Der Banker Raoul Weil zwang die US-Justiz in die Knie – nun soll sein Fall verfilmt werden
«George Clooney wäre mein Favorit!»

Raoul Weil war ganz oben. Dann schlug die Justiz zu und wollte den Top-Banker zu Fall bringen. Weil ging als Sieger hervor. Ein Gespräch über das Leben im Knast, Geld und Gelassenheit.
Publiziert: 03.04.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:30 Uhr
Christine Maier

Auf den ersten Blick hat er nichts von einem Helden, wie man ihn sich gemeinhin vorstellt. Er ist zwar gross, eine beinahe imposante Erscheinung – aber sein Lächeln wirkt schüchtern, die Stimme leise. Er spricht konzentriert, dem Vis-à-vis schaut er freundlich, doch mit kritischer Distanz in die Augen.

Er ist kein Mann der grossen Gesten. Die Hände liegen während des ganzen Gesprächs ruhig auf dem Tisch. Hin und wieder gleitet sein Blick in die Ferne, dann macht Raoul Weil den Eindruck, er wäre jetzt – statt Fragen zu beantworten – lieber mit seinem Wheaten Terrier Madhu im Wald. Auf die Frage, ob er sich als Helden sieht, zögert er. Nein, eher als Winkelried, den man allerdings – er sagts mit einem Schmunzeln – «in die Speerspitzen schubsen musste».

Für viele ist der ehe­ma­lige Chef der globalen Vermögensverwaltung der UBS ein David, der gegen Goliath obsiegte: Der Schweizer Banker zwang die US-Justiz im November 2014 bei einem aufsehenerregenden Prozess in die Knie, was viele im aufgeheizten Steuerstreit zwischen der Schweiz, ihren Banken und den USA für unmöglich hielten. Besonders waghalsig war, dass er einen Deal mit dem Staatsanwalt ausschlug – obwohl bekannt war, dass das US-Justizdepartement in 95 Prozent vergleichbarer Fälle das Rennen gemacht hatte, und obwohl ein Kollege Weils ihn zuvor bei einem solchen Deal anschwärzte, um die eigene Haut zu retten.

Raoul Weil (57) sieht sich nicht als Held.
Foto: Salvatore Vinci / 13 Photo
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BLICK: Wie sah der Deal aus, Herr Weil?

Raoul Weil: Ich hätte mich selber kriminalisieren müssen. Zugeben müssen, dass ich Beihilfe zum Steuerbetrug geleistet hatte. Dafür hätte ich ein Jahr und einen Tag Knast kassiert. Das war undenkbar für mich. Ich war unschuldig! Meine Frau und ich entschieden, uns diesem Prozess zu stellen.

Raoul Weil gewann fulminant: Am 3. November 2014 verkündet der Sprecher der zwölf Geschworenen nach rekordverdächtigen 45 Minuten Beratung: «Unschuldig!» Der Basler war nach zwei Monaten Gefängnis in Bologna (I) und elf Monaten Hausarrest in den USA ein freier Mann.

Träumen Sie noch von diesem Moment?

Nein, ich staune selber, ich träume gar nie von dieser Zeit. Weder vom Gefängnis in Bologna oder Fort Lauderdale noch von den Monaten im Hausarrest in New Jersey. Manchmal kommt es mir vor, als sei das alles in einem anderen Leben passiert.

Sie wirken sehr gelassen, scheinen nicht verbittert. Auch nicht über den Verrat ehemaliger Kollegen.

Wissen Sie, wenn Sie so etwas erlebt haben, können Sie hadern und sich mit negativen Gedanken vergiften. Oder sie können sich entscheiden, darüber hinwegzukommen und das Leben zu geniessen. Das tun wir ganz bewusst, meine Frau Susanne und ich.

Sie wurden auch schon als «sanfter Riese» beschrieben. Zu Recht?

Oje (lacht), das habe ich noch nie gehört! Sagen wir es so: Es war mir schon immer wichtig, mit mir selbst in der Balance zu sein. Nur so kann ich glücklich sein.

Konnten Sie auch im Knast von Bologna gelassen sein?

Zuerst war es schwierig. Aus einem warmen Hotelbett rausgerissen zu werden und in einer winzigen Zelle mit zwei Kriminellen zu landen, ist gewöhnungsbedürftig.

Hatten Sie Angst vor den beiden?

Nein, sie waren immer anständig zu mir. Aber zu Beginn war ich schon sehr naiv. Ich kam zwei-, dreimal in Situationen, in denen es richtig gefährlich wurde. Da hatte ich plötzlich eine Klinge am Hals. Ich musste schnell lernen, mich richtig zu verhalten und mich einzufügen.

Was heisst das?

Ich war extrem vorsichtig, versuchte, nie mit jemandem alleine zu sein.

Warum wurden Sie bedroht?

Die Mithäftlinge hatten einen Bericht über mich im italienischen Fernsehen gesehen und ihn falsch verstanden. Sie meinten, ich hätte 200 Millionen US-Dollar bei einem Bankraub gestohlen. Das Geld wollten sie aus mir herauspressen. Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich ihnen mit Händen und Füssen klarmachen konnte, dass ich kein Bankräuber bin, der irgendwo einen Haufen Geld vergraben hat.

Was war das Schlimmste daran, eingesperrt zu sein – der Verlust von Freiheit und Selbstbestimmung?

