Defekte Sonova-Implantate
Hunderte Hörbehinderte müssen noch einmal unters Messer

Pannenserie bei zwei Ohrimplantaten der Schweizer Hörgerätefirma Sonova. Obwohl es schon länger Anzeichen dafür gab, dass viele dieser Implantate Mängel aufweisen, blieben sie weiterhin auf dem Markt. Bis zu 50 Prozent der Geräte könnten betroffen sein.
Publiziert: 07.11.2021 um 22:11 Uhr

Eine Serie von Pannen betrifft Hunderte hörbehinderte Menschen, die sich eventuell ein zweites Mal operieren lassen müssen. Es handelt sich dabei um zwei Implantate der amerikanischen Firma Advanced Bionics – einem Tochterunternehmen des Schweizer Hörgeräteherstellers Sonova. Die Geräte heissen «HiRes Ultra» und «HiRes Ultra 3D», wie die «NZZ am Sonntag» berichtet.

Weltweit wurden etwa 19'000 von ihnen implantiert, fast 6000 bei Kindern. Eine solche Operation will man – vor allem bei Kindern – natürlich verhindern. Eine Reimplantation ist mit physischen und unter Umständen auch mit psychischen Folgen verbunden.

Im Deutschen Hörzentrum Hannover wurden die Probleme schon im Sommer 2019 erkannt und dem Hersteller gemeldet. Die Ausfallquote sei damals sehr gering gewesen, weshalb Sonova nicht sofort reagiert hätte. Erst ein halbes Jahr später, am 18. Februar 2020, wurden die zwei Modelle zurückgerufen.

Die besten Ergebnisse erzielt ein Cochlea-Implantat im frühen Kindesalter.
Foto: Getty Images
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Inzwischen ist aber klar: Die Zahlen sind viel höher. Das zeigt die Recherche der «NZZ am Sonntag». Advanced Bionics hat im August dieses Jahres mitgeteilt, dass weltweit 16 Prozent der Implantate Fehler aufweisen. In der Schweiz zeigen bei 89 implantierten Modelle bis heute ein Drittel Auffälligkeiten. Noch weit höher sind die Zahlen des Hörzentrums in Hannover. Bei bereits 50 Prozent der 349 Patienten traten Ausfälle auf. Und Thomas Lenarz, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und des Deutschen Hörzentrums geht davon aus, dass der Prozentsatz noch steigen wird.

Undichte Stellen führen zu Kurzschlüssen

Ein Cochlea-Implantat (CI) wird unter die Kopfhaut eingepflanzt und leitet elektrische Signale an das Gehirn weiter, die den Hörnerv in der Hörschnecke (Cochlea) stimulieren und so einen Höreindruck hervorrufen.

Laut Lenarz sind die betroffenen Implantate undicht. An der Stelle, an der das Implantat Signale an den Hörnerv übermittelt, dringt Körperflüssigkeit ein. Das führe zu Kurzschlüssen, die das Gerät beschädigen. Seit den 70er-Jahren werden CI-Implantate genutzt – meist ohne Probleme. Nicht so bei den zwei Varianten, die jetzt zurückgerufen und teilweise operativ ersetzt werden müssen.

Belastung für den Körper

«Die Operation am Kopf ist eine erneute Belastung für den Körper», sagt Dorothe Veraguth, Leitende Ärztin am Unispital Zürich, der «NZZ am Sonntag». Zudem würden Patienten für Wochen, wenn nicht Monate erneut ihre Hörfähigkeit verlieren und müssten sich wieder an das neue Implantat gewöhnen. Besonders nachteilig ist das für Kinder. «Die besten Ergebnisse erzielt ein CI, wenn es im frühen Kindesalter implantiert wird», sagt Veraguth. Kleine Kinder könnten sich sehr gut auf neuartige Sinneseindrücke einstellen. Läuft es unglücklich, verpasst ein Kind wegen eines defekten Geräts und einer nötigen Reimplantation aber wichtige Zeit.

Auch finanziell ist es eine Mehrbelastung. Die Hersteller übernehmen nämlich nur die Kosten für das neue Gerät, aber nicht zwingend für die Operation und die Nachfolgebehandlungen.

Sonova legt gegenüber der Zeitung Wert auf die Feststellung, dass die Suche nach den Ursachen der Probleme frühzeitig, in guter Zusammenarbeit und im Austausch mit dem Hörzentrum Hannover verlaufen sei. Erst im Februar 2020 sei es Advanced Bionics aber möglich gewesen, eine deutliche Zunahme der Probleme mit den Implantaten festzustellen, daraufhin erfolgte die Rücknahme. Für einige Betroffene aber teilweise zu spät. (cny)

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