Würde die CEO-Stelle im Teilzeit-Modell funktionieren?
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Chefin von Ikea Schweiz:Würde die CEO-Stelle im Teilzeit-Modell funktionieren?

Ikea Schweiz-Chefin Simona Scarpaleggia (59) mischt sich in die Geschlechterdebatte ein
«Mehr Frauen sind gut fürs Geschäft»

Diese Frau weiss, worüber sie schreibt. 36 Jahre Berufserfahrung hat Ikea-Schweiz-Chefin Simona Scarpaleggia in ein Buch gepackt, um ihren männlichen Kollegen aufzuzeigen, warum es sich lohnt, Frauen zu fördern.
Publiziert: 21.07.2019 um 23:02 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2020 um 15:37 Uhr
Christian Kolbe

Wenn die Chefin von Ikea Schweiz ein Buch schreibt, dann liest sich das ein bisschen wie eine dieser Montageanleitungen für die beliebten Schwedenmöbel. Einfach in der Sprache, klar in der Botschaft, global verständlich. Einen Vergleich, den Simona Scarpaleggia (59) lachend akzeptiert. «Die Ikea-Kultur ist sicher in mein Buch eingeflossen. Ich wollte meine Erfahrungen aus 36 Jahren Berufsleben einem grösseren Publikum zugänglich machen.»

Für Ikea arbeitet die Italienerin seit 19 Jahren. Erst hatte sie in ihrem Heimatland als Personalmanagerin und Filialleiterin diverse Führungspositionen inne, ehe sie 2010 zur Geschäftsführerin von Ikea Schweiz aufstieg. Zur Marktführerin in der Schweizer Möbelbranche gehören neun Möbelhäuser, an die 3000 Mitarbeitende und ein jährlicher Umsatz von gut einer Milliarde Franken.

Mehr Frauen heisst mehr Potenzial

All ihre beruflichen Erfahrungen haben Scarpaleggia eines gezeigt: Wer auf Frauen im Kader verzichtet, sie nur als Konsumentinnen sieht, der vergibt viel wirtschaftliches Potenzial. «In den Chefetagen braucht es praktische Handlungsanweisungen. Vorgesetzte wollen Resultate und Vorteile sehen», erklärt die Mutter von drei Kindern ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben.

Simona Scarpaleggia (59), Chefin Ikea Schweiz: «Wer auf Frauen im Kader verzichtet, vergibt viel wirtschaftliches Potenzial.»
Foto: Siggi Bucher
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Also spricht sie Klartext, zeigt auf, welchen Gewinn Firmen haben, wenn sie auch die Frauen ins Boot holen: «Wenn sie die Besten wollen, aber die Auswahl auf nur die Hälfte der Erwerbstätigen beschränken, dann verpassen sie viele gute Möglichkeiten.» Zum Beispiel die Möglichkeit, eingespielte Muster zu hinterfragen oder neue Geschäftsfelder zu entdecken. Zudem nehme das Wissen über die Kunden stark zu. Nicht unerheblich in einer Branche, in der rund drei Viertel der Kaufentscheidungen von Frauen getroffen werden.

Ob Frauen besser mit Wandel umgehen können, auf diese Diskussion will sich Scarpaleggia nicht einlassen: «Darüber könnten wir stundenlang reden.» Aber verschiedene Blickwinkel helfen dabei, neue Lösungen für alte wie für neue Probleme zu finden. Denn: «Frauen arbeiten viel lösungsorientierter.» Und: «Mehr Frauen sind gut fürs Geschäft.»

Schluss mit dem Gegeneinander

Für die Topmanagerin ist noch etwas anderes wichtig: Sie möchte dieses Gegeneinander der Geschlechter in ein konstruktives Miteinander umwandeln. «Eigentlich sollten wir diese Geschlechterdiskussion dringend beenden. Wieso arbeiten wir nicht einfach darauf hin, dass alle Menschen die gleichen Möglichkeiten und Chancen haben müssen?», fordert Scarpaleggia.

Anstatt den Konflikt mit dem anderen Geschlecht zu suchen, gehe es darum aufzuzeigen, wie Chancen für Frauen auch den Männern ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Ein Beispiel: Teilzeitarbeit sei bei Ikea längst kein Karrierehindernis mehr. Davon hätten erst die Frauen profitiert, doch nun nehmen sich auch Männer erfolgreiche Teilzeit-Managerinnen zum Vorbild und reduzieren ihr Arbeitspensum. Unter dem Strich zum Wohle aller – von Familie und Firma.

Wäre Teilzeitarbeit oder gar Jobsharing an der Spitze eine Option für die Ikea-Chefin? «Grundsätzlich ja, aber ich persönlich wollte lieber Vollzeit arbeiten. Trotzdem bin ich der festen Überzeugung, dass selbst Spitzenjobs in der Wirtschaft geteilt werden können.» Einen Chef an der Spitze brauche es in der modernen Arbeitswelt eigentlich nur noch aus formalen Gründen, die tägliche Arbeit oder Projekte liessen sich auch ohne Führungsfunktionen organisieren.

Es wird noch lange dauern

Besondere Freude macht Scarpaleggia im Moment die EU. Künftig werden mit Ursula von der Leyen als Kommissionschefin und Christine Lagarde als EZB-Chefin zwei Frauen ganz oben stehen. «Das ist ein positives Zeichen, es zeigt, es gibt hervorragend qualifizierte Frauen, die Europa führen können. Es zeigt aber auch, dass Frauen häufig dann in Spitzenpositionen gerufen werden, wenn die Situation besonders verfahren ist», sagt die Ikea-Chefin. Aber immerhin traue man den beiden Spitzenfrauen zu, dass sie den Karren aus dem Dreck ziehen können!

«Ich hoffe», erklärt Scarpaleggia zum Abschluss, «irgendwann braucht es Bücher wie dieses nicht mehr». Eine Prognose, wann das der Fall sein könnte, wagt sie aber nicht. Gemäss dem Gender Gap Report vom World Economic Forum dürfte das bei den derzeitigen Entwicklungen noch über 100 Jahre dauern.

Simona Scarpaleggia: «Frauen fördern für eine starke Wirtschaft». Das Buch erscheint am 31. Juli, Preis: ca. 29 Franken

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