Erst aufblähen, dann feuern bei der SBB
Hire and Meyer

SBB-Chef Andreas Meyer inszeniert sich als knallharten Sparer. Doch vor der Massenkündigung blähte er die Lohnsumme der Bahn selber auf.
Publiziert: 25.09.2016 um 15:36 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:43 Uhr
Moritz Kaufmann

Die SBB sind zum Sparen verdammt. Ihre Fahrgäste sind nicht mehr bereit, jedes Jahr teurere Billette zu berappen. Bund und Kantone tragen die Differenz zwischen Billetteinnahmen und tatsächlichen Kosten, drängen aber schon lange auf mehr Effizienz. Nun posi­tionieren sich auch noch deutsche Fernbus-Unternehmen als preiswerte Konkurrenz der Bahn.

Am Donnerstag ging SBB-CEO Andreas Meyer (55) deshalb in die Offensive und verkündete das Programm «Railfit», dem jetzt 1400 Stellen zum Opfer fallen. Erarbeitet wurde es von der als brutal bekannten US-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft McKinsey. Manager Meyer markiert den Sparer, der im Interesse der Kunden handelt. Dank Railfit könnten die Billettpreise langfristig sogar sinken, liess er verlauten. Ein perfekt inszenierter Auftritt auf allen Kanälen.

Und ein irreführendes Manöver: Nach Meyers Amtsantritt vor bald zehn Jahren ist die Zahl der SBB-Mitarbeiter bedeutend gestiegen. 5600 Mitarbeiter mehr als 2007 hat die Bahn heute – 32'200 sind es nun insgesamt. Meyers Vorgänger Benedikt Weibel (69) hatte die SBB vom Staatsbetrieb zur Aktiengesellschaft umgebaut und den Stellenetat massiv reduziert – unter Meyer stieg die Lohnsumme wieder an.

Das Timing stimmt: Meyer hat seinen Auftritt generalstabsmässig geplant.
Foto: Marco Zanoni / Lunax
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Mehrere unabhängige Quellen aus SBB-Kreisen bestätigen: Die Verwaltung wurde massiv ausgebaut. «Meyer traut niemandem. Deshalb hat er Kontrollstellen und Reportings installiert, wo es keine braucht», sagt ein Ex-Mitarbeiter. Die Konzernstruktur wurde mit unproduktiven Stellen massiv aufgebläht, sagt ein anderer. «Jetzt muss McKinsey Meyers Fehler wieder ausbügeln.»

Meyer wäre nicht Meyer, hätte er sich nicht auf alle kritischen Fragen vorbereitet. Am Donnerstag zählte er auf, wo die neuen Stellen entstanden seien: unter anderem bei den Lehrlingen. 2300 Ausbildungsplätze wurden unter Meyer geschaffen, teilen die SBB mit. Seit 2014 zählen die Lehrlinge zum SBB-Personalbestand.

Doch ein Blick auf die Vergleichszahlen zeigt: 2015 waren 1488 Lehrlinge beschäftigt. Zehn Jahre zuvor waren es 1133. Demnach wurden seit 2005 also rund 355 neue Lehrstellen geschaffen. Das ist zwar löblich, doch wie in aller Welt kommen die SBB auf die Zahl von 2300 zusätzlichen Lehrlingen? «Seit 2007 ist der Personalbestand bei den Lehrlingen um insgesamt 2300 gestiegen. Bei dieser Zahl handelt sich um die Summe», räumt ein Sprecher auf Anfrage von SonntagsBlick ein. 1488 Lehrlinge sei die absolute Zahl, so der Sprecher. Weiter wolle man nicht ins Detail gehen; weshalb eine missverständliche Zahl kommuniziert wurde, bleibt im Dunkeln. Sicher ist nur: Die SBB-Information über 2300 Lehrlinge war höchst verwirrlich. Und sie stellt die Situation positiver dar, als sie ist.

Das passt zu Meyers Auftritt, der generalstabsmässig geplant wurde. Es kann kein Zufall sein, dass der SBB-Chef gestern Abend im «Samschtig-Jass» vor SRF-Kameras Volksnähe beweisen durfte. Schliesslich wurde die Sendung schon vor einem Monat aufgezeichnet. Und bereits vor einem Jahr teilte Meyer öffentlich mit, dass es zum Abbau von rund 900 Stellen kommen würde.

Als daraus diese Woche plötzlich 1400 Stellen wurden, war niemand mehr überrascht. Dass Meyer damit vor allem Fett abschneidet, das die SBB unter seiner Führung angesetzt hatte, ging völlig unter. Hire and fire? Hire and Meyer!

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