Das ist natürlich gravierend, aber nicht lebensbedrohlich. Ich war mehr am Anschlag, weil ich nicht wusste, wie lange ich in Bologna bleiben würde, und weil ich gesundheitliche Probleme bekam.

Welche?

Ich war niedergeschlagen, insbesondere weil man mehrfach den gewünschten Hausarrest in Italien ablehnte. Und mir war sehr kalt. Es war Oktober, ich war nicht gut ausgerüstet, bis mir meine Frau aus der Schweiz warme Sachen brachte. Ich bekam Gichtanfälle, Probleme mit den Zähnen. Aber ich hatte Glück, weil ich keine bleibenden gesundheitlichen Schäden davontrug.

Sind Sie ein religiöser Mensch?

Ja, allerdings nicht im organisierten Sinn. Ich wurde protestantisch erzogen, hatte aber einen atheistischen Vater. Wenn Sie mich jetzt fragen, was mir am nächsten liegt, dann würde ich sagen: Durch die Zeit, die ich in Asien lebte, hat der Buddhismus ein bisschen abgefärbt.

Bedeutet das, dass Sie der Zeit im Gefängnis, dem Hausarrest in New Jersey und dem Prozess einen Sinn abgewinnen?

Das hat was. Der ganze Fall war eine Art Weckruf für mich. Ich war zuvor im Hamsterrad gefangen, ständig unterwegs, hatte keine Zeit, mal innezuhalten und mich zu fragen, was eigentlich wichtig ist.

Haben Sie heute eine Antwort?

Am Ende gibt's nichts Wichtigeres als Gesundheit, eine gute Beziehung, ein intaktes familiäres Umfeld. Freunde zu haben, die zu einem stehen, sein inneres Gleichgewicht zu finden. Alles andere ist sekundär.

In Ihrem Buch beschreiben Sie das Verhältnis zu Ihrer Ehefrau Susanne als sehr innig und liebevoll.

Das ist es auch. In solchen Extremsituationen zeigt sich schnell, wie gross die Liebe wirklich ist, was eine Beziehung aushalten kann. Viele zerbrechen. Wir hatten Glück.

Im Herbst ist bekannt geworden, dass sich auch die französische Justiz Schweizer Banken vorknöpft. Sie sollen in Paris befragt worden sein. Was ist der Stand der Dinge?

Das ist ein laufendes Verfahren, ich darf mich dazu nicht äussern.

Ihre Erlebnisse sollen verfilmt werden. Wer wäre Ihr Favorit für die Hauptrolle?

George Clooney, der ist aber finanziell ausser Reichweite (lacht).

Die renommierte Schweizer Firma C-Films, die Kas­senschlager wie «Der Verdingbub», «Der Goalie bin ig», oder «Mein Name ist Eugen» produzierte, hat sich die Rechte gesichert. Co-Geschäftsleiter Peter Reichenbach sieht dem Projekt mit Spannung entgegen. «Die zwei Monate im italienischen Knast. Auf engstem Raum mit Schwerverbrechern. Der Hausarrest in den USA, der harte Kampf mit dem Staatsanwalt vor Gericht, das fulminante Happy End – was Raoul Weil erlebte, ist ein veritabler, hoch politischer Krimi.» Weil selber sei ein «feiner Kerl», er entspreche so gar nicht dem Klischee eines Bankers.

Nachdem Sie den Best­seller «Der Fall Weil» schrieben: Werden Sie am Drehbuch mitarbeiten?

Nein, das traue ich mir nicht zu.

Was macht der ehema­lige Top-Banker Raoul Weil eigentlich heute?

Ich habe ein paar Beratungsmandate, nach wie vor im Banking und im Bereich E-Commerce, daran habe ich wirklich Freude.

Sind Sie noch mit der UBS verbunden?

Ich habe 25 Jahre für diese Bank gearbeitet, war lange im Ausland, habe Freunde gefunden. Diese Freundschaften bestehen weiter.

Wegen der Gehälter ihres Topmanagements macht die UBS wieder Schlagzeilen. CEO Sergio Ermotti bezog 2015 über 14 Millionen Franken. Haben die Banker nichts aus der Krise gelernt?

Ich kenne Herrn Ermotti nicht. Ich möchte zu diesem Thema nur Folgendes sagen: In dieser Liga spielt wie im Fussball der Markt.

Haben Sie seinerzeit als Chef der weltweiten Vermögensberatung auch in dieser Grössenordnung verdient?

Nicht in diesen Dimensionen, aber ja, ich verdiente gut damals. Doch Geld war für mich nicht der Hauptmotivator.

Welche Bedeutung hat Geld für Sie?

Es ist beruhigend, wenn man tun kann, was man gerne tut. Aber wir leben normal, meine Frau und ich. Protz und Statussymbole interessieren uns nicht. Wir hatten nie eine Segelyacht, leben in einer Mietwohnung, fahren einen Kombi, damit Mahdu hinten reinpasst.

Letzte Frage: Der Schweizer Bankenplatz steht unter Druck. Es kommt zu Personalabbau. Machen Sie sich Sorgen?

Ich bin sehr zuversichtlich. Auch wenn die Banken allenfalls noch etwas schrumpfen müssen. Die grössten Anpassungen haben wohl bereits stattgefunden. Und längerfristig wird die Qualität des Schweizer Bankenplatzes überzeugen.

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