«Fast jeder, den ich kenne, hat sich dort angesteckt»
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Balkan-Rückkehrer am Flughafen:«Fast jeder, den ich kenne, hat sich dort angesteckt»

Kosovo-Rückkehrer über lasche Kontrollen an Flughäfen
«Niemand wollte unser Covid-Zertifikat sehen»

Immer mehr Ferienrückkehrer haben das Virus im Gepäck. Gerade Schweizer Doppelbürger, die im Kosovo den Sommer verbracht haben, berichten von laschen Kontrollen an den Flughäfen. In der Airline-Branche ist dies bekannt. Jetzt soll ein strengeres Einreiseregime her.
Publiziert: 01.09.2021 um 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2021 um 14:25 Uhr
Nicola Imfeld

Schweizer Spitäler klagen. Die Corona-Hospitalisierungen machen Sorgen. Die Intensivstationen kommen an den Anschlag. Das Personal ebenso. Ein grosser Teil der Patienten sind schwer erkrankte Doppelbürger, die sich das Virus im Ausland geholt haben – insbesondere im Kosovo.

Wie das? Es wird einfach zu lasch kontrolliert! «Weder auf dem Hinflug von Basel nach Pristina mit Easyjet noch auf dem Rückflug mit derselben Airline in die Schweiz musste ich mein Covid-Zertifikat zeigen», berichtet Bekim Gashi (46) stellvertretend für viele andere Rückkehrer.

Er verbrachte mit seiner Tochter und seiner Mutter zwei Wochen im Kosovo. Vor seiner Rückkehr wollte er einen Covid-Test machen, obwohl er bereits doppelt geimpft ist. «Um auf Nummer sicherzugehen», so Gashi. «Der Test ist im Kosovo aber ein Witz. Es wurde mir ein Abstrich genommen und unmittelbar danach das negative Testresultat ausgehändigt. Das wurde weder korrekt ausgeführt noch korrekt ausgewertet», erzählt er.

An den Flughäfen werden die Covid-Zertifikate nicht genügend streng kontrolliert, prangern Ferienrückkehrer an.
Foto: Keystone
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Easyjet geht Fall nach

Gashi ist deshalb auch nicht erstaunt, dass viele seiner Landsleute nun in der Schweiz im Spital liegen. «Wenn man in diesem Sommer im Kosovo war, war dies absehbar», sagt er. Eine Verantwortung sieht er aber auch bei den Airlines. «Warum sie die Covid-Zertifikate nicht ausnahmslos kontrollieren, verstehe ich einfach nicht.»

Fakt ist: Die Fluggesellschaften sind für die Kontrolle verantwortlich. Und zwar bevor die Passagiere ins Flugzeug steigen. Entweder am Check-in-Schalter oder spätestens beim Gate. Die Überprüfung, ob ein Passagier im Besitz eines gültigen Covid-Zertifikats ist, wird jeweils durch lokale Abfertigungsfirmen wie Swissport umgesetzt.

Konfrontiert mit dem Vorwurf von Bekim Gashi, lässt Easyjet ausrichten: «Wir überprüfen vor dem Abflug alle Dokumente, die für die Einreise in das Zielland erforderlich sind, zusätzlich zum Flugticket und den Visabestimmungen.» Wenn Passagiere nicht in der Lage seien, die vorgeschriebenen Dokumente vorzulegen, werde ihnen das Boarding verweigert. Der Angelegenheit von Gashi will man nachgehen. «In diesem speziellen Fall kontaktiert Easyjet seinen Bodenabfertiger, um herauszufinden, was passiert ist.»

So erklären sich Schweizer Airlines

Bekim Gashi ist kein Einzelfall. Weitere Kosovo-Rückkehrer berichten Blick dasselbe. «Am Flughafen in Pristina war viel los. Der negative Schnelltest, den wir machen mussten, wurde nicht kontrolliert», sagt zum Beispiel der Schweizer Marius L.* «Als ich das Covid-Zertifikat vor meinem Rückflug in die Schweiz zeigen wollte, hat man mich nur durchgewunken», berichtet Bekime G.*

Neben Easyjet fliegen auch die Schweizer Fluggesellschaften Helvetic, Edelweiss und Chair ab Zürich die kosovarische Hauptstadt an. Bei Helvetic heisst es auf Anfrage, dass das Bodenpersonal in Pristina explizit angewiesen wurde, das Schweizer Covid-Zertifikat zu prüfen, bevor eine Bordkarte ausgestellt wird. Dass Passagiere in die Schweiz fliegen, ohne kontrolliert zu werden, glaubt die Ebner-Airline nicht: «Dieses Szenario schliessen wir aus.»

Chair-CEO Shpend Ibrahimi (49) sagt auf Anfrage: «Chair Airlines ist stets in Kontakt mit dem Handling Agent vor Ort, um die Kontrolle entsprechend den behördlichen Auflagen zu gewährleisten. Uns liegen aktuell keine Informationen vor, dass der Handling Agent seinen Kontrollaufgaben nicht nachgekommen wäre.»

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Politiker fordern mehr Kontrollen an Flughäfen

Obwohl die Airlines in der Öffentlichkeit nichts von solchen Vorwürfen wissen wollen: In der Branche ist das Problem längst bekannt. Ein Insider, der anonym bleiben möchte, berichtet Blick, dass an den Schweizer Flughäfen sehr akribisch und zuverlässig kontrolliert werde. An Flughäfen wie Mallorca oder Pristina sehe dies aber anders aus. «Was sollen wir machen? Wir haben nicht die Möglichkeiten, Personal an jede einzelne Destination zu schicken», sagt er.

Bereits im Juni wurden die laschen Kontrollen thematisiert. Mit dem Anstieg der Corona-Fallzahlen insbesondere durch Ferienrückkehrer werden nun Forderungen in der Politik laut, das Einreiseregime zu verschärfen. «Es herrscht ganz klar Handlungsbedarf», sagt FDP-Ständerat Josef Dittli (64, UR) zu Blick. «An den Flughäfen sollen alle Einreisende überprüft werden», fordert er.

SP-Nationalrätin Yvonne Feri (55, AG) sieht es ähnlich. «Wir müssen die schon länger geltenden Massnahmen an den Flughäfen umsetzen», sagt sie. Feri hört immer wieder von Leuten, die an den Flughäfen nie ein Zertifikat zeigen mussten «Es ist eine der dringlichsten Massnahmen, dass bei der Einreise darauf geachtet wird, dass das GGG eingehalten wird», sagt sie.

Helvetic würde Flughafen-Kontrollen begrüssen

Auf Gehör stossen die Politiker auch bei den Airlines. «Im Hinblick auf die aktuelle Situation in der Schweiz würde Helvetic Airways systematische Einreisekontrollen an den nationalen Flughäfen durch die Behörden begrüssen», sagt Helvetic-Sprecher Mehdi Guenin. Er weist darauf hin, dass die meisten Destinationen im Ausland bei der Einreise systematische Kontrollen durchführen. «In der Regel kurz vor der Gepäckausgabe», sagt er.

Erfahrungsgemäss funktioniere dies sehr gut. «Diese Kontrollen werden bereits problemlos seit vielen Monaten entweder von den Behörden durchgeführt und beeinträchtigen den Passagierfluss so gut wie gar nicht», so Helvetic-Sprecher Guenin.

*Name der Redaktion bekannt


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