Foto: PHILIPPE ROSSIER

Ein Kinderspielzeug soll Stauproblem in den Städten lösen
Trottis bedrängen Velos

In grösseren Städten kann man sich ganz einfach ein Velo leihen. Millionen werden in ein funktionierendes System investiert. Bloss: Die Zukunft gehört den Elektro-Trotti.
Publiziert: 12.11.2018 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2018 um 21:37 Uhr
Patrik Berger

Kaum auf dem Markt, gehören sie schon wieder zum alten Eisen, die meist grell lackierten und irgendwo wild abgestellten Leihvelos. Pionier Obike ist bereits pleite. Verdrängt vom Start-up Limebike, das mit grosser Kelle anrührt. Mit Geld von Investoren wie Uber will es Schweizer Städte erobern. Auch Smide gibt tüchtig Gas. In Zürich und Bern bietet die Firma 250 bis zu 45 km/h schnelle und 8000 Franken teure Bikes an, die ein gelbes Nummernschuld haben und auf denen man einen Helm tragen muss.

Längst sind es aber nicht mehr nur ausländische Firmen, sondern auch Schweizer Unternehmen wie die Post, die viel Geld investieren. So sprach die Postauto-Tochter Publibike acht Millionen Franken, um in Bern ein Netz mit 2400 Velos aufzubauen. Und bis 2019 sind in Zürich 2250 Velos geplant –an 150 Stationen. Denn die Publibikes muss man nach Gebrauch wieder an einer fixen Station zurückgeben. Auch die SBB sind auf den Zug mit Leihvelos aufgesprungen, allerdings nicht in Eigenregie: Die Bahn bietet an 80 Bahnhöfen Mietvelos von Rent a Bike an.

Die Schweiz rollt schon seit 1994

Nicht nur ausländische Anbieter, Postauto und Co. sind auf dem Markt mit Leihvelos präsent. 1994 eröffnete in Zürich die auch erste Station von «Züri rollt». Langzeitarbeitslose, Asylsuchende und Flüchtlinge kümmern sich um die Vermietung und den Service der Velos. Das Projekt hat sich bewährt. Heute kann man sich unter dem Namen «Schweiz rollt» auch in La Chaux-de-Fonds NE, Le Locle NE, Neuenburg, Genf und im Wallis Velos ausleihen. 1000 Fahrräder stehen parat. In der letzten Saison wurden sie über 110’000-mal ausgeliehen. Vorrangiges Ziel der Organisation ist es, dass die Angestellten wieder einen Job im ersten Arbeitsmarkt finden.

Nicht nur ausländische Anbieter, Postauto und Co. sind auf dem Markt mit Leihvelos präsent. 1994 eröffnete in Zürich die auch erste Station von «Züri rollt». Langzeitarbeitslose, Asylsuchende und Flüchtlinge kümmern sich um die Vermietung und den Service der Velos. Das Projekt hat sich bewährt. Heute kann man sich unter dem Namen «Schweiz rollt» auch in La Chaux-de-Fonds NE, Le Locle NE, Neuenburg, Genf und im Wallis Velos ausleihen. 1000 Fahrräder stehen parat. In der letzten Saison wurden sie über 110’000-mal ausgeliehen. Vorrangiges Ziel der Organisation ist es, dass die Angestellten wieder einen Job im ersten Arbeitsmarkt finden.

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Die nächste Revolution rollt an!

Bloss: Während die meisten Anbieter weiter auf Leihvelos setzen, rollt schon die nächste Revolution heran – die Elektro-Trotti! Im April landete Lime mit seinen Scootern einen veritablen Coup. Ein Test mit 100 E-Trotti verlief so gut, dass die Flotte im Sommer verdoppelt und durch modernere Modelle eingetauscht wurde. «In Basel sind es im Moment 50 Stück. Wir wollen aber bis auf 200 Scooters wachsen», sagt Europa-Chef Estuardo Escobar (28) zu BLICK.

Ideal für kurze Strecken: Jugendliche machen in Zürich ein Fährtli mit einem E-Trotti von Lime.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
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Für Mobilitätsexperte Emmanuel Ravalet (38) von der Uni Lausanne ist klar: «Trottinette haben im Vergleich zu Velos mehrere Vorteile. Sie sind günstiger, leichter und wendiger. Sie brauchen auch weniger Platz im öffentlichen Raum, wenn sie nicht benutzt werden.» Zudem sei es weniger gefährlich, mit dem Trotti unterwegs zu sein als mit einem Mietvelo. Vor allem auf dem letzten Kilometer sei man in städtischen Gebieten mit E-Trottinetten bedeutend schneller unterwegs als zu Fuss.

Mit einem Franken ist man dabei

Die Preise der E-Trotti von Like und Bird sind auch für mässig begabte Rechenkünstler locker zu verstehen. Ein Franken ist der Grundpreis für das Freischalten mit der App via QR-Code. Dann tickt die Uhr, bis das Trotti abgestellt wird und sich der Fahrer ausloggt. Jede Minute schlägt mit 30 Rappen zu Buche.

Komplizierter wird das Ganze bei den Mietvelos. Lime-Bikes kosten einen Franken die halbe Stunde. Die Velos der Postauto-Tochter Publibike gibt es für Spontan- und Vielnutzer. Allen Angeboten ist gemeinsam: Ein normales Velo kostet höchstens 20 Franken für 24 Stunden, ein E-Bike 40 Franken. Bei den edlen, schnellen Bikes von Smide sitzt man für fünf Franken während 20 Minuten auf dem Sattel. Verschiedene Anbieter machen aber auch Pauschalangebote. Da lohnt sich ein Vergleich, denn Laien verlieren leicht den Überblick.

Abgerechnet wird über die Kreditkarte, die auf der App hinterlegt ist. Darauf finden sich auch die nächstgelegenen Trotti und die Standorte, wo noch Velos frei sind.

Die Preise der E-Trotti von Like und Bird sind auch für mässig begabte Rechenkünstler locker zu verstehen. Ein Franken ist der Grundpreis für das Freischalten mit der App via QR-Code. Dann tickt die Uhr, bis das Trotti abgestellt wird und sich der Fahrer ausloggt. Jede Minute schlägt mit 30 Rappen zu Buche.

Komplizierter wird das Ganze bei den Mietvelos. Lime-Bikes kosten einen Franken die halbe Stunde. Die Velos der Postauto-Tochter Publibike gibt es für Spontan- und Vielnutzer. Allen Angeboten ist gemeinsam: Ein normales Velo kostet höchstens 20 Franken für 24 Stunden, ein E-Bike 40 Franken. Bei den edlen, schnellen Bikes von Smide sitzt man für fünf Franken während 20 Minuten auf dem Sattel. Verschiedene Anbieter machen aber auch Pauschalangebote. Da lohnt sich ein Vergleich, denn Laien verlieren leicht den Überblick.

Abgerechnet wird über die Kreditkarte, die auf der App hinterlegt ist. Darauf finden sich auch die nächstgelegenen Trotti und die Standorte, wo noch Velos frei sind.

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Trotti-Erfolg lockt Konkurrenz an

Dass die Schweizer verrückt sind nach den wendigen Elektroflitzern, ist auch der Konkurrenz nicht entgangen. So erstaunt es nicht, dass im Oktober die US-Firma Bird die ersten 60 E-Trottinette in Zürich aufgestellt hat. Auch Bird will wachsen. Aber nicht auf Teufel komm raus. «Erst wenn jedes der 60 Trotti mindestens drei Mal pro Tag gebucht wird, stocken wir die Flotte auf», sagt Schweiz-Chef Christian Gessner (45). 

Die E-Trotti sind aber in der Sharing-Branche umstritten. Smide-Gründer Raoul Stöckle (44), der die bis zu 45 km/h schnellen Bikes anbietet, hält wenig von E-Trottinetten: «Die Schweizer Strassen sind ungeeignet für die E-Trottinette mit ihren kleinen Rädern. Diese passen weder auf die Strasse noch aufs Trottoir und sind in der heutigen Form schlicht zu gefährlich.»

Darum ging Obike die Luft aus

Eines Morgens standen sie einfach da, mitten in der Stadt Zürich: Rund 600 gelb-silbrige Leihvelos hatte das Unternehmen aus Singapur an verschiedenen zentralen Punkten stationiert. Kaum ein Jahr später sind sie wieder verschwunden. Der Firma, die zu Beginn aggressiv aufgetreten ist, ging das Geld aus. Die Stadt musste die Velos mühsam zusammensammeln lassen. Orten liessen sie sich nicht mehr. Das Ortungssystem ging von einem Tag auf den anderen offline. Gescheitert ist Obike an der lausigen Qualität der Velos, die nicht einmal über eine Gangschaltung verfügten. Auch die ehemaligen Benutzer sind sauer: Sie müssen sich die Kaution von 129 Franken wohl ans Bein streichen. Die eingesammelten Bikes wurden je nach Zustand verkauft oder verschrottet.

Eines Morgens standen sie einfach da, mitten in der Stadt Zürich: Rund 600 gelb-silbrige Leihvelos hatte das Unternehmen aus Singapur an verschiedenen zentralen Punkten stationiert. Kaum ein Jahr später sind sie wieder verschwunden. Der Firma, die zu Beginn aggressiv aufgetreten ist, ging das Geld aus. Die Stadt musste die Velos mühsam zusammensammeln lassen. Orten liessen sie sich nicht mehr. Das Ortungssystem ging von einem Tag auf den anderen offline. Gescheitert ist Obike an der lausigen Qualität der Velos, die nicht einmal über eine Gangschaltung verfügten. Auch die ehemaligen Benutzer sind sauer: Sie müssen sich die Kaution von 129 Franken wohl ans Bein streichen. Die eingesammelten Bikes wurden je nach Zustand verkauft oder verschrottet.

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«Bikesharing wird weiter wachsen»

Auch Valérie Sauter, Projektverantwortliche Bikesharing bei Pro Velo, verteidigt das E-Bike. «Bikesharing wird weiter wachsen. Ich sehe noch einige Städte mit Potenzial», so Sauter. Die Zusammenarbeit mit Grossfirmen könne dem Ganzen zusätzlichen Schub verleihen – und auch der technische Fortschritt. «In 20 Jahren werden wir wohl mit einer einzigen App Zugriff auf verschiedene Transportmittel haben wie Velo, E-Scooter, Auto, Taxi oder auch Velostationen», glaubt die Expertin.

Der Schweizer Elektro-Scooter flitzt ganz legal
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