«Es ist damit zu rechnen, dass wir in eine Inflation laufen»
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IAZI-Immobilienexperte:«Es ist damit zu rechnen, dass wir in eine Inflation laufen»

Immobilien-Experte Donato Scognamiglio zur Inflation
«Hausbesitzer sollten jetzt amortisieren»

Die Inflation hat für Mieter und Hausbesitzer Folgen. Donato Scognamiglio, Chef der Immobilienberatungsfirma IAZI, erklärt, wie stark die Nebenkosten für Mieter steigen und worauf Hausbesitzer nun achten sollten.
Publiziert: 23.03.2022 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2022 um 11:33 Uhr
Dorothea Vollenweider

Die Inflation ist vom Schreckgespenst zur Realität geworden. Die Preise für Treibstoff und Heizenergie steigen sprunghaft an. Wie stark sie das Budget von Hauseigentümern und Mietern belasten, zeigt eine neue Studie der Immobilienberatungsfirma IAZI. Donato Scognamiglio (52), Chef von IAZI, erklärt, weshalb auch die Hypothekarzinsen und die Mieten bald steigen dürften. Und er gibt Tipps, wie böse Überraschungen vermieden werden können.

Herr Scognamiglio, was bedeutet die aktuelle Teuerung für Schweizer Hausbesitzer?
Donato Scognamiglio:
Ganz akut: Die Nebenkosten steigen. Den Öltank der Heizung zu füllen, kostet aktuell doppelt so viel als letztes Jahr. Und wir sprechen hier von viel Geld. Hausbesitzer mit einem 3000-Liter-Tank bezahlen dieses Jahr 5000 Franken statt 2500 Franken. Nicht wenige Hausbesitzer werden den Tank deshalb vorerst nur zur Hälfte füllen. In der Hoffnung, der Wahnsinn hört wieder auf.

Wofür müssen Hausbesitzer sonst noch tiefer in die Tasche greifen?
Ich halte es für möglich, dass die Schweizerische Nationalbank SNB den Zinssatz noch Ende dieses Jahr erhöhen wird – also schneller als erwartet. Das hätte einen Effekt auf die Hypothekarzinsen. Sie würden steigen. Gut möglich, dass das schon im Herbst oder Ende 2022 passiert.

Die Inflation ist vom Schreckgespenst zur Realität geworden. Das hat für Schweizer Haushalte Folgen – egal, ob Hausbesitzer oder Mieter. Mietwohnungen in Buchs AG.
Foto: Philippe Rossier
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Was raten Sie Schweizer Hausbesitzern?
Ich empfehle ihnen, eine Festhypothek abzuschliessen. Die Zinsen dafür sind höher als bei Geldmarkthypotheken, aber im aktuellen Zinsumfeld immer noch tief. Und gerade Haushalten mit einem knappen Budget gibt eine Festhypothek die Sicherheit, dass die Kosten in den nächsten Jahren nicht steigen. Wer jetzt ein Haus kaufen will, sollte zudem so viel Eigenkapital wie möglich einschiessen. Wer bereits ein Haus hat, sollte amortisieren. Das heisst, die Verschuldung so tief wie möglich halten.

Und was ist mit den Mietern?
Es ist klar: Der Krieg in der Ukraine und die daraus folgende Inflation wird die Ärmsten der Schweiz am härtesten treffen. Und das sind tendenziell eher Mieter. Es muss bei Ölheizungen mit steigenden Nebenkosten gerechnet werden. Denn wenn der Vermieter für Heizöl mehr bezahlt, wird er das dem Mieter überwälzen. Es droht ein beachtlicher Anstieg dieser Nebenkosten. In der Nebenkostenabrechnung von Mietern mit Ölheizungen machen die Heizkosten gut 40 Prozent aller Ausgaben aus. Eine 2,5-Zimmer-Wohnung warm zu halten, kostet jetzt 2000 statt 1000 Franken pro Jahr. Die monatlichen Bruttomietkosten werden deshalb wohl um vier bis fünf Prozent steigen, sofern der Preis für Heizöl sich nicht normalisiert.

