Experte Vontobel ordnet ein
Geld oder Leben! Corona ist Big Business

Noch haben die neuen Medikamente und Impfstoffe gegen Corona kein einziges Menschenleben gerettet. Aber die Kasse klingelt – und wie, schreibt Wirtschaftsexperte Werner Vontobel.
Publiziert: 28.11.2020 um 10:52 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2020 um 13:56 Uhr

Geld oder Leben! Stéphane Bancel (48) sagt es nicht so direkt, meint aber dasselbe. Der CEO von Moderna will für eine Dosis seines Coronavirus-Impfstoffs von den Regierungen zwischen 25 und 37 Dollar verlangen und begründet das so: «Das ist ein fairer Preis, wenn man bedenkt, wie hoch die Kosten für das Gesundheitssystem sind, wenn ein Mensch schwer an Covid-19 erkrankt.» Bancel rechtfertigt seinen Preis also nicht mit den Kosten – wie man das in einer Marktwirtschaft erwarten würde – sondern mit dem Nutzen. «So viel müsste Ihnen das Leben ihrer Wähler doch wert sein.» Geld oder Leben, eben.

Bancels Preisforderung kam wenige Tage, bevor Konkurrent AstraZeneca ankündigte, dass sein Impfstoff sehr kostengünstig hergestellt und deshalb zu einem Preis von rund drei Dollar verkauft werden könne. Pech für Moderna? Nicht unbedingt. Die Biotech-Firma hat mit vielen Ländern längst Verträge über Hunderte Millionen Dosen abgeschlossen. Die Schweiz etwa hat schon im August 4,5 Millionen bestellt. Im Oktober kamen weitere 5,3 Millionen Dosen von AstraZeneca dazu. Preis unbekannt. Insgesamt hat der Bund bisher 400 Millionen Franken für Impfstoffe zur Verfügung gestellt.

Bancel ist Milliardär

Auch Stéphane Bancel hat seine Schäfchen längst ins Trockene gebracht. Er und seine Topmanager versilbern ihr Insiderwissen laufend an der Börse. Seit einem Jahr handeln sie im Schnitt jeden zweiten Tag mit eigenen Aktien und setzen dabei im Schnitt 3,6 Millionen Dollar um. Bancel hat erst letzte Woche für 1,74 Millionen Dollar Moderna-Aktien verkauft. Sein Vermögen wird aktuell auf 3,1 Milliarden Dollar geschätzt.

Werner Vontobel ordnet für BLICK gesellschaftliche und ökonomische Themen ein.
Foto: Paul Seewer
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Geld gegen Leben. Bei den Impfstoffen sieht es immerhin so aus, als würde die Pharmaindustrie ihren Teil liefern. Nicht so bei den Medikamenten. Dort ruhen alle Hoffnungen auf Remdesivir von Gilead. Nachdem diverse positive Zwischenmeldungen den Kurs von Gilead bis im Mai um 30 Prozent hochgetrieben hatten, gab die Weltgesundheitsorganisation WHO am 23. September bekannt, dass eine grosse, von ihr organisierte Studie die Wirkungslosigkeit von Remdesivir gezeigt habe.

Das hinderte aber die EU-Kommission – wie erst kürzlich bekannt wurde – nicht daran, am 8. Oktober mit Gilead einen Vertrag über 500'000 Behandlungszyklen mit Remdesivir abzuschliessen. Wie die Agentur Reuters von «einer mit der Sache vertrauten Person» erfahren haben will, betrage der Preis für einen Behandlungszyklus 2070 Euro. Total also rund 1,2 Milliarden Euro. Anfragen von EU-Parlamentariern wurden von der EU-Kommission bisher nicht beantwortet.

Wie kommen die Preise zustande?

Noch seltsamer: Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran (40) hat Ende Oktober den Gebrauch des Corona-Mittels Hydroxychloroquin (Preis pro Behandlungszyklus: acht Euro) verboten – und Remdesivir weiterhin zugelassen. Kurz danach bekam das betroffene Universitätsspital von Marseille Post von Gilead, man sei bereit, die therapeutische Lücke «gratis» mit Remdesivir zu füllen. Übrigens: Daniel O’Day (56), der neue CEO von Gilead, hat letztes Jahr für zehn Monate Arbeit 29,1 Millionen Dollar kassiert.

Doch wer braucht schon Remdesivir? Bereits am 28. September gab das Universitätsspital Córdoba (Spanien) die Ergebnisse einer Studie bekannt, wonach nur zwei Prozent der Covid-Patienten, die mit hohen Dosen von Vitamin D (Calcifediol) vorbehandelt wurden, auf die Intensivstation verlegt werden mussten. Bei den unbehandelten Patienten waren es 50 Prozent.

Eine Sensation? Offenbar nicht. Zumindest in der Schweiz hat diese Studie keine einzige Schlagzeile ausgelöst. Inzwischen wurde sie immerhin in sechs Zeitungsartikeln nebenbei erwähnt – immer mit dem Hinweis, man müsse erst noch grössere Studien zu Corona und Vitamin D machen. Richtig. Doch warum gibt es die nicht schon lange? Vermutlich, weil Naturstoffe weder Schlagzeilen noch Milliardäre machen.

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