«Figugegl»-Werbeikone Doris Gisler-Truog im Portrait
Sie schenkte der Schweiz ihre Fonduekultur

Ihre Agentur war verantwortlich für einige der prägendsten Slogans der Schweizer Werbewelt. Blick hat die immer noch lebenshungrige Doris Gisler-Truog (96) zum Gespräch getroffen.
Publiziert: 29.01.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2024 um 09:24 Uhr

Doris Gisler-Truog macht kein Geheimnis um ihr Erfolgsrezept: «Gute Gene, Sauna, Knoblauch und ein heiteres Gemüt.» Das seien die Zutaten dafür, dass sie noch so gut «zwäg» sei. Am 4. Januar feierte die Grande Dame der Schweizer Werbewirtschaft ihren 96. Geburtstag. Im Kreise ihrer Familie, zu der seit vergangenem Juni auch die erste Urenkelin zählt, wie sie verrät.

Selbst in diesem hohen Alter wirkt Doris Gisler-Truog beim Blick-Besuch in ihrer Villa am Zürichsee ausgesprochen fit. Ihre Gedanken sind scharfsinnig, ihr Charme vereinnahmend.

Die Rentnerin ist immer noch viel unterwegs. Vor zwei Jahren kaufte sie sich ein neues Auto, einen Peugeot. «Ich war immer eine gute Fahrerin», meint sie selbstbewusst. Sie habe das Fahren von ihrem damaligen Freund gelernt, als Frauen noch kaum Auto fuhren. 70 Jahre später fährt sie immer noch gerne. Wobei «das Auto heute vieles von selber macht, etwa beim Parkieren, da ist das Fahren ganz einfach».

Doris Gisler-Truog machte Fondue und Caquelon schweizweit berühmt und schuf damit ein neues Nationalgericht.
Foto: Philippe Rossier
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Der Grosserfolg mit dem Fondue

Ihr Geburtstagsessen? Kein Fondue. Auch wenn die Schweiz dieser Frau zu einem sehr grossen Teil ihre Fonduekultur verdankt. Doris Gisler führte ab 1954 mit ihrem damaligen, bereits 1971 an einem Unfall verstorbenen Ehemann Kaspar Gisler (†53), die Werbeagentur Gisler + Gisler in Zürich. Die damalige Käseunion versuchte, den Käsekonsum anzukurbeln – auch mittels Bewerbung von Fondue. Nur: Damals kannte das kaum jemand. «Eine Umfrage 1954 ergab, dass nur 30 Prozent der Deutschschweizer schon mal ein Fondue gegessen hatten, und nur 5 Prozent hatten dieses zu Hause zubereitet», erzählt Gisler.

Mit einem damals noch unüblichen PR-Feuerwerk, Inseratekampagnen und dem Spruch «Fondue isch guet und git e gueti Luune» machte Gisler den geschmolzenen Käse über Nacht zum Hit. Fondue stand für Zusammensein, ja Zusammenhalt – aus dem schnöden Käse wurde ein Nationalgericht stilisiert. Das Wort Caquelon, zuvor in der Deutschschweiz weitgehend unbekannt, war plötzlich in aller Munde – und ein solches in praktisch jedem Haushalt.

In den 70er-Jahren wurde aus dem Fondue-Werbespruch das abgekürzte Anagramm «Figugegl», das auch heute noch bei vielen Erinnerungen weckt. Gisler verdient daran aber nichts mehr, denn sie hat den Slogan und die Abkürzung nicht für sich geschützt. 

Die wilden Werbejahre

Darben musste Gisler trotzdem nicht. «Das Leben hat es gut mit mir gemeint», erklärt sie. Sowohl familiär als auch beruflich. Der Erfolg mit dem Fondue brachte ihr Kundin um Kunde. Ab den 60er-Jahren war Gisler + Gisler die grösste Werbeagentur der Schweiz. Zur Kundschaft zählten unter anderen Knorr, Valser, Ovomaltine, Thomi + Franck, Feldschlösschen oder Eterna.

Für diese erschuf Gisler Slogans – etwa «Häsch dini Ovi hüt scho gha?» für Ovomaltine. «Der Spruch ist entlehnt vom Satz ‹Häsch dini Demo hüt scho gha›, der im Rahmen der Kulturrevolution der 70er-Jahre herumgereicht wurde», sagt Gisler und schmunzelt. Auch der Bündner Kult-Werbespruch «S'isch guat, z'Valserwasser» geht auf ihr Konto. Oder der allererste Werbe-Rap der Schweiz: «Nei, Sie, nämed Sie de Quick vom Leisi.»

Einen weiteren nennenswerten Coup schaffte die Agentur mit der erfolgreichen Kampagne für die Einführung des Frauenstimmrechts im Jahr 1971. Das machte Gisler in der Frauenbewegung unsterblich. «Wir haben die Männer nicht als blöd dargestellt und unnötig gereizt, sondern uns auf die Unentschlossenen fokussiert und diese sanft überzeugt», sagt die gelernte Journalistin. So baute sie sich auch in der Politlandschaft ein mächtiges Netzwerk auf. «Jede von uns werblich begleitete Abstimmung wurde gewonnen», triumphiert Gisler.

Keine Firma mehr, aber ein Vermächtnis

Ein Erfolg blieb ihr nur beim Ausstieg verwehrt: Als ihren «grössten Fehler» bezeichnet Gisler die misslungene Nachfolgeregelung. Sie verkaufte ihre Agentur 1985 teils an die BBDO und teils an verdiente Manager. Obwohl sie da bereits mit ihrem zweiten Ehemann, dem Psychiater Arnold Truog (79), zusammen war, habe sie «die Psychologie meines Abgangs unterschätzt.» Die Firmenleitung übertrug sie dem langjährigen künstlerischen Leiter Gebi Schregenberger wider dessen Willen. «Da war falsche Sentimentalität dahinter», sagt die Werberin des Jahres 1977. Es kam zu internen Machtkämpfen, später wurde die Firma in ein grösseres Gebilde fusioniert, «wo die Kulturen nicht zusammenpassten».

Dass ihr Lebenswerk zumindest als Firma nicht fortlebt, stört Doris Gisler nicht. Sie führt weiterhin ein aktives Leben: «Mir wird nie langweilig.» Wie sie ihre Tage ausfüllt, will sie nicht preisgeben. Nur so viel: Ihre Familie ist ihr wichtig, sie unterstützt ihren Ehemann, der inzwischen als Bildhauer aktiv ist, und sie sammelt leidenschaftlich.

In ihrer neoklassizistischen Villa in Meilen ZH sind die grossen Räume voll gestellt mit Sammlerartikeln: Gläser, Micky-Maus-Figuren, Bauernmöbel, Bücher, eine der grössten Hutsammlungen der Schweiz und natürlich Kunstwerke ihres Ehemanns. Auf die Frage, ob sie noch Ziele im Leben habe, entgegnet sie: «Ich möchte gerne Ordnung in all dies bringen, aber das schaffe ich wohl nicht mehr.»

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