Gefahr von Übelkeit und Kopfweh
Bio-Lebensmittel werden häufiger zurückgerufen

Bioprodukte sind stärker von Rückrufen betroffen. Grundsätzlich bestehe in Sachen Lebensmittelsicherheit ein höheres Risiko im Biolandbau, sagt Agrarwissenschaftler Urs Niggli.
Publiziert: 04.09.2022 um 16:07 Uhr
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Aktualisiert: 05.09.2022 um 15:33 Uhr

Sie verursachen Übelkeit und Kopfschmerzen. Wegen schädlicher Inhaltsstoffe müssen Grossverteiler und Discounter immer wieder Nahrungsmittel zurückrufen. Bioware ist besonders häufig davon betroffen, schreibt die «SonntagsZeitung». Eine Analyse der vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) veröffentlichten Warnungen zeigt: Von den 193 Warnungen bei Nahrungsmitteln ist bei 41 erwähnt, dass es sich um Bioartikel handelt.

Das macht über 21 Prozent aller Rückrufe aus. Zum Vergleich: Bio erreicht beim Umsatz im Schweizer Lebensmittelhandel einen Anteil von 10,9 Prozent. Grundsätzlich bestehe in Sachen Lebensmittelsicherheit ein höheres Risiko im Biolandbau, sagt Agrarwissenschaftler Urs Niggli.

Professioneller und sorgfältiger

Seine Forderung ist unmissverständlich: Die Biokette vom Anbau bis zur Verarbeitung müsse professioneller und sorgfältiger ablaufen als im konventionellen Anbau. Der Grossteil der zurückgerufenen Bioprodukte hatte ein Label mit dem EU-Bio-Standard, schreibt die «SonntagsZeitung».

Ein Kunde kauft an einem Bio-Stand. (Symbolbild)
Foto: Keystone
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Konkret geht es etwa um Mais-Chips von Alnatura. «Der Konsum kann zu gesundheitlichen Beschwerden wie Übelkeit oder Kopfschmerzen führen», warnte die Migros in einem Rückruf Ende Juli. Gleich drei Bioprodukte waren damals davon betroffen. Grund für die Probleme sind gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe, sogenannte Tropanalkaloide. Weitere Händler mussten nachziehen.

Verunreinigen Hirse, Mais und Buchweizen

Doch was ist der Grund für den hohen Bio-Anteil bei den Rückrufen? Für die jüngsten Fälle bei der Mais-Produkte hat die «SonntagsZeitung» eine Erklärung. Die giftigen Tropanalkaloide sind Stoffe, die im Samen des Stechapfels oder des Bilsenkrauts vorkommen. Sie können die Ernten von Hirse, Mais, Buchweizen und anderen Pflanzen verunreinigen.

In der konventionellen Landwirtschaft bekämpfen chemische Unkrautvernichter deren Ausbreitung. Die sind bei Bio aber verboten. «Durch das Verbot der Unkrautregulierung mit Herbiziden in der biologischen Landwirtschaft ist die Gefahr der Verunreinigung in Biolebensmitteln wesentlich grösser als in Lebensmitteln aus herkömmlicher Landwirtschaft», schreibt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau.

Giftige Schimmelpilze

Ein weiteres Risiko bei Bio sind Pilzkrankheiten. Sie sind nicht oder nur schlecht bekämpfbar. Das kann gefährliche Folgen bei der Ernte von Getreide oder Nüssen haben. Schimmelpilze produzieren Mykotoxine, die für Mensch und Tier giftig sind. Fungizide sind aber tabu.

Solche Schimmelpilzgifte kommen laut Niggli im Biolandbau nicht grundsätzlich öfter vor. Die Situation sei aber weniger gut kontrollierbar als bei herkömmlichen Anbaumethoden, wo Fungizide gesprüht werden. Die Biokette vom Anbau bis zur Verarbeitung müsse deshalb professioneller und sorgfältiger ablaufen als im konventionellen Anbau. «Das System verzeiht keine Fehler. Die passieren aber dennoch», sagt Niggli.

Chemie bekämpft Pilzbefall

Erst vor wenigen Tagen hat die Drogeriekette Müller eine Bio-Dattel-Haselnuss-Creme zurückgerufen: wegen Schimmelbefalls. Für Datteln kommen im konventionellen Anbau wegen Pilzkrankheiten anders als bei Bio relativ viele chemische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz.

Rückrufe von weiteren Biolebensmitteln gab es aus unterschiedlichen anderen Gründen: Quinoa-Knäckebrot von Aldi wegen eines zu hohen Anteils des Pflanzenschutzmittels Ethylenoxid, Listerien im Naturaplan-Marktsalat von Coop, Salmonellen in Erdmandeln, die Schweizer Drogerien und Apotheken verkauft hatten. (pbe)


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