Sie investieren ihr Erbe in den Klimaschutz
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Stiftung gegründet:Sie investieren ihr Erbe in den Klimaschutz

Gebrüder Meili aus Zürich wollen mit ihrem Erbe zur Klimarettung beitragen
«Herrgottsack! Es ist doch genug Geld vorhanden»

Wer erbt, soll sein Geld nicht verprassen, sondern es für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzen. Das Mittel dazu: die Stiftung Clima Now, das erste Projekt: die Bildung einer grossen Community.
Publiziert: 01.11.2021 um 08:51 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2021 um 12:31 Uhr
Christian Kolbe

Mitten im Gespräch flucht Martin Meili (69) lauthals los: «Herrgottsack! Es ist doch genug Geld vorhanden, alle wissen, was zu tun ist. Es ist ein Notstand, und wir müssen jetzt handeln», echauffiert sich der pensionierte Hausarzt. Nein, es geht nicht um Corona, sondern ums Klima. Das Thema, das uns nach der Pandemie noch auf Jahrzehnte hinaus beschäftigen wird – davon sind die Brüder Meili überzeugt.

Daniel Meili (65) versucht zu erklären, warum bei Corona innert Kürze ganze Gesellschaften ihr Verhalten der Notlage anpassen können, während beim «Klimachaos» – wie er es nennt – scheinbar nichts passiert. «Der Mensch ist nicht dafür gemacht, langfristig zu denken und zu handeln», erklärt der Psychiater, der im nächsten Jahr in seinem angestammten Beruf kürzertreten will. Den meisten Menschen fehlte dazu das Vorstellungsvermögen, sie handelten erst, wenn es brenzlig werde. Und das könnte im Falle des Klimawandels viel zu spät sein.

Ziel ist eine grosse Bewegung

Deshalb wollen die Brüder das Bewusstseins schärfen, dass nun dringend etwas im Kampf gegen den Klimawandel geschehen muss. Das Mittel dazu: die Stiftung Clima Now, gegründet in diesem Frühling. Die Dringlichkeit des Problems steckt im Namen der Klimastiftung, grössere Aufmerksamkeit soll das Format «Spotlight» bringen.

Haben ihr Erbe in eine Stiftung eingebracht: Daniel (l.) und Martin Meili.
Foto: Nathalie Taiana
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Denn alleine kann niemand das Klima retten, keine noch so potente Stiftung. Wirklich etwas verändern, etwas bewegen, das können nur viele Menschen gemeinsam. Genau hier setzt «Spotlight» an.

Mit «Spotlight» um die Gunst des Publikums buhlen

Der Kampf gegen den Klimawandel als basisdemokratische Bewegung. Auch das hat sich «Clima Now» auf die Fahnen geschrieben. Das Mittel dazu: «Spotlight». Mit dem neuartigen Format sucht die Stiftung Projekte, die möglichst viele Menschen für den Klimaschutz sensibilisieren: «Ziel ist es 100'000 Menschen zu erreichen», sagt Martin Meili (69). 189 Ideen sind bis Ende September eingetroffen – viel mehr als erwartet. Eine Fachjury wird davon 33 zur öffentlichen Begutachtung auswählen.

Ab 1. November darf das Publikum entscheiden, welche sieben Projekte am 9. Dezember im Zürcher Kulturhaus Kosmos im Scheinwerferlicht stehen und sich der Öffentlichkeit präsentieren dürfen. Die drei besten Ideen werden wiederum mittels Publikumsvoting bestimmt, erhalten ein Preisgeld von 100'000, 50'000 oder 25'000 Franken. Für die Brüder Meili ist dieser Prozess nicht weniger als die «Demokratisierung des Stiftungswesens», nicht ein Stiftungsrat hinter verschlossen Türen, sondern eine möglichst grosse Gemeinschaft bestimmt, was mit den Stiftungsgeldern geschehen soll.

Der Kampf gegen den Klimawandel als basisdemokratische Bewegung. Auch das hat sich «Clima Now» auf die Fahnen geschrieben. Das Mittel dazu: «Spotlight». Mit dem neuartigen Format sucht die Stiftung Projekte, die möglichst viele Menschen für den Klimaschutz sensibilisieren: «Ziel ist es 100'000 Menschen zu erreichen», sagt Martin Meili (69). 189 Ideen sind bis Ende September eingetroffen – viel mehr als erwartet. Eine Fachjury wird davon 33 zur öffentlichen Begutachtung auswählen.

Ab 1. November darf das Publikum entscheiden, welche sieben Projekte am 9. Dezember im Zürcher Kulturhaus Kosmos im Scheinwerferlicht stehen und sich der Öffentlichkeit präsentieren dürfen. Die drei besten Ideen werden wiederum mittels Publikumsvoting bestimmt, erhalten ein Preisgeld von 100'000, 50'000 oder 25'000 Franken. Für die Brüder Meili ist dieser Prozess nicht weniger als die «Demokratisierung des Stiftungswesens», nicht ein Stiftungsrat hinter verschlossen Türen, sondern eine möglichst grosse Gemeinschaft bestimmt, was mit den Stiftungsgeldern geschehen soll.

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«Wir wollen eine Bewegung auslösen», sagt Daniel Meili. Das Ziel: den Klimawandel zu bekämpfen und Erben dazu zu bringen, etwas Sinnvolles mit ihrem Geld zu tun.

