«Lieber Raclette als Fünf-Gänge-Menü»
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Gastrosuisse-Chef Beat Imhof:«Lieber Raclette als Fünf-Gänge-Menü»

Der neue Gastrosuisse-Präsident Beat Imhof über höhere Rechnungen, Trinkgelder und die Zukunft der Branche
«Ohne höhere Preise überlebt kein Beizer»

Beat Imhof ist das neue Gesicht der Schweizer Gastro-Branche. Er poltert weniger als sein Vorgänger, will aber auch eine klare Linie fahren. Im Blick-Interview verrät er Persönliches und sagt, welche Entscheide nun in der Gastronomie anstehen.
Publiziert: 13.07.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2024 um 08:39 Uhr
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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Er soll für frischen Wind in der Schweizer Gastro-Szene sorgen: Beat Imhof (52) hat vor wenigen Wochen überraschend die Wahl zum Gastrosuisse-Präsidenten gewonnen. Für sein erstes grosses Interview mit Blick lädt der Hoffnungsträger der Branche ins Casinotheater in Winterthur, dessen Geschäfte er derzeit noch führt. Den Kulturbetrieb hat Imhof mit einem neuen Konzept wieder erfolgreich zum Laufen gebracht. Jetzt macht er sich auf, dem Dachverband des Gastgewerbes mit seinen 20'000 Mitgliedern einen frischen Anstrich zu verpassen.

Blick: Herr Imhof, das Casinotheater steht mit seinen Aufführungen für Humor, Unterhaltung und Show. Was davon trifft auch auf Sie zu?
Beat Imhof: Humor wird bei mir auch grossgeschrieben. Ich lache gerne, auch immer wieder über mich selbst. Unterhaltung triff auf mich im Sinne von guten Gesprächen zu. Show passt nicht zu mir. Hier lautet meine Devise eher «Lifere – nid Lavere».

Jetzt bei Gastrosuisse treten Sie in die Fussstapfen von Casimir Platzer (62). Ihr Vorgänger war bekannt für seine angriffigen Töne, vermittelte oft ein düsteres Bild für die Zukunft des Gastgewerbes. Wie wollen Sie als Präsident auftreten?
Casimir Platzer hat sich während einer für die Branche schwierigen Zeit sicher stark exponiert. Das haben manche in den falschen Hals bekommen. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, das Image der Branche zu verbessern. Der Mensch soll im Gastgewerbe wieder im Mittelpunkt stehen.

Beat Imhof, noch Geschäftsführer im Casinotheater Winterthur, ist der neue Präsident von Gastrosuisse.
Foto: Linda Käsbohrer
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Sie werden also keine Auseinandersetzungen suchen?
Es wird weiterhin eine klare Meinung zu hören sein. Meine Aussagen sollen schon knackig sein, damit wir als Verband wahrgenommen werden und eine Rolle spielen. Aber vielleicht wird meine Handschrift ein bisschen weniger polarisierend sein.

Die neue Spitze ihres Verbandes wird als sehr konservativ wahrgenommen. Es gibt junge Gastronomen, die sich nicht wirklich repräsentiert fühlen. Sehen Sie hier Handlungsbedarf?
Ich werde allen zuhören und will alle mitnehmen. Wenn das als Dachverband nicht unser Ziel wäre, was dann? Aber das ist eine grosse Herausforderung. Wir vertreten Betriebe in der Stadt, auf dem Land und im Berggebiet. Darunter gibt es die unterschiedlichsten Konzepte von günstig bis Luxushotel, vom Kebabstand bis Gourmet-Restaurant. Ein erster wichtiger Schritt für mich ist es, mich eng mit den kantonalen Verbänden auszutauschen. Dort ist unglaublich viel Wissen vorhanden. So können wir die PS des grössten Arbeitgeberverbands der Schweiz hoffentlich besser auf den Boden bringen.

Persönlich: Beat Imhof

Beat Imhof (52) ist gelernter Koch und absolvierte eine Management-Ausbildung (Executive MBA) an der Hochschule Luzern. Seit sechs Jahren ist er Geschäftsführer im Casinotheater Winterthur unter dem Dach der Casino Theater AG um Verwaltungsratspräsident Viktor Giacobbo (72). Imhof übergibt dessen Leitung im Oktober in die Hände von Nachfolger Samuel Hauser (40), um sich aufs Präsidium von Gastrosuisse konzentrieren zu können. Bis im letzten Jahr dozierte er an der Zürcher Hochschule ZHAW und der Fachhochschule Graubünden. Imhof ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohnt in der Gemeinde Neftenbach im Kanton Zürich.

Beat Imhof (52), Präsident Gastrosuisse.
Linda Käsbohrer

Beat Imhof (52) ist gelernter Koch und absolvierte eine Management-Ausbildung (Executive MBA) an der Hochschule Luzern. Seit sechs Jahren ist er Geschäftsführer im Casinotheater Winterthur unter dem Dach der Casino Theater AG um Verwaltungsratspräsident Viktor Giacobbo (72). Imhof übergibt dessen Leitung im Oktober in die Hände von Nachfolger Samuel Hauser (40), um sich aufs Präsidium von Gastrosuisse konzentrieren zu können. Bis im letzten Jahr dozierte er an der Zürcher Hochschule ZHAW und der Fachhochschule Graubünden. Imhof ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohnt in der Gemeinde Neftenbach im Kanton Zürich.

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Wo sehen sie den grössten Handlungsbedarf?
Es gibt viele wichtige Themen. Zum Beispiel die wachsende Bürokratie, wenn es etwa um die Deklaration von Lebensmitteln geht. Dann die Diskussionen rund ums Trinkgeld. Ob es ein Lohnbestandteil ist und dafür Sozialabgaben fällig sind, wodurch die Lohnkosten weiter steigen würden. Oder auch der Kampf gegen anonyme Fake-Bewertungen. Wenn wir uns auf Themen fokussieren, wollen wir vorangehen und uns einbringen, und nicht nur wie bisher reagieren. Eine ganz wichtige Aufgabe ist es, das Image unserer Branche zu verbessern und so auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Die Schweiz stimmt im September über die Reform der beruflichen Vorsorge ab. Gerade Leute mit tieferen Einkommen würden künftig mehr Rente erhalten. In Ihrer Branche arbeiten viele Menschen Teilzeit, warum ist Gastrosuisse dagegen?
Der Verband hat die Nein-Parole lange vor meiner Wahl beschlossen. Der neugewählte Vorstand trägt diesen Entscheid mit. Aufwand und Nutzen sind in keinem Verhältnis. Die Leute zahlen mehr ein. Damit bleibt weniger im Portemonnaie und dieses Geld fehlt gerade bei Arbeitskräften mit tieferem Einkommen. Notabene dürften die Lohnabzüge bereits steigen, um die 13. AHV-Rente zu finanzieren. Die Margen der Betriebe sind mehrheitlich gering und würden mit höheren Arbeitgeberbeiträgen weiter sinken.

Müssten die Löhne im Gastgewerbe nicht steigen, damit die Branche wieder attraktiver wird?
Es gibt nicht mehr viele Angestellte in der Branche, die zum Mindestlohn angestellt werden. Oft werden diese noch für Einsteiger ohne Erfahrung gezahlt. Klar würde man den Angestellten höhere Löhne gönnen. Doch wir stecken hier in einem Spannungsfeld. Die Schweizer Gastronomie wird dafür kritisiert, dass wir zu teuer sind. Zudem sind die Löhne in den letzten Jahren auch wegen des Fachkräftemangels deutlich gestiegen. So machen die Lohnkosten in den Betrieben heute 50 Prozent der Kosten aus. Als ich vor rund 35 Jahren in der Gastronomie angefangen habe, waren die Personalkosten oft unter 40 Prozent. Mit unseren Löhnen sind wir im Vergleich mit anderen handwerklichen Berufen wettbewerbsfähig. Wer in der Gastronomie arbeitet, kann auch schnell Karriere machen und Verantwortung übernehmen.

