«Ich habe so viel investiert, das kann es nicht gewesen sein»
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Gipser verzweifelt:«Das kann es nicht gewesen sein»

Er forderte über 380'000 Franken Härtefallhilfe – sie blieb ihm verwehrt
Gipser Marko Lukic (38) steht vor dem Konkurs

Vor der Pandemie beschäftigte Gipser Marko Lukic über ein Dutzend Personen. Mittlerweile türmen sich die unbezahlten Rechnungen. Es ist ein Fall von vielen. Und der Kanton spielt eine unrühmliche Rolle.
Publiziert: 21.09.2021 um 01:21 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2021 um 09:12 Uhr
Marc Iseli

Auf dem Tisch von Marko Lukic* (38) stapeln sich die unbezahlten Rechnungen. 200'000 Franken sind offen. Eine Riesensumme für einen Gipserbetrieb. Existenzbedrohend. Nach über einem Jahr Pandemie sind die Kassen leer.

Lukic steht vor dem Konkurs. Er ist wütend, zuweilen ratlos. Vor der Pandemie lief sein Geschäft gut. «17 Leute arbeiteten bei mir», sagt er. Lukic hatte einst Aufträge an Prestige-Adressen im Grossraum Zürich, jetzt bittet er um Anonymität. Nur noch sieben Angestellte arbeiten für ihn, mehr als die Hälfte ist in Kurzarbeit. Der Umsatz ist um über 60 Prozent gesunken.

Vielen Firmen in der Schweiz geht es ähnlich. Gewisse erhalten eine Entschädigung vom Staat. Lukic nicht. Sein Antrag auf Härtefallhilfe wurde mit einem einzigen Satz abgeschmettert. Ohne Rückfrage, ohne Möglichkeit zur Stellungnahme. Der Umsatzrückgang stünde nicht in Zusammenhang mit den behördlich angeordneten Massnahmen, heisst es in der Verfügung, die Blick vorliegt.

Gipser Marko Lukic: Einst beschäftigte er 15 Leute, heute sind es noch 6.
Foto: Thomas Meier
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Unsicherheit bei den Kunden

«Das ist nicht richtig», sagt Daniel Gisin auf Anfrage. Er ist der Treuhänder von Lukic. Gisin kennt das Zahlengerüst und die finanzielle Not des Handwerkers. «Die zweite Welle hat die Firma hart getroffen», sagt er. «Viele Aufträge wurden kurzfristig abgesagt, es kamen nur noch wenige neue rein.»

Grössere und kleinere Kunden hätten zugewartet, wie sich die Situation entwickelt, so Gisin. «Niemand wusste, ob ein Lockdown kommt, wie er aussieht, wie lange er anhalten wird, was das für die Finanzen heisst und ob am Ende des Lockdowns noch etwas übrig bleibt.» Lukic spürte diese Zurückhaltung direkt im Portemonnaie.

Zusätzlich zur Unsicherheit bei den Kunden kam es zu Verzögerungen bei laufenden Projekten. Auf den Baustellen fehlte Material. Neue Sicherheitsmassnahmen und Pandemievorschriften lähmten den Betrieb. Gipser Lukic musste abermals zuwarten. Er kommt erst dann zum Zug, wenn das Fundament gegossen, die Mauer hochgezogen, die Leitungen verteilt und der Lift eingebaut sind.

Rekursflut beim Kanton

In der Summe war das ein Giftcocktail. Ein möglicherweise ruinöser Mix. «Wenn alle Kreditoren kämen, könnte er es nicht zahlen», sagt Gisin. Ihm stösst es sauer auf, wie sich der Kanton in der Krise verhält. Unmöglich findet er, dass der Rekurs gegen den Entscheid der Zürcher Finanzdirektion seit Monaten offen ist. «Müssen die Betriebe nun leiden, weil die Behörden die Einsprachen nicht bewältigen können?», fragt er.

Tatsächlich wird der Kanton geflutet mit Einsprachen. Gegen 800 Rekurse sind aktuell offen, wie ein Sprecher der Staatskanzlei auf Blick-Anfrage bekannt gibt. 1200 kamen gesamthaft rein. Nur ein Drittel ist bislang erledigt.

Heisst im Klartext: Hunderte Kleinbetriebe warten auf einen Entscheid. Sie warten auf Geld. Lukic gehört dazu. Er forderte über 380'000 Franken Härtefallhilfe. So gross ist das Minus in den Büchern, akkumuliert über Monate.

Hohe Fixkosten

Das Geld für die Kurzarbeit reichte nirgends hin. Es deckte einzig den Lohn der Angestellten. Lukic blieb auf allen anderen Kosten sitzen: Miete, Leasing, Sozialversicherung, Buchhaltung, anderes.

Die erste Corona-Welle meisterte der Gipser noch relativ gut. Die Hilfe seinerzeit: unbürokratisch und rasch. Aber die zweite Welle hat ihn an den Rand des Ruins gebracht. Treuhänder Gisin telefoniert jetzt mit diversen Gläubigern. Er bittet um Aufschub. «Ich hatte auch schon Leute von der Mehrwertsteuer und der AHV am Telefon», sagt er. «Die sagen: ‹Das ist nicht unser Problem.›»

Das ist doppelt bitter für den Gipser. Die Pandemie und die staatlichen Einschränkungen haben die Baisse zuerst verursacht. Dann verwehrt die öffentliche Hand Unterstützung, lässt sich Zeit bei Rekursen und fordert schliesslich auch noch Geld ein, ohne zu zögern, ohne Verständnis, ohne Kulanz. Lukic weiss nicht mehr weiter.

* Name geändert

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