Prominente Mitstreiter

Das haben die Brüder schon einmal probiert – und sich damit in die Nesseln gesetzt. Sie haben sich für die Erbschaftssteuer-Initiative starkgemacht, die 2015 vom Stimmvolk wuchtig verworfen wurde. «Damals wurden wir von vielen Seiten angefeindet», erinnert sich Martin Meili.

Heute gehen sie subtiler vor, haben schon einige Gleichgesinnte gefunden: Tobias Rihs (51), der Sohn des Unternehmers Andy Rihs (1942–2018), zum Beispiel. Oder Filmemacher Ruedi Gerber (65), dessen Vater Fritz (1929–2020) den Pharmakonzern Roche an die Weltspitze führte. Sowohl Rihs wie auch Gerber setzen sich seit Jahren für Umweltthemen ein.

Cerberus sei dank

In der Stiftung Clima Now stecken derzeit zehn Millionen Franken. Doch das Vermögen soll rasant wachsen: «Wir brauchen nicht jetzt 100 Millionen Franken – aber in einem Jahr», sagt Daniel Meili. Und rechnet vor, woher das Geld kommen könnte: «Pro Jahr werden in der Schweiz an die 95 Milliarden Franken vererbt. Wenn nur schon ein Promille davon in die Stiftung fliesst, wären das 95 Millionen – jedes Jahr!» Das heisst: Möglichst viele Erben sollen es den Meilis gleichtun und ihr Geld für die Rettung des Klimas einsetzen.

Das Geld der Meilis, das in der Stiftung steckt, kommt vom Höllenhund. Cerberus war der Name der Firma, die den ersten automatischen Feuermelder auf den Markt brachte. Erfunden hatte diesen Vater Ernst Meili (1913–2006). Ein Mann, der sich schon früh Gedanken darüber machte, was er mit seinem vielen Geld anfangen soll. Seine Söhne hatten dafür Antworten.

Das erste Geld floss in die Umwandlung einer Schiffstransformatoren-Fabrik mitten in Zürich in ein Wohn- und Geschäftshaus. Im lang gestreckten Bau, der an einen Park grenzt, wohnen heute beide Brüder. In der Dachwohnung von Martin, wo das Gespräch mit Blick stattfindet, ist die «Klimaerhitzung» – ein weiterer Kampfbegriff der Meilis – sehr gut spürbar. «Im Sommer wird es hier oben richtig heiss», sagt Martin.

Der ältere der Meili-Brüder kam schon Anfang der 1970er-Jahre mit dem Thema in Berührung – als Austauschstudent in den USA. «Ich war beim allerersten «Earth Day» dabei, habe damals zum ersten Mal vom Problem des Klimawandels gehört», so Martin.

Erst verzettelt, jetzt fokussiert

Der Weg bis zur Klimastiftung ist ein weiter. Das Geld des Vaters fliesst erst in einen bunten Strauss soziokultureller Projekte, in Kinos und Kulturhäuser, Verlage, in ein Hotel oder das Onlinemagazin «Republik», auch Umweltprojekte sind schon dabei. Alles gebündelt in der Datuma AG für Projekte, das Ziel schon damals: mit Investitionen etwas zu bewegen, Impact Investment heisst das Neudeutsch.

«Wir haben mit unseren eigenen Berufen genug Geld für unseren Lebensunterhalt verdient, deshalb wollen wir mit dem Erbe Sinnstiftendes tun», begründet Daniel Meili, warum die Millionen nicht in Chalets, Autos oder Yachten geflossen sind.

Es dauerte 20 Jahre, bis den Brüdern dämmerte, dass die Fokussierung auf ein einziges Thema einiges mehr bewegen kann: «Mit der Klimastiftung haben wir einen viel grösseren Hebel, um im Kampf gegen den Klimawandel etwas zu bewirken», erklärt Daniel. Doch geben sich die Stifter keiner Illusion hin: «Wir können nicht die Welt retten, wir sind ein kleines Rädchen im grossen Kampf gegen den Klimawandel.»

Investition in Neues

Martin Meili ist seit diesem Jahr Grossvater: «Ich will meinem Enkel in die Augen schauen können, ohne rot zu werden.» Damit die Meilis sich vor künftigen Generation nicht schämen müssen, unterstützt die Stiftung diverse bestehende Klimaprojekte wie zum Beispiel Climeworks, das daran arbeitet, das Treibhausgas CO2 aus der Luft zu filtern.

Viel Hoffnung ruht auf neuen Projekten: Etwa einem intelligenten Heizsystem, das leere Räume erkennt und die Temperatur entsprechend reduziert. Der Seealgenfarm Ocean Rainforest bei den Faröer-Inseln, dem Projekt «Slow Grow» zur Förderung regenerativer Landwirtschaft oder einem Milchpulver auf pflanzlicher Basis, das Energie und Transportkosten spart. Der Name: Blue Farm.

Die Messlatte für all die geplanten Investitionen: «Wie hoch ist das CO2-Einsparpotenzial?», sagt Martin. Und sollten die Projekte dereinst Gewinne abwerfen, fliesst das Geld zurück in die Stiftung. «Wir finanzieren, wir unterstützen, wir präsentieren und wir demokratisieren Lösungen, die CO2 reduzieren, absorbieren oder Lösungen, die zum Bewusstseinswandel beitragen», fasst Martin Meili den Stiftungszweck zusammen. Ein wahrlich ambitioniertes Ziel für ein drängendes Problem.

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