Investoren-Rally mit Risiken
Wird der KI-Hype zum Börsencrash?

Sind Anwendungen der künstlichen Intelligenz das nächste grosse Ding? Geht es nach Investoren an den Börsen, ist die Antwort ein klares Ja. Doch bereits machen sich warnende Stimmen breit.
Publiziert: 03.06.2023 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 12:47 Uhr
Levin Stamm

Innert weniger Monaten in den exklusiven Club von iPhone-Hersteller Apple, Software-Entwickler Microsoft oder Online-Verkäufer Amazon? Genau dieses Kunststück ist Chiphersteller Nvidia aus Kaliforniens Silicon Valley gelungen. Eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Billion Dollar können bisher erst fünf Unternehmen weltweit vorweisen.

Der neue Stern am Himmel der amerikanischen Tech-Szene steht damit sinnbildlich für die Rally, die sich an den Börsen der Welt in diesen Wochen und Monaten abzeichnet. Der Grund: Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) mausern sich von der abstrakten Zukunftsvision immer mehr zu Produkten für den alltäglichen Gebrauch. Seit US-Unternehmen OpenAI im November des vergangenen Jahres den Chatbot ChatGPT für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, gibt es kein Halten mehr.

Eine Trillion Berechnungen pro Sekunde

Den rasanten Aufstieg hat Nvidia dem Hype um die künstliche Intelligenz zu verdanken. Damit maschinelles Lernen überhaupt möglich ist, braucht es vor allem eines: Computer, die massivste Mengen von Daten schnell verarbeiten können.

Chiphersteller Nvidia ist seit kurzem im exklusiven Billionen-Club. Die Aktie hat seit Jahresbeginn um 175 Prozent zugelegt.
Foto: AFP
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Nvidia ist zum Beispiel an der Entwicklung eines Supercomputers in Israel beteiligt. Der Rechner soll dereinst eine Rechenleistung von acht Extraflops erreichen – das sind acht Trillionen Berechnungen pro Sekunde.

Die Erfolge des Silicon-Valley-Konzerns spiegeln sich dementsprechend in den Quartalszahlen nieder. Nvidia meldete letzte Woche einen Umsatz von 7,2 Milliarden US-Dollar für das erste Quartal 2023 und übertraf damit Prognosen von 6,5 Milliarden US-Dollar drastisch.

Die eigentliche Überraschung war der Ausblick auf das zweite Quartal, für das Nvidia nun einen Umsatz von 11 Milliarden US-Dollar erwartet – 50 Prozent mehr als von Analysten prognostiziert. Kurz nach der Ankündigung stieg die Aktie um ein Viertel an, seit Jahresfrist hat der Wert der Aktie gar um 175 Prozent zugelegt.

Achtung «Baby-Blase»

Im ganzen Trubel um Quantensprünge in der künstlichen Intelligenz drückt ausgerechnet die Bank of America, das achtgrösste Kreditinstitut der Welt, auf die Bremse. Deren oberster Anlagestratege Michael Hartnett warnte erst vor kurzem vor einer «Baby-Blase», die an die überhöhten Bewertungen von Internetaktien in den frühen Nuller-Jahren vor dem Platzen der Dotcom-Blase erinnere.

Laut Hartnett liegt der Ball für ein solches Szenario bei der US-amerikanischen Notenbank Fed. Diese hebt seit einiger Zeit regelmässig den Leitzins nach oben an, um der anhaltenden Teuerung im Land Einhalt zu bieten. Ein Risiko bestehe vor allem, sollte die Fed «fälschlicherweise» mit der Erhöhung des Leitzinses aussetzen, so Hartnett.

Dividenden-Titel zur Absicherung

Der KI-Boom an den Börsen ist indes auf die Titel der grossen Tech-Konzerne zurückzuführen. Gegenüber «CNBC» schätzte Mark Newton vom Finanz-Beratungsunternehmen Fundstrat, sie als «sicherlich überkauft» ein und prognostizierte ein baldiges Ende der momentanen Aktien-Rally. Die Mehrheit der Aktien im S&P 500 befinden sich indes bereits heute im Tiefgang.

Schweizer Anlegern sind deshalb gut beraten, ihr Portfolio nicht vollends auf den neuen Hype auszurichten. In der «NZZ» stellte Alex Müller, Chief Investment Officer bei der Zuger Kantonalbank, dementsprechend fest, dass Anleger mit einem Dividendenportfolio bereits im vergangenen Jahr kleine Verluste erlitten hätten, nämlich rund zwei Prozent. Dies verglichen mit den 16 Prozent Verlust des Swiss Performance Index (SPI). Aktien von Unternehmen, die regelmässig Dividenden auszahlten, schwankten in unsicheren Zeiten weniger.

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