«Die Grenzen müssen offen bleiben!»
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Interpharma-Chef Buholzer:«Die Grenzen müssen offen bleiben!»

Die Pharma-Industrie arbeitet auf Hochtouren. René Buholzer (52), Chef des Branchenverbands, fordert
«Die Grenzen müssen offen bleiben!»

Die Schweizer Pharmabranche kämpft an vorderster Front gegen das Coronavirus. René Buholzer, Chef von Interpharma, erklärt, welche Medikamente Hoffnung machen, wann ein Impfstoff kommt und wie das Virus die Branche verändert.
Publiziert: 15.04.2020 um 23:16 Uhr
|
Aktualisiert: 12.05.2020 um 18:13 Uhr
Christian Kolbe

René Buholzer (52) ist Geschäftsführer von Interpharma. Der mächtige Branchenverband vertritt die Interessen der forschenden pharmazeutischen Industrie. Von seinem Arbeitszimmer aus hätte Buholzer einen wunderbaren Blick über den Zürichsee, doch bleibt dafür keine Zeit. Die Arbeitstage sind lang, denn Pharma ist eine der Schlüsselbranchen im Kampf gegen das Coronavirus. Deshalb wird Buholzer auch zu Sitzungen des Krisenstabs des Bundesrates eingeladen.

BLICK: Gibt es in der Pharmaindustrie Kurzarbeit?
René Buholzer
: Nein, die Produktion läuft auf Hochtouren. Die Pharmaindustrie ist Teil der kritischen Infrastruktur. Den Pharmamitarbeitenden ist der Grenzübertritt gestattet. Die Nachfrage nach Medikamenten ist stark angestiegen.

Wer macht denn Hamsterkäufe bei Medikamenten?
Alle! Wenn man konkret nachfragt, dann ist es niemand gewesen. Viele Apotheken, Ärzte und Spitäler wollen noch schnell ihre Lager füllen. Das macht sonst nur die Industrie in den Pflichtlagern. Alle zu beliefern, das ist eine grosse Herausforderung.

René Buholzer, Geschäftsführer von Interpharma, im Gespräch mit BLICK und Blick TV.
Foto: Selina Berner
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Gibt es noch Engpässe bei Medikamenten?
Es ist uns gelungen, übermässiger Vorratshaltung und Hortung entgegenzuwirken. Gerade bei den patentgeschützten Medikamenten gibt es fast keine Engpässe.

Spitäler und Ärzte haben Kurzarbeit angemeldet, Operationen werden verschoben. Braucht es die patentgeschützten Medikamente von Big Pharma im Moment noch?
Absolut. Chronisch Kranke oder Krebspatienten sind mit dem Virus nicht einfach verschwunden. Deshalb ist der Bedarf nach spezialisierten Medikamenten nach wie vor gross. Zudem stehen einige dieser Medikamente auf der Liste der Kandidaten, die gegen das Coronavirus wirken könnten.

Zum Beispiel?
Es gibt zwei Gruppen von Hoffnungsträgern. Einerseits Medikamente, die die Vermehrung von Viren hemmen. Hydroxychloroquin, das von Novartis und anderen Firmen angeboten wird, bzw. Resochin von Bayer mit dem Wirkstoff Chloroquin, beides uralte Malariamedikamente, sind in dieser Gruppe vielversprechend. Die zweite Gruppe sind sogenannte Immunmodulatoren. Also Medikamente, die gewisse Abwehrreflexe des Körpers hemmen, weil diese mehr schaden als nützen. Hier gehört Actemra von Roche zu den aussichtsreichsten Kandidaten. Ausserdem startet Novartis nach ersten positiven Hinweisen auf die Wirksamkeit von Ruxolitinib in Kürze eine Phase-III-Studie mit diesem Wirkstoff.

Wenn Actembra den Durchbruch bringt, wie schnell lässt sich die Produktion hochfahren?
Falls die klinischen Studien erfolgreich sind, dürfte die Nachfrage explodieren. Roche arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, die Produktion dieses Mittels für den Erfolgsfall hochzufahren.

Wie kann die Branche verhindern, dass jedes Land für sich schaut?
Wir fordern von der Politik – national wie international –, dass die Grenzen offen bleiben. Der Austausch von Waren und Gütern muss garantiert sein. Das Schlimmste wäre ein Aufflammen des Protektionismus, dann würden Lieferketten unterbrochen.

Mit welchen Folgen?
Die Testmaschine von Roche zeigt exemplarisch, wie schlecht das wäre: Die Maschine kommt aus der Schweiz, die Tests aus den USA und das Verbrauchsmaterial aus Deutschland. Geschlossene Grenzen würden Tests mit dieser Maschine verunmöglichen.

Gibt es weitere Hoffnungsträger aus der Schweiz?
Ja, es gibt viele. Humabs BioMed aus Bellinzona zum Beispiel. Die Tessiner Firma gehört zu einem US-Konzern, der eben eine Kooperation mit GlaxoSmithKline vereinbart hat und führend bei der Entwicklung von Antikörpern ist. Vielversprechend ist auch der Ansatz der US-Firma Johnson & Johnson. Diese möchte bereits im September Tests mit einem Impfstoffkandidaten durchführen. Massgeblich daran beteiligt ist eine Tochtergesellschaft im Kanton Bern. Aber vor Anfang 2021 wird es kaum einen Impfstoff geben.

Kann die Schweiz genügend Impfstoff für sich produzieren?
Ob beim Johnson & Johnson-Standort in Bern auch Impfstoffe über die klinischen Studien hinaus produziert werden können, ist zurzeit offen. Es gibt in der Schweiz aktuell keinen grösseren industriellen Impfstoff-Produktionsstandort. Sobald aber ein Impfstoff, von welcher Firma auch immer, zugelassen vorliegt, gibt es in der Schweiz durchaus Firmen, zum Beispiel Lonza, welche in der Lage sind, den Impfstoff in der Schweiz bis zu einem gewissen Umfang zu produzieren. Aber das Impfstoff-Problem in Entwicklung und Produktion können wir nur global lösen.

In der Corona-Krise fehlen bewährte Medikamente wie Antibiotika. Hat die Pharmabranche mit der Spezialisierung aufs falsche Pferd gesetzt?
Trotz der Corona-Pandemie sterben täglich Leute an Krebs. Spezialisierte Medikamente braucht es weiterhin, das ist im Moment einfach etwas aus dem Fokus geraten. Die ganze Pharmaindustrie nun auf den Kopf zu stellen und nur noch die Grundversorgung zu gewährleisten, das wäre der falsche Ansatz.

Was wäre der richtige?
Im Bereich Wirkstoffe und Grundstoffe für Medikamente müssen wir uns wieder breiter aufstellen. In den Industrieländern haben Firmen die Lagerhaltung stark reduziert, beschaffen sich Wirkstoffe erst dann, wenn sie diese wirklich brauchen. Es braucht wieder mehr Vorratshaltung, aber das hat seinen Preis.

Welchen Einfluss hat das Virus auf das Gesundheitswesen?
Im Moment konzentrieren wir uns auf das absolut Notwendige. Nicht dringende Eingriffe werden auf später verschoben, erweisen sich vielleicht sogar als unnötig. Daraus gilt es die richtigen Lehren zu ziehen. Zudem braucht es einen Digitalisierungsschub im Gesundheitswesen. Es kann doch nicht sein, dass Zahlen zu Corona-Fällen im Jahr 2020 per Fax übermittelt werden!

Ab dem 26. April will der Bundesrat den Lockdown schrittweise lockern. Der richtige Ansatz?
Ja. Aber solange wir keinen Impfstoff haben, stehen uns schwierige Monate bevor. Die Gefahr einer zweiten Welle schwebt über jeder Massnahme der Lockerung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass nach zwei Monaten alles vorbei ist und das Leben so weitergeht, wie es vorher war. Wir müssen uns auf eine neue Realität einstellen. Ohne Impfstoff oder wirksame Medikamente gibt es keine Rückkehr zur Normalität.

Ex-Banker an der Spitze der Pharmabranche

René Buholzer (52) leitet seit September 2017 als Geschäftsführer Interpharma, den Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen in der Schweiz. Zum Verband gehören 23 Unternehmen, die jedes Jahr Medikamente im Wert von beinahe 90 Milliarden Franken exportieren. Vor seiner Zeit bei Big Pharma arbeitete Buholzer bei der Hochfinanz, war bei der Credit Suisse für politische Vernetzung und Nachhaltigkeit zuständig. Der Zürcher mit Innerschweizer Wurzeln hat an der HSG studiert, wohnt mit Frau und Sohn am Zürichsee. Sollte ihm mal trotz Corona-Krise Zeit bleiben, greift er gerne zu einem Buch. Er liebt Hayek und Kant ebenso wie Asterix und Obelix. Christian Kolbe

René Buholzer (52) leitet seit September 2017 als Geschäftsführer Interpharma, den Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen in der Schweiz. Zum Verband gehören 23 Unternehmen, die jedes Jahr Medikamente im Wert von beinahe 90 Milliarden Franken exportieren. Vor seiner Zeit bei Big Pharma arbeitete Buholzer bei der Hochfinanz, war bei der Credit Suisse für politische Vernetzung und Nachhaltigkeit zuständig. Der Zürcher mit Innerschweizer Wurzeln hat an der HSG studiert, wohnt mit Frau und Sohn am Zürichsee. Sollte ihm mal trotz Corona-Krise Zeit bleiben, greift er gerne zu einem Buch. Er liebt Hayek und Kant ebenso wie Asterix und Obelix. Christian Kolbe

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Schutz gegen Coronavirus

Empfehlungen des Bundesamtes für Gesundheit, wie Sie sich selbst schützen können:

Hygienemassnahmen

  • Hände regelmässig mit Wasser und Seife waschen und/oder Desinfektionsmittel nutzen.
  • Nicht in Hände niesen oder husten, sondern Taschentuch oder Armbeuge nutzen. Taschentücher anschliessend sofort korrekt in geschlossenem Abfalleimer entsorgen.
  • Bei Fieber und Husten zwingend zu Hause bleiben.

Kontakt minimieren

  • Zu Hause blieben und Kontakte mit Personen möglichst minimieren. Nur in Ausnahmesituationen aus dem Haus gehen: Lebensmittel einkaufen / Arzt- oder Apothekenbesuch / Homeoffice ist für Ihre Arbeit nicht möglich / Sie müssen anderen Menschen helfen. Kontakt mit Personen vermeiden, die Atembeschwerden oder Husten haben.
  • Wichtig: Keine Begrüssungsküsschen, keine Umarmungen, kein Händeschütteln.
  • 2 Meter Abstand zu Mitmenschen halten, beispielsweise beim Anstehen oder bei Sitzungen.
  • Öffentliche Verkehrsmittel meiden und Lieferdienste nutzen.
  • Bei Symptomen (Atembeschwerden, Husten oder Fieber) nicht in die Öffentlichkeit gehen und umgehend – unbedingt zuerst telefonisch – eine Ärztin, einen Arzt oder eine Gesundheitseinrichtung kontaktieren.

Informiert bleiben

  • An die Regeln und Ansagen der Behörden halten. Infoline Coronavirus: 058 463 00 00, Info-Seite des BAG: bag-coronavirus.ch

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Kontakt minimieren

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