Der Verband des Spitalpersonals fordert:
Umkleidezeit ist Arbeitszeit!

Spitäler sollen dazu verpflichtet werden, den obligatorischen Kleiderwechsel zu vergüten. Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) bereitet eine entsprechende Klage vor.
Publiziert: 30.09.2018 um 21:55 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:13 Uhr
Thomas Schlittler

Können Sie sich ein Spital vorstellen, in dem Ärztinnen, Pfleger und Physiotherapeuten in Jeans und T-Shirts herumlaufen? Die Betreiber von Schweizer Spitälern auch nicht: Sie verpflichten ihr Personal, die Alltagskleidung vor Arbeitsbeginn gegen frisch gewaschene Spitalkleidung einzutauschen.

Dadurch sind die Angestellten gezwungen, fünf bis zehn Minuten vor Schichtbeginn in der Spital-Garderobe zu sein. Bezahlt werden sie aber erst ab der Minute, in der sie den ersten Patienten behandeln. Und am Abend endet die bezahlte Arbeitszeit exakt nach dem letzten Patienten – wirklich Feierabend ist aber erst nach dem obligatorischen Umziehen.

80 Stunden Gratisarbeit pro Jahr

Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) will das nun ändern. Unter dem Motto «Umkleiden ist Arbeitszeit!» lud er diese Woche zu einem Treffen im Unispital Zürich. Regionalsekretär Roland Brunner: «Spitäler stehlen den Angestellten Tausende von Arbeitsstunden, indem sie die Umkleidezeit nicht als Arbeitszeit anrechnen.» Brunner rechnet vor: Ein Angestellter brauche für das Umziehen in der Garderobe und den Weg auf die Station zehn Minuten. Nach dem Dienst das Ganze umgekehrt – pro Tag mache das 20 Minuten, pro Woche 100 Minuten, im Jahr rund 80 Stunden Gratisarbeit aus.

Pflege-Mitarbeiter im Spital müssen sich zweimal täglich umziehen – das zählt aber nicht als Arbeitszeit.
Foto: Keystone
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Entfacht wurde die Debatte, weil das Unispital Zürich die Kleiderabgabe automatisieren will, was bei grossen Teilen der Belegschaft auf Ablehnung stösst: Man befürchtet längere Warte- und Umkleidezeiten. Der VPOD glaubt, das Staats­sekretariat für Wirtschaft (Seco) hinter sich zu haben, das zum Thema Arbeitszeit festhält: «Falls das Umziehen für die Tätigkeit notwendig ist (interne Weisung des Betriebs, nach der Arbeitnehmende sich vor Arbeitsbeginn umziehen müssen), ist die Umkleidezeit als Arbeitszeit anzurechnen.» Seco-Empfehlung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen eine angemessene Zeitspanne bestimmen, die fürs Umziehen gutgeschrieben wird.

Spitäler schrecken vor Kosten zurück

Das Unispital Zürich jedoch will von einer Anpassung nichts wissen. Das heutige Verfahren sei im Gesundheitswesen üblich, teilt es auf Anfrage mit. Eine Umfrage bei den grössten Deutschschweizer Spitälern bestätigt: Die Kantonsspitäler Luzern und St. Gallen, das Unispital Basel sowie die Berner Inselgruppe handhaben es genau gleich. Die Berner Spitäler warnen vor einer Änderung: «Das hätte beachtliche finanzielle Auswirkungen, da in der Insel-Gruppe der grösste Teil der über 10'000 Mitarbeitenden Arbeitskleidung trägt.»

VPOD-Regionalsekretär Brunner glaubt deshalb nicht, dass die Spitäler freiwillig davon abrücken: «Wir bereiten deshalb im Kanton Zürich eine Klage vor.» Ein Erfolg vor Gericht hätte Auswirkungen für das Gesundheitspersonal in der ganzen Schweiz – möglicherweise sogar für alle Arbeitnehmenden, die sich tagtäglich am Arbeitsplatz umziehen müssen.

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