Postfinance streicht 500 Jobs
Chefs haben sich mit Wachstumsplänen verzockt

Zuletzt enttäuschte Postfinance schon bei den Zahlen. Nun kommt die nächste Hiobsbotschaft: Die Posttochter setzt den Rotstift beim Personal an. Das kommt bