«Einkaufstourismus gewinnt wieder rasant an Fahrt»
Schweizer stürmen wieder ins grenznahe Ausland

Betreiber von Läden und Einkaufszentren in Grenznähe reiben sich erfreut die Hände. Ihre besten Kunden sind zurück! Schweizerinnen und Schweizer füllen ihre Kühl- und Kleiderschränke wieder bei ihnen. Gerade an Wochenenden ist in Einkaufshochburgen die Hölle los.
Publiziert: 12.08.2023 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2023 um 09:19 Uhr
Robin Wegmüller, Patrik Berger

Sie füllen sich wieder, die Einkaufsstrassen und Parkhäuser in Grenznähe: Schweizerinnen und Schweizer sind definitiv zurück! Besonders an den Wochenenden ist in den Einkaufshochburgen von Konstanz, Singen, Weil am Rhein und Co. wieder die Hölle los. Viele hatten in den letzten Jahren aufs Einkaufen ennet der Grenze verzichtet. Erst wegen Corona. Und dann, weil im Ausland die Inflation höher war. Damit ist nun offenbar Schluss. Das schreibt Dagmar Jenni (55), Direktorin der Swiss Retail Federation, in einer Mitteilung.

Neuste Auswertungen der Debit- und Kredittransaktionen würden zeigen, dass die Schweizer im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahr wieder deutlich mehr im Ausland eingekauft haben. Insgesamt nahmen die Zahlungen in den Nachbarländern um 10,2 Prozent zu. Die höchsten Wachstumsbeiträge liefern Grenzkantone wie Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Genf, Jura, Neuenburg, St. Gallen und Tessin. Jenni: «Der Einkaufstourismus gewinnt wieder rasant an Fahrt.»

Bis zu 40 Prozent Schweizer

Diese Zahlen bestätigt Kitty Molnar (43), Center-Managerin des Einkaufszentrums Cano in Singen (D). «Im ersten Halbjahr ist der Anteil an Schweizer Kunden um 8 bis 10 Prozent gestiegen», sagt Molnar zu Blick. Im Parkhaus werden Autos mit Schweizer Nummernschildern speziell erfasst. Das lässt genaue Rückschlüsse darauf zu, wie hoch der Anteil an Schweizer Kunden ist. «Aktuell haben wir an den Wochenenden 40 Prozent Schweizer bei uns», weiss sie deshalb.

Schweizer zieht es wieder vermehrt nach Deutschland, zum Beispiel wie hier im Bild nach Konstanz am Bodensee. (Archivbild)
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Mit ein Grund für die wieder erwachte Einkaufslust im Ausland: Der Euro hat in diesem Jahr gegenüber dem Franken bereits über drei Prozent eingebüsst. Derzeit liegt er bei etwas über 96 Rappen. Damit macht Einkaufen, Essen und Ausgehen im Euro-Raum in den Sommerferien noch ein wenig mehr Freude. UBS-Experten rechnen bis Ende Jahr mit einem Kurs von 97 Rappen und von 98 Rappen bis Juni im kommenden Jahr.

Auch Andreas Thielemeier (63), Center-Manager des Dreiländergalerie-Einkaufszentrums in Weil am Rhein (D) spürt den Aufschwung: «Der Trend geht wieder eindeutig in Richtung Einkaufen in Deutschland.» Man komme über kurz oder lang wieder dorthin, wo das Einkaufen in Deutschland vor der Pandemie war. «Auch weil viele Schweizer mit der Teuerung wieder mehr aufs Geld schauen müssen», so Thielemeier weiter.

8,5 Milliarden Franken ins Ausland

Dass wieder mehr Schweizer ihren Wochenendeinkauf im Ausland erledigen, schlägt dem Detailhandel in den Schweizer Grenzregionen auf den Magen. Durch den Einkaufstourismus fliessen jährlich gut 8,5 Milliarden Schweizer Franken ins Ausland ab. Die Auswirkungen des Einkaufstourismus auf den Handel sind laut dem Schweizer Detailhandelsverband Swiss Retail Federation immens. «Gerade in den Grenzkantonen ist es für den Detailhandel von existenzieller Bedeutung, dass er gegenüber dem grenznahen Ausland wettbewerbsfähig bleibt», so Jenni.

Dabei denkt Jenni vor allem an den Freibetrag von 300 Franken, für den man seine Einkäufe zollfrei einführen darf. Und dann die ausländische Mehrwertsteuer zurückfordern kann. Für sie ist klar: «Der Gesetzgeber begünstigt den Einkaufstourismus mit falschen Anreizen zusätzlich». Ihr Verband fordert deshalb, die Wertfreigrenze auf 50 Franken zu senken.


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