Wird es auch Mietzinserhöhungen geben?
Ja, kurzfristig aufgrund der Inflation aber nur gering. Aktuell beträgt die Inflation 2,2 Prozent und nur 40 Prozent davon darf gemäss Mietrecht weitergegeben werden. Ich gehe davon aus, dass der Anstieg dann rund ein Prozent betragen wird. Zusammen mit den steigenden Nebenkosten werden die Mietausgaben bei Objekten mit Ölheizung also um fünf bis sechs Prozent steigen. Für die untere Einkommensschicht wird das spürbar sein.

Haben Sie einen Tipp für Betroffene?
Ja. Vermieter dürfen die Mieten bei einer Inflation zwar erhöhen. Sie dürfen die Inflation jedoch nur zu 40 Prozent weitergeben. Und auch nur dann, wenn sie die bisherigen Senkungen des Referenzzinssatzes auch an die Mieter weitergegeben haben. Mieterinnen und Mieter sollten also allfällige Mietzinsanpassungen gut prüfen.

Das wichtigste zum Referenzzinssatz

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

1. Was ist eigentlich ein hypothekarischer Referenzzinssatz?
Der Referenzzinssatz ist eine der Richtgrössen für die Wohnungsmieten. Durch ihn können Veränderungen des Hypothekarzinsniveaus auf die Mieter übertragen werden. Der Referenzzinssatz bildet also die Kosten ab, die dem Hauseigentümer zur Finanzierung einer Liegenschaft entstehen.

2. Wofür braucht es den Referenzzinssatz?
Er ist massgebend für die Mieten der meisten Mietwohnungen – ausgeschlossen sind beispielsweise Genossenschaftswohnungen, deren Mietzinse einer staatlichen Kontrolle unterliegen.

3. Wann wurde der Referenzzinssatz eingeführt?
Der Referenzzinssatz wurde 2008 eingeführt. Ziel war es, die Mietzinsgestaltung landesweit zu harmonisieren. Seit seinem Bestehen ist er von 3,5 auf 1,25 Prozent gesunken. Im Juni 2023 gab es nun die erste Erhöhung auf 1,5 Prozent seit der Einführung.

4. Kann eine Veränderung des Referenzzinssatzes zu einer Erhöhung des Mietzinses führen?
Ja, wenn der Zinssatz steigt, können Vermieter darauf abgestützt die Mieten um 3 Prozent erhöhen. Allerdings nur dann, wenn der Mietvertrag auf dem aktuellen Referenzzinssatz von 1,25 Prozent beruht.

5. Können Mieter aufgrund des Referenzzinssatzes tiefere Mieten verlangen?
Ja, das können sie, wenn der Referenzzinssatz sinkt. Wer schon mehrere Jahre in derselben Wohnung lebt und bisher nie eine Mietzinssenkung beantragt hat, der kann sogar geltend machen, dass der Referenzzinssatz im Laufe der Zeit mehrfach gesunken ist. Eine Senkung des Referenzzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte entspricht einer Senkung des Mietzinses um rund 2,9 Prozent. Allerdings haben die Vermieter die Möglichkeit, Mietzinssenkungen aufgrund des Hypothekarzinses mit gestiegenen Betriebs- und Unterhaltskosten der Liegenschaft zu verrechnen. Gewisse Vermieter gewähren Mietzinssenkungen von sich aus automatisch.

6. Wie wird der Zinssatz eigentlich berechnet?
Der Referenzzinssatz entspricht dem volumengewichteten durchschnittlichen Zinssatz aller Hypothekarforderungen von Schweizer Banken. Ausgerechnet wird der Satz von der Schweizerischen Nationalbank im Auftrag des Bundesamtes für Wohnungswesen. Die Banken müssen der Nationalbank dafür die notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Der aus den Berechnungen resultierende Durchschnittssatz wird danach auf ein Viertelprozent auf- oder abgerundet. Dorothea Vollenweider

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