Das Gastgewerbe leidet nach wie vor unter dem Fachkräftemangel. Lange Arbeitstage oder Arbeiten am Abend und am Wochenende schrecken viele ab. Was kann die Branche dort tun?
Die Situation hat sich zuletzt etwas entspannt. Aber klar ist es für die Betriebe wichtig, attraktive Arbeitgeber zu sein. Es gibt verschiedene Ansätze wie die 4-Tage-Woche oder ein Streichen der Zimmerstunde. Doch es gibt keine einheitliche Lösung, die für alle Betriebe funktioniert. Es gibt auch Angestellte, die während der Zimmerstunde am Nachmittag gerne ins Fitnessstudio gehen oder Erledigungen machen. Andere schätzen freie Tage unter der Woche, damit sie nicht am Wochenende bei Hochbetrieb auf die Skipiste müssen. Die Rahmenbedingungen werden oft schlechter geredet, als sie sind. Wir müssen als Branche selbstbewusst auftreten und diese Möglichkeiten positiv aufzeigen.

Was sagen Sie denjenigen, die finden, dass die Gastronomie zu teuer ist?
Wir haben eine deutlich steigende Kostenstruktur. Als Beispiel: Im Casinotheater sind die Stromkosten in den letzten zwei Jahren um jeweils 30 Prozent gestiegen und das bei gleichem Verbrauch. Wer die Preise nicht erhöht hat, hat keine Chance zu überleben. Uns ist bewusst, dass der Geldbeutel der Gäste wegen der Teuerung nicht grösser geworden ist. Als Betrieb versucht man, die Kosten zu optimieren. Aber ich bin überzeugt, dass die Gäste bei guter Leistung den Preis auch gerne zahlen. Es ist ein freier Markt und jeder Gast entscheidet selbst, ob er in ein bestimmtes Restaurant geht oder nicht. Wenn niemand mehr kommt, geht der Betrieb ein.

Auch die Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz» würde das Gastgewerbe stark treffen. Weniger Einwanderung bedeutet weniger neue Kunden.
Hierzu haben wir noch keine Position beschlossen. Wir sind eine flexible Branche und müssen uns immer wieder an neue Rahmenbedingungen anpassen. Gleichwohl sind die Personenfreizügigkeit und die damit verbundene Reisefreiheit für das Gastgewerbe und den Tourismus von grosser Bedeutung. Die Initiative riskiert eine Aufkündigung der Personenfreizügigkeit.

Mir hat ein Gastronom gesagt, den italienischen Pizzaiolo kann er für 4500 Franken pro Monat einstellen, der Schweizer kostet 6000 Franken. Sie sind stark auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Würden bei einer Annahme künftig mehr Fachkräfte fehlen und die Löhne deutlich steigen?
Die Initiative könnte sicher die Lohnkosten nach oben treiben. Eine Aufkündigung der Personenfreizügigkeit würde den Personalmangel verschärfen. Ausländerinnen und Ausländer machen 49 Prozent der Beschäftigten in unserer Branche aus. Die Marktlöhne liegen allerdings bereits weit über den Mindestlöhnen. Wenn also Leute gute Arbeit leisten, spielt die Lohnspirale nach oben schon heute.

Auch die Generation Z ist im Gastgewerbe immer wieder ein Thema. Sind die Jungen wirklich fauler?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Wir haben im Casinotheater ein junges Team und arbeiten sehr gut zusammen. Die Belastbarkeit und die Bereitschaft zu sagen, ich möchte jetzt Karriere machen oder Vollzeit arbeiten, ist im Schnitt schon geringer und es sind andere Werte wichtiger. Aber das ist eine Folge davon, dass wir aktuell einen Arbeitnehmermarkt haben. Dadurch können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wählen und mehr fordern. Zudem wird durch die wirtschaftlich angespannte Lage der Druck in den Betrieben oft höher, was sich negativ auf die Belastung auswirkt. Wenn Betriebe gute Arbeit leisten, finden sie aber nach wie vor junge Talente.

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