Kekse und Krypto als Geschäftmodell
Fragwürdige Schweizer Firma ist neu Sponsor von Schalke 04

Der Appenzeller Hersteller vom «gesündesten Lebensmittel der Welt» ist neu prominent auf den Trikots des deutschen Traditionsvereins Schalke 04 vertreten. Hinter der Firma steckt eine kontroverse Figur – mit einem ungewöhnlichen Geschäftsmodell.
Publiziert: 31.07.2024 um 18:24 Uhr
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Michael HotzRedaktor Wirtschaft

Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt – hierzulande, aber auch in Deutschland. 2023 setzte die Branche in unserem Nachbarland 1,78 Milliarden Euro um. Von diesem Kuchen will sich auch eine Schweizer Firma etwas abschneiden – und zwar mit einem laut eigenen Angaben sehr gesundem Guetzli. Die Sun AG, die im Juni ihren Hauptsitz gerade von Lutzenberg AR in die Nachbarsgemeinde Wolfhalden AR verlegt hat, vertreibt das Produkt Sun Minimeal. 

Dabei handelt es sich um Ersatznahrung – in Tabs gepresste Kekse, bestehend aus Zutaten auf Sonnenblumenbasis. Mit den Minimeals will die Schweizer Marke nun Deutschland erobern. Sie hat prominente Werbeträger wie den Ex-Formel-1-Fahrer Nico Rosberg (39) und die Sänger Joey Kelly (51) und Hansi Hinterseer (70) für sich gewonnen. Zudem investiert sie in den Motorrennsport. Der ganz grosse Coup landete das ambitionierte Unternehmen aber vor einigen Tagen: Die Sun AG ist neuer Trikotsponsor vom FC Schalke 04. Das Markenlogo prangt nun auf den königsblauen Leibchen des deutschen Taditionsvereins – für kolportierte drei bis vier Millionen pro Jahr.

Schalkes Pech mit den Sponsoren

Zuletzt hatte Schalke nicht viel Glück mit seinen Sponsoren. Lange prangte das Logo des russischen Energiekonzerns Gazprom auf dem Trikot – sogar noch, als Putins Armee die Ukraine überfiel. Auf Druck von aussen trennte sich der Club dann doch noch vom Geldgeber aus Russland, übrig blieb ein grosses Loch in der Vereinskasse. Die nachfolgenden Sponsoren wechselten dann von Saison zu Saison. 

Auf dem neuen Trikot von Schalke 04 prangt prominent das Logo der Schweizer Firma Sun.
Foto: imago/RHR-Foto
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Entsprechend ist man auf Schalke nun voll des Lobes für den neuen Partner aus der Schweiz. S04-Vorstandsvorsitzender Matthias Tillmann (40) bezeichnet Minimeal als ein «einzigartiges Produkt, das bis ins letzte Detail optimiert wurde». Solche grossen Worte hört man auf Sun-Seite auch vom Alleininhaber Wolfgang Grabher. Er habe ein Produkt entwickelt, das «von Natur aus vollwertig ist, also ohne synthetische Zusätze». Der Vorarlberger bewirbt seine Eigenkreation gerne als «gesündestes Lebensmittel der Welt». Die Minimeals ersetzten zuckerhaltige Snacks, Obst oder kalorienreiche Mahlzeiten – ganz «einfach und bequem» in Guetzli-Form. 

Solche Versprechen sieht Beatrice Baumer, Dozentin für Nahrungsmittelwissenschaften an der ZHAW, eher kritisch. «Meine grundsätzliche Haltung ist, dass man langfristig mit einer abwechslungsreichen Ernährung möglichst weitgehend den eigenen Nährstoffbedarf abdecken soll und nur punktuell und bezogen auf die eigenen Bedürfnisse spezifische Supplemente einnimmt – beispielsweise Jod, Vitamin D, Folsäure oder Vitamin B12», sagt sie gegenüber Blick. 

Hinter der Sun AG steckt eine kontroverse Figur

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Grabher hat ein Faible für vollmundige Versprechungen, die dann nicht Realität werden. Seit mehreren Jahren versucht er, König von Gesundheits-Guetzli zu werden – bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Vielmehr ist der Österreicher laut verschiedenen Medienberichten mit gescheiterten Firmengründungen aufgefallen. Offenbar stand er auch schon unter Betrugsverdacht. 2018 soll ihn Interpol wegen Wirtschaftskriminalität verhaftet haben. Der konkrete Vorwurf: den Betrieb eines Schneeballsystems. Gegenüber CH Media sprach Grabher von «falschen Anschuldigungen» und wies darauf hin, dass es zu keiner Verurteilung gekommen sei.

Kritik gibt es auch, weil Grabher seine Minimeals mit einer Kryptowährung verknüpft. Wer für 100 Franken Ersatznahrung kauft, bekommt 100 sogenannte Sun-Coins gratis dazu. Bezahlt man im Voraus, gibt es gar 200 solche Krypto-Münzen. Die Sun AG spricht diesbezüglich von einem «kostenlosen Bonusprogramm». In einem Werbevideo schlägt Grabher aber andere, vielversprechendere Töne an: Er glaubt an eine Wertsteigerung des Sun-Coins bis 2030 um das 10'000-Fache – «wenn alles gutgeht», wie er ergänzt. Seine simple Botschaft: Mit den Minimeals ernährt man sich nicht nur gesund, sondern wird nebenbei auch noch reich.

Ein Krypto-Kenner erteilt diesem Versprechen gegenüber der «Sportschau» eine Abfuhr: «Das Essen ist meiner Ansicht nach nur ein Vehikel, um den Menschen echtes Geld aus der Tasche zu ziehen. Jeder, der auf diesem Umweg in die Währung investiert, wird meiner Meinung nach seine gesamte Investition verlieren.»

Schalke ist vom neuen Sponsor «überzeugt»

Schalke weist in dem Beitrag darauf hin, dass die Sun AG laut dem aktuellen Hauptsponsoringvertrag nur Produkt Sun Minimeal bewirbt. Das Krypo-Geschäft der Schweizer Firma ist also nicht Teil des Deals.«Um das Produkt zu erwerben, sind keine Punkte oder Coins notwendig», so der Club. Und weiter: Die Sun AG habe in den Gesprächen «überzeugend dargelegt, dass das Unternehmen mit Sun Minimeal ein werthaltiges Lebensmittel herstellt».

Die Sun AG setzt im Jahr laut eigenen Aussagen rund 100 Millionen Franken um. Überprüfen lässt sich das aber nicht. Bei den leidgeprüften Fans der Königsblauen gibt man sich in Foren ziemlich skeptisch – und der eine oder andere flüchtet sich in Sarkasmus. So schreibt ein Schalke-Supporter auf Reddit: «Da war Schalkes Verteidigung letzte Saison stabiler als die Verteidigung von diesem Sponsor.»

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