «Die Rekrutierung neuer Kundenberaterinnen oder Kundenberater ist eine strategische Priorität für EFG in Bezug auf das organische Wachstum der Bank», heisst es bei EFG. Ähnlich tönt es von Lombard Odier, man verstehe die Aufregung nicht, denn um zu wachsen, stelle die Bank «jedes Jahr Banker mit einem starken Leistungsausweis ein».

Die nackten Zahlen belegen jedoch eine erhöhte Aktivität. So will die EFG pro Jahr zwischen 50 und 70 neue Beraterinnen und Berater einstellen. Aber schon im ersten Halbjahr heuerte die Bank 75 davon an, ein Drittel kam von der CS.

Headhunter erklären, dass sich das Abwerben mit dem Scheckbuch kurzfristig oder auch mittelfristig nicht rechne. «Ich zahle höhere Gehälter und die Berater haben zu Beginn weniger Assets als bei ihrer alten Bank», so der Experte. Allein mit dem Abwerben früherer Kunden würde sich das Einstellen von Ex-CS und Ex-UBS-Leuten niemals lohnen. «Zudem sind die Grossbanken sehr professionell darin, Abgänge von Kundenberatern zu managen», so der Headhunter.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Laut UBS-Chef Sergio Ermotti hat die CS seit Oktober 2022 rund 500 Kundenberaterinnen und -Berater verloren. Diese hätten bisher rund 20 Milliarden Dollar an Kundengeldern zu ihren neuen Arbeitgebern mitnehmen können. Viel mehr soll es nicht werden; Ermotti ist «total überzeugt», dass die finale Zahl der Abflüsse kein Mehrfaches der 20 Milliarden sein werde. Denn im Schnitt würde eine Beraterin, die geht, maximal 20 Prozent ihrer Kundengelder mitnehmen.

Wie viele Gelder können die Banker und Bankerinnen abziehen?

Laut Quellen geht eine interne Risikoanalyse der UBS davon aus, dass die Beraterinnen und Berater maximal 10 bis 20 Milliarden weitere Gelder werden abziehen können. In keinem Fall aber würden die Abgänge den Case der Übernahme der CS infrage stellen.

Die CS hat derzeit noch rund 600 Milliarden Assets auf ihrer Plattform. Rund 150 Milliarden sind zuvor durch die Krise abgeflossen, vor allem im Oktober 2022, als ein Tweet über den drohenden Zusammenbruch einer globalen Bank die Kundschaft in Aufruhr versetzte. «Es sollte sicher möglich sein, dass wir von diesen Geldern mehr zurückholen, als wir durch Abgänge von Beraterinnen und Beratern verlieren», so ein hochrangiger UBS-Manager. Unter dem Strich sei der Saldo dann positiv. Schon im dritten Quartal flossen der CS netto 3 Milliarden Dollar zu – der erste Zuwachs seit dem 1. Quartal 2022.

Als Fernziel hat Ermotti ausgegeben, nach gelungener Integration pro Jahr 150 Milliarden Dollar Neugeld einzusammeln – damit würde die UBS alle drei Jahre so viel Kundengeld anziehen, wie eine Julius Bär derzeit verwaltet.

Doch die anstehende Integration sorgt nach wie vor für Unruhe in der Bank. Und die will die Konkurrenz sich zunutze machen. Ein Topbanker von Lombard Odier rechnet vor: In normalen Zeiten würde eine Beraterin oder ein Berater zwischen 20 und 30 Prozent der Kundengelder vom alten Arbeitgeber zur neuen Bank rüberholen können. «Im Zuge der Integration wird dieser Wert viel höher sein», so der Lombard-Manager, «ich halte Werte von bis zu 50 Prozent für möglich.»

Gerade die Superreichen haben bekanntlich mehrere Banken, die ihr Vermögen verwalten. Daher dürften CS und UBS jede Menge Überschneidungen bei den Kundinnen und Kunden haben. Und die dürften sich nun neu sortieren und Gelder abziehen, damit sie nicht einen zu hohen Anteil ihres Vermögens bei der neuen UBS liegen haben.

Khans Leute: «Wir sind sehr aktiv»

Vordergründig spielen die UBS-Granden das Problem herunter. Und mokieren sich über die Genfer Lombard und ihren neuen Standort Zug, an dem reiche Unternehmerinnen und Manager betreut werden. «Was will Lombard dieser Kundengruppe bieten, wenn sie nicht einmal Hypotheken im Angebot haben?», höhnt ein UBSler.

Die Lombard-Leute schiessen zurück: Brauchen wir nicht, denn in Zug läuft das Geschäft mit den reichen Tradern von Glencore und Co. Und die wollen vor allem eine professionelle Vermögensverwaltung.

Lombards neuer Schweiz-Chef Serge Fehr geniesst auf jeden Fall bei der UBS grosse Hochachtung: Den hätte man gern behalten, heisst es. Sein Gegenspieler bei der UBS heisst August Hatecke, er leitet das Wealth-Management in der Schweiz und das globale Geschäft mit Finanzintermediären. Trotz seiner 58 Jahre beschreiben ihn Mitarbeitende als «hyperaktiv». Und er halte einen «direkten Draht zu den Kundenberatern und -beraterinnen».

Auch aus Khans Umfeld heisst es: «Wir sind alle sehr aktiv.» Der Kampf um die Kundengelder geht in die nächste Runde.

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