Foto: imago images/U. J. Alexander

Fiese Handwerker-Masche
Fensterbauer kassiert 10’000 Franken – und taucht ab

Wie ein Handwerker eine Rentnerin im Stich liess – und warum er kein gewöhnlicher Abzocker ist.
Publiziert: 18.09.2024 um 11:07 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2024 um 15:57 Uhr

Auf einen Blick

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Conny Schmid
Beobachter

Fast 10’500 Franken – so viel überwies Marlen Frei am 12. Dezember 2023 auf das Konto eines Fensterbauers im Kanton Zürich. Es war die Hälfte des Betrags, den der Ersatz aller Fenster ihrer Liegenschaft gemäss Offerte kosten sollte. Die Rentnerin will das Haus, in dem sie mit ihrem pflegebedürftigen Mann lebt, dereinst in einem guten Zustand an ihre Schwiegertochter übergeben. Sie renoviert es Schritt für Schritt. Das Geld für die neuen Fenster habe sie sich mühsam erspart. «Ich habe jeden Monat 1000 Franken auf die Seite gelegt und auf Ferien verzichtet», sagt sie zum Beobachter.

Marlen Frei heisst in Wirklichkeit anders. Sie will anonym bleiben, weil sie nicht möchte, dass die halbe Nachbarschaft von ihrem Pech erfährt. Der Fensterbauer war ihr vom Maler empfohlen worden. Er kam zweimal bei ihr vorbei: einmal, um Mass zu nehmen, einmal, um die Offerte zu besprechen.

Die Schwiegertochter sei bei diesem Termin auch dabei gewesen, und er habe einen guten Eindruck hinterlassen, sagt sie. «Ich hatte keinen Grund, an seiner Seriosität zu zweifeln.»

Einfach abgetaucht

Doch dann passierte, womit niemand gerechnet hatte: Kaum war die Anzahlung auf dem Konto des Fensterbauers, tauchte er ab. Die neuen Fenster wollte er eigentlich im Januar einbauen, verschob den Termin aber auf Februar.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Dann sah und hörte man nichts mehr von ihm. «Ich habe etliche Male versucht, ihn zu erreichen. Doch er antwortete nicht mehr», sagt Marlen Frei.

Monate vergehen

Im April erreichte die Schwiegertochter ihn telefonisch – vermutlich, weil er ihre Nummer nicht kannte. «Er erzählte von Eheproblemen und versprach, eine E-Mail zu schicken mit Terminvorschlägen. Es kam nie eine.»

Anfang Mai verlor Marlen Frei die Geduld. Per eingeschriebenem Brief trat sie vom Vertrag zurück und forderte ihr Geld innert zehn Tagen zurück. Wieder passierte nichts.

Erst im Juli fand sie heraus, dass das Haus des Fensterbauers, das zugleich Wohn- und Geschäftsadresse war, schon 2023 zwangsversteigert worden war. Sie leitete die Betreibung ein – mit wenig Hoffnung, ihr Geld jemals wiederzusehen.

Kein klassisches Muster

Über dubiose Handwerker, die vor allem in Notfällen Wucherpreise für Kleinarbeiten verlangen, am liebsten bar auf die Hand – darüber berichtet der Beobachter immer wieder. Ein Fensterbauer, der ein Projekt plant, offeriert und sich dann mit der Anzahlung aus dem Staub macht, fällt nicht ins klassische Abzockermuster.

Als der Beobachter den Mann kontaktiert, reagiert er sofort und zeigt sich reuig. Er habe persönliche Probleme gehabt, sei der Alkohol- und Drogensucht verfallen und aus diesem Strudel nicht mehr herausgekommen. «Ich habe komplett den Überblick verloren», sagt er. Inzwischen sei er in Therapie. «Es tut mir aufrichtig leid, und ich möchte meine Schulden begleichen.»

Ausser Marlen Frei habe er von drei weiteren Kunden Anzahlungen einkassiert ohne Gegenleistung. «Einer hat mich angezeigt, mit den beiden anderen suche ich aktuell nach Lösungen, die Schulden abzuzahlen.»

Auch Marlen Frei will er kontaktieren. «Am liebsten würde ich den Auftrag natürlich noch ausführen», sagt er.

Das Vertrauen verspielt

Doch Marlen Frei vertraut ihm nicht mehr. «Ich habe ihm genug Gelegenheiten gegeben. Seine privaten Probleme interessieren mich als Kundin nicht, ich muss nicht seinen Rucksack tragen.» Sie wolle einfach nur ihr Geld zurück – und zwar mit Zinsen und Erstattung der Kosten, die sie für die Betreibung hatte.

Die Hoffnung, dass dies tatsächlich gelingen könnte, ist mit dem Einschalten des Beobachters zumindest nicht geschrumpft.

Ein Risiko bleibt immer

Anzahlungen an Handwerker sind Verhandlungssache und stellen immer ein gewisses Risiko dar. Katharina Siegrist vom Beobachter-Beratungszentrum rät, einen Betreibungsregisterauszug zu verlangen, bevor man den Auftrag erteilt, oder den Betrag herunterzuhandeln.

«Auf jeden Fall sollte man den Verlust im Ernstfall tragen können.» Bei grösseren Projekten könne es sich auch lohnen, für die Anzahlungen ein Sperrkonto zu errichten.

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