Der Schweizer Detailhandel im Krisenmodus
Preisdruck, Schliessungen, Entlassungen

Die Manor-Filiale an der Zürcher Bahnhofstrasse schliesst in wenigen Tagen. Sie ist ein Sinnbild für den rasanten Wandel im Detailhandel.
Publiziert: 25.01.2020 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2020 um 10:51 Uhr
Danny Schlumpf

Kinder spielen zwischen leeren Regalen Versteckis. Die Mutter lehnt an die Wand, vor der früher Spiel­sachen standen, der Vater blickt umher und murmelt: «Dort waren doch mal die Kugelschreiber.» Doch auch die sind weg. Im Manor an der Zürcher Bahnhof­strasse ist nicht mehr viel zu holen. Die Schnäppchenjäger waren schon da.

Der Räumungsverkauf markiert das Ende einer Ära. Nach über 35 Jahren schliesst das Traditionshaus Manor Ende Januar seine ertragreichste Filiale. Sechs Millionen Kunden haben sie jedes Jahr besucht. Im April trifft die Filiale in Bachenbülach ZH dasselbe Schicksal. Die Supermärkte in Liestal BL und Delsberg JU stehen zum Verkauf.

Das gleiche Bild bei den Migros-Tochterunternehmen. Ex Libris musste reihenweise Filialen schliessen. M-Way und Depot wurden verkauft. Der österreichische Möbelriese XXXLutz, der auch Möbel Pfister übernimmt, zieht mit seiner Discountmarke Mömax in die Räume des untergegangenen Interio. Und die Suche nach einem Käufer für das traditionsreiche Warenhaus Globus läuft auf Hochtouren.

Im Manor an der Zürcher Bahnhofstrasse ist nicht mehr viel zu holen. Die Schnäppchenjäger waren schon da.
Foto: SonntagsBlick
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Konkurrenz aus der ganzen Welt

Der Schweizer Detailhandel steckt in der Krise. Dabei gehört er mit einem Umsatzvolumen von über 90 Milliarden Franken im Jahr zu den wichtigsten Branchen des Landes. «Aber die Märkte sind gesättigt», sagt Sandra Wöhler vom Marktforschungs­institut GfK. «Es findet ein Verdrängungsprozess statt.»

Und der wird immer härter. Heute müssen sich die Händler mit Anbietern aus der ganzen Welt messen. Dazu gehören ausländische Konkurrenten wie die Food-Discounter Aldi und Lidl, welche Filialen in der Schweiz eröffnet haben. Sie graben besonders den etablierten Unternehmen Migros und Coop das Wasser ab.

Aber auch Anbieter im nahen Ausland setzen den einheimischen Geschäften zu. Denn der Einkaufstourismus zieht wieder an – wegen der Aufwertung des Frankens und der stärkeren Teuerung hierzulande. 2019 bezahlten Schweizer für einen typischen Warenkorb 48 Prozent mehr als Deutsche.

Grossverteiler mit erfolgreichen Onlineplattformen

Am stärksten wirkt sich das Onlineshopping auf den Detailhandel aus. Immer mehr Waren werden per Mausklick aus allen Ecken der Welt bestellt, was besonders die Schweizer Schuh- und Kleiderhändler zu spüren bekommen: Nach einem brutalen Einbruch um neun Prozent 2018 sanken die Umsätze 2019 weiter um satte 4,5 Prozent. Der Grund: Der deutsche Onlinehändler Zalando konnte seinen Marktanteil auf über zehn Prozent ausbauen.

Doch einfach dem ausländischen Onlinehandel die Schuld zu geben, wäre zu einfach. Denn zumindest die Grossverteiler in der Schweiz haben längst eigene Onlineplattformen eingerichtet.

Und das durchaus erfolgreich: Migros-Tochter Digitec Galaxus ist der umsatzstärkste Onlineshop der Schweiz, noch vor Zalando und Amazon. Wer den digitalen Wandel verschläft, ist weg vom Fenster. «Die Kunden wollen zu jeder Zeit an jedem Ort kaufen können», sagt Sandra Wöhlert. «Sie sind sprunghafter geworden und weniger loyal.»

Restaurants und Büros statt Detailhändler

Das Resultat: Mehr als die Hälfte der klassischen Einkaufszentren hat in den letzten zehn Jahren einen zweistelligen Umsatzrückgang hinnehmen müssen. Schliessungen und Entlassungen sind die Folge.

«Wir beobachten einen Rückgang der Versorgungsdichte im stationären Bereich», sagt Thomas Mendelin, Ökonom bei Credit Suisse. Die Auswirkungen sind bis in den Immobilienmarkt spürbar. Mendelin: «Der Leerstand bei Verkaufsflächen hat sich in den letzten Jahren markant erhöht.» Statt von Detailhändlern werden die Flächen nun von Restaurants oder Büros besetzt.

Das alles hat Folgen für die Beschäftigten: In den letzten 15 Jahren hat die Zahl der Angestellten im Detailhandel um über drei Prozent abgenommen.

Wer seinen Job behalten kann, sieht sich mit immer höheren Anforderungen an die Flexibilität und Belastbarkeit konfrontiert – bei Löhnen, die im Branchenvergleich zu den tiefsten gehören.

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