Eltern wollen Arbeitspensen aufstocken
Ist das das Ende des Teilzeit-Booms am Arbeitsmarkt?

Schweizer Familien ächzen unter steigenden Kosten. Viele drehen jeden Franken um – oder erhöhen das Arbeitspensum, damit am Ende des Monats etwas mehr übrig bleibt. Das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial, gerade bei Müttern, ist gross.
Publiziert: 14.03.2024 um 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 14.03.2024 um 20:11 Uhr
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Des einen Leid ist des anderen Freud: Auf der einen Seite sind da die Familien, die derart unter hohen Mietpreisen und steigenden Krankenkassenprämien leiden, dass die Hälfte gemäss dem neuen Familienbarometer über höhere Arbeitspensen nachdenken muss. Auf der anderen Seite die Arbeitgeber, die bei der Suche nach qualifiziertem Personal beinahe verzweifeln – und jede Pensumerhöhung mit Freude zur Kenntnis nehmen.

«Die Möglichkeit, das Pensum aufzustocken, ist so gut wie selten zuvor», sagt Michael Siegenthaler (38). Er forscht an der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich zum Schweizer Arbeitsmarkt. «Bei vielen Firmen rennt man damit offene Türen ein.» Wer beim bisherigen Arbeitgeber nicht aufstocken kann, hat auf dem Stellenmarkt gute Chancen, einen neuen Job mit höherem Pensum zu finden.

300'000 bis 500'000 Arbeitskräfte – je nach Schätzung – werden der Schweizer Wirtschaft aufgrund des demografischen Wandels bereits in wenigen Jahren fehlen. Da sind Teilzeitler, die ihre Pensen erhöhen wollen, gerne gesehen.

Wer Kinder hat, arbeitet häufig Teilzeit. (Symbolbild)
Foto: Getty Images
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Teilzeitnation Schweiz

Die Schweiz gehört europaweit zu den Spitzenreitern punkto Teilzeitarbeit: 37 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz arbeiten laut Zahlen des Bundesamts für Statistik in einem Teilzeitpensum. Anfang der 90er-Jahre waren es noch 25 Prozent. 

Sind wir im Vergleich zu unseren Nachbarländern arbeitsfaul? Mitnichten! Dass immer mehr Menschen Teilzeit arbeiten, hängt vielmehr mit der zunehmenden Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen zusammen. Vor wenigen Jahrzehnten lautete das typische Schweizer Familienmodell noch: Vater, 100 Prozent erwerbstätig. Mutter, 0 Prozent erwerbstätig. Die Erwerbsquote der Geschlechter gleicht sich seither an.

Dabei stocken die Frauen ihre Pensen stärker auf, als die Männer sie ihrerseits reduzieren. Unter dem Strich arbeiten Paar-Haushalte heute mehr als noch vor 20 Jahren. Das gilt sowohl für Paare mit Kindern als auch für solche ohne Nachwuchs.

Dass die Arbeitspensen tendenziell steigen, hängt nicht nur mit dem Kostendruck zusammen, der auf den Familien lastet. Sondern auch mit dem steigenden Bildungsniveau: Immer mehr Frauen in der Schweiz haben einen tertiären Bildungsabschluss, also ein Uni- oder Fachhochschuldiplom. Je höher das Bildungsniveau, desto weniger werden traditionelle Familienformen gepflegt und desto grösser ist die Erwerbsbeteiligung. «Es rücken immer mehr Frauen nach, die nicht ‹nur› 40 Prozent arbeiten wollen, sondern lieber 80 Prozent», erklärt Siegenthaler von der KOF.

Es gibt allerdings weiterhin Luft nach oben bei der Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen. Knackpunkt ist die Vereinbarkeit. In der Schweiz sind die Kita-Kosten im europäischen Vergleich gemäss einer Seco-Studie hoch. Das schafft Anreize, mit tieferem Pensum zu arbeiten, statt die Kinder fremdbetreuen zu lassen – auch das förderte das Familienbarometer zutage.

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