«Präsident Biden ist keine Katastrophe»
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Martin Naville über Joe Biden:Was bringt der neue Präsident der Schweizer Wirtschaft?

Das sagen Politik und Wirtschaft
«Präsident Biden ist keine Katastrophe»

Wahlsieger Joe Biden kommt bei Schweizer Politikern und Wirtschaftsvertretern gut weg. Für das Alpenland wäre es aber wichtig, wenn der neue US-Präsident schnell ein Zeichen an die Schweiz senden würde.
Publiziert: 08.11.2020 um 18:59 Uhr
Ulrich Rotzinger und Daniel Ballmer

Gibts einen Biden-Boost für Schweizer Firmen in den USA? Oder geraten unsere Exporteure nach der Präsidentschaft von Donald Trump (74) in Vergessenheit? Noch weiss keiner, wer Aussen-, Finanz- und Wirtschaftsminister wird in den Vereinigten Staaten, gibt Martin Naville (74) zu bedenken. Wenn sich Joe Biden (77) in den ersten zwei Amtsjahren voll auf das eigene Land konzentrieren werde, «dann gerät die Schweiz wieder aus dem Fokus und wird zu einem kleinen Land in Europa, von dem man nicht weiss, wo es genau liegt».

Während der letzten 15 Jahre, solange ist Naville schon Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, seien die Geschäftsbeziehungen zwischen der Schweiz und den USA von Rekord zu Rekord geeilt. «Wir hatten jedes Jahr über zehn Prozent Exportwachstum nach Amerika. Die USA waren die Lokomotive für unseren Exportmarkt.» Zuletzt habe man mehr in die USA exportiert als nach Deutschland. Vor eineinhalb Jahrzehnten ging noch dreimal mehr der Exporte ins Nachbarland.

«Hatten wahnsinnig guten Kontakt»

«Ist es trotz Trump oder wegen Trump?», könne man sich nun fragen. «Ich weiss es nicht», sagt Naville. «Wir hatten in den letzten vier Jahren einen wahnsinnig guten Kontakt. Nicht unbedingt zu Donald Trump selber, der die Schweiz sehr mag. Aber zum Aussen, Finanz- und Handelsminister, die alle sehr gerne die Schweiz bereist haben.»

Martin Naville, Direktor der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, warnt, dass die Schweiz aus dem US-Fokus geraten könnte.
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Die Unsicherheit sei nun sehr gross. «Präsident Biden ist keine Katastrophe. Es hat einfach noch viele Fragezeichen.»

Welche wirtschafts- und steuerpolitischen Weichen Biden nun stellt, und welche Macht er entfalten kann, ist unklar.

Biden will massiv in grüne Energie investieren

Bekannt aber ist: Das Thema Klima steht bei Biden ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Rede war bereits von zwei Billionen Dollar Investitionen in erneuerbare Energien und in den Klimaschutz in seiner vierjährigen Amtsperiode.

Davon profitieren könnten laut Wirtschaftsexperte Naville die Elektrizitätsbranche und Unternehmen, die stark im Infrastrukturbereich tätig sind. Der Aussenhandelsexperte zählt hier den Schweizer Technologiekonzern ABB auf und den Zementriesen Lafarge-Holcim. Nur wenige Risiken sieht er für die Schweizer Pharmamultis wie Roche und Novartis – dies, wenn Biden die überdurchschnittlich hohen Medikamentenpreise in den USA grossflächig zum Thema machen würde.

Konjunkturprogramm könnte Schweiz zugutekommen

Jürg Marti (57), Direktor vom Branchenverband Swissmechanic, hofft: «Wenn Joe Biden sein geplantes Konjunkturprogramm umsetzen kann, kommt das auch der Schweizer Wirtschaft zugute. Aufträge werden generiert, zukunftsgerichtete Innovationen und Investitionen ermöglicht und Arbeitsplätze sowie Know-how gesichert.»

«Persönlich freue ich mich über den Wahlausgang», sagt Swissmem-Präsident Hans Hess (65) zu BLICK. «Ich finde es aber nicht angemessen, dass sich Swissmem zu den US-Wahlen äussert. Wir haben jeden Wahlausgang zu akzeptieren und zu respektieren.»

Trumps Abwahl sorgt bei Politik für gute Stimmung

Mehrheitlich froh zeigen sich die Schweizer Politiker über Bidens Wahl. Und noch etwas froher über Trumps Abwahl. Erleichtert zeigt sich etwa SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (32): «Jetzt kann es nur noch aufwärtsgehen!», sagt sie zu Blick TV.

Die Abwahl Trumps sei «eine grosse Erleichterung für uns alle und insbesondere die, die unter dem Faschisten besonders gelitten haben: Migrant*innen, Frauen*, Muslim*innen», doppelt SP-Nationalrätin Samira Marti (26) auf Twitter nach. So hatte sich Trump in seiner Amtszeit unter anderem nie von Rassismus und Rechtsradikalen distanzieren wollen, sondern meist nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen.

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Nun würden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den USA gestärkt, findet FDP-Nationalrätin Doris Fiala (63). Biden habe jedoch eine Riesenaufgabe vor sich: «Er muss als erstes Amerika einen.»

Auch wenn Biden grosses Augenmerk auf die Innenpolitik legen muss: FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (45) ist überzeugt, dass die Schweiz und die USA auch weiterhin «sehr gute und fruchtbare» Beziehungen pflegen werden.

Bundesrätin spricht von «starkem Signal»

Gerade das links-grüne Lager hofft auf Veränderungen. SP-Co-Präsidentin Meyer wie auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli (48) bauen darauf, dass Biden etwa beim Klimaschutz vorwärtsmachen will. Und bei der Gleichberechtigung – mit Kamala Harris (56) an seiner Seite, die erste Frau im Amt der Vizepräsidentin.

Das bezeichnet auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) in ihrer offiziellen Gratulation via Twitter als «ein starkes Signal». Die SP-Magistratin zeigt sich überzeugt, dass die Schweiz mit der neuen Administration die ausgezeichneten Beziehungen zu den USA weiterführen und ausbauen könne.

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Über solche Glückwünsche ärgert sich SVP-Nationalrat Roger Köppel (55). Für den «Weltwoche»-Verleger ist das eine «Respektlosigkeit gegenüber einem amtierenden Präsidenten, der das Recht hat, die Auszählungen anzufechten». Immerhin hatte Trump bisher angekündigt, die Wahl nicht zu akzeptieren und juristische Schritte zu ergreifen.

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