Die wichtigsten Fragen zu «Panama Papers»
Ist es nur ein Aufreger oder illegal?

Drei Jahre nach Offshore-Leaks kommt ein noch grösserer Fall ans Licht: Ein Überblick über die wichtigsten Fragen zu den «Panama-Papers», die ein internationales Recherchenetzwerk publik gemacht hat.
Publiziert: 04.04.2016 um 11:34 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:06 Uhr
Bastian Heiniger und Ulrich Rotzinger

Offshore-Leaks ist erst drei Jahre her. Jetzt wird ein noch grösserer Fall publik dank einem internationalen Recherchenetzwerk: Hunderte Politiker, Staatschefs und auch Sportler sind als Besitzer von Briefkastenfirmen in Panama enttarnt worden. Die «Panama Papers» zeigen, wie die Präsidenten von Syrien und Argentinien bis zum Premierminister von Island weltweit ihre Vermögen verschleiern.

Warum ist die Enthüllung so spektakulär?

Das Datenleck zeigt die bisher verborgenen Geschäfte von 214'000 Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen in weltweit 21 Steueroasen. Dazu gehören fünf amtierende und sieben frühere Staatschefs – etwa der amtierende Präsident Islands. Aber auch 61 Familienmitglieder, enge Freunde und Personen aus dem Umfeld von amtierenden und ehemaligen Staatsoberhäuptern. 

Allein in der Schweiz werden 49'000 Briefkastenfirmen betrieben.
Foto: URS FLUEELER

Zudem sind auch über 100 Minister, hohe Beamte und Chefs von Staatsbetrieben dabei, die eigentlich der Transparenz verpflichtet wären. Betroffen sind etwa der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, sein argentinischer Kollege Mauricio Macri sowie König Salman von Saudi-Arabien. Auch Verwandte amtierender Staatschefs tauchen auf der Liste auf, so im Falle des chinesischen Präsidenten Xi Jinping oder des britischen Premierministers David Cameron.

Wie funktioniert das Briefkasten-System?

Die Person A wohnt eigentlichen in Deutschland. Weil sie Steuern sparen will, möchte sie in einer Steueroase, zum Beispiel Malta, eine Briefkastenfirma gründen. Wenn nicht bekannt werden soll, wem das Geld gehört, geht Person A zu einem Anwalt, Treuhänder oder Banker und übergibt ihm ein Mandat. Der eingesetzte Strohmann eröffnet und führt nun in Malta eine Briefkastenfirma. Person A verschiebt sein Geld und bezahlt dafür seine Steuern in Malta. Dank des Strohmanns bleibt die Identität des wirklichen Eigentümers der Briefkastenfirma verborgen. 

Was ist der tatsächliche Nutzen für die Reichen und Mächtigen der Welt?

Mittels Briefkastenfirmen entsteht ein komplexes Unternehmenskonstrukt, das durch Finanzämter kaum zu überschauen und zu kontrollieren ist. Die Besitzer können so ungeschoren Steuern hinterziehen. Und Firmen können dadurch ihre Haftung umgehen. Sie ermöglichen aber auch die Geschäfte von Kriegstreibern. Etwa Rami Mahklouf, Cousin des syrischen Machthabers Bashar al-Assads und Financier des Folterregimes. Dank Briefkastenfirmen blieb er weiterhin im Geschäft, auch als er bereits auf der Sanktionsliste stand. Eine der Offshorefirmen liefert beispielsweise Treibstoff für Flugzeuge, mit denen die syrische Regierung das eigene Land bombardiert. 

Sind Offshore-Konten illegal?

Nein. Allein in der Schweiz gibt es rund 49'000 Briefkastenfirmen. Diese üben aber wenig bis keine Tätigkeit aus. Die Gewinne verschieben sie vom Ausland in die Schweiz, wo sie Steuern zu einem Vorzugstarif bezahlen. Schweizer Vermögensverwalter betonen, solche Firmen dienten vor allem dem Schutz von seriösen Kunden und ihrem legitimen Vermögen. Die Recherche-Netzwerke betonen, es gebe viele legale Optionen für einen Einsatz von Offshore-Firmen, Trusts und Stiftungen. Die «Süddeutsche» schreibt, «dass es in der überwältigen Zahl der Fälle vor allem um eines geht: die Verschleierung der wahren Inhaber der Firmen.» 

Kann jedermann ein Offshore-Konto eröffnen?

Ja. Eine Briefkastenfirma zu gründen, ist so einfach wie Online-Shopping. Das zeigen zahlreiche Tests von Journalisten im Internet. Demnach gelangt man ganz einfach über eine Google-Suche zu hilfsbereiten Dienstleistern für die Gründung einer Offshore-Firma. Die Websites sind aufgebaut wie Shops à la Amazon oder Zalando. Gründer von Briefkastenfirmen buchen dort ein Grundangebot und können verschiedene Zusatzleistungen dazukaufen. Die Grundkosten belaufen sich teilweise auf schlappe 600 Euro. Eine Voraussetzung ist häufig die Eröffnung eines anonym geführten Bankkontos. Auch das ist gegen einen bescheidenen Preis bei einer willigen Bank möglich. Gegen einen Aufpreis bieten die Portale Strohmänner an, die für die Firma Direktor spielen. Die Zusatzdienste gehen hin bis zu einem extra angefertigten Firmenschild, die Einrichtung eines Anrufbeantworters oder die Bereitstellung einer Sekretärin, die im Namen des Gründers Anrufe entgegennimmt. Gründungsanträge folgen nach wenigen Tagen per Post. Sind sie einmal unterschrieben zurückgeschickt, flattert nach wenigen Tagen die Gründungsurkunde per Kurier ins Haus.

Als Vermittler werden Banken in der Schweiz wie UBS, CS, HSBC und Gazprombank genannt. Was sagen sie zu den Enthüllungen?

Auf Anfragen von BLICK haben die Grossbanken Credit Suisse und UBS sowie die Gazprombank nicht reagiert. Die CS und die UBS lassen aber über die Agenturen verlauten: Sie hielten sich an die Gesetze und Regulierungen. Die UBS betont: «Wir haben keinerlei Interesse an Geldern, die nicht versteuert sind oder aus illegaler Herkunft stammen.»
Und für die Credit Suisse sei es «von entscheidender Bedeutung, dass ihre Kunden Vermögensstrukturen ausschliesslich für zulässige Zwecke nutzen, z. Bsp. zur Organisation des Vermögens von Familien, die über ein breites Spektrum von Finanzanlagen in verschiedenen Ländern verfügen.»

HSBC-Sprecher Michael Spiess sagt gegenüber BLICK: «Die Anschuldigungen beziehen sich auf die Vergangenheit, auf die Zeit vor der bedeutenden Reformen welche wir im Laufe der letzten Jahre vollzogen haben.» 

Die Finanzmarktaufsicht Finma muss sich bereits Untätigkeit vorwerfen lassen.

Gegenüber BLICK schreibt die Finma, dass sie die Medienberichte zum Datenleck zur Kenntnis nähme. Einen inhaltlichen Kommentar will sie aber nicht abgeben. Generell aber sei «der Umgang mit Risiken im grenzüberschreitenden Geschäft sowie die Einhaltung der Geldwäschereibestimmungen Schwerpunkte unserer Aufsichtstätigkeit». Sitzgesellschaften seien dabei ein bekannter Risikofaktor.

Was wird die Finma nun unternehmen?

Sie will abklären, inwiefern auch Schweizer Banken die Dienstleistungen der Kanzlei Mossack Fonseca benutzt und dabei Schweizer Bestimmungen verletzt hätten. Der Fokus der Finma liegt darauf, dass die Banken einen angemessenen präventiven Kontrollprozess einführen und anwenden. «Erkennen wir hier Schwächen, sind diese zu beheben und können ein Enforcement-Verfahren zur Folge haben», sagt Finma-Sprecher Tobias Lux zu BLICK.

Was wird in den kommenden Wochen und Monaten noch alles ans Licht kommen?

Die bisher veröffentlichte Enthüllung ist nur die Spitze des Eisbergs. Die «Süddeutsche Zeitung» und andere Zeitungen haben weitere Berichte angekündigt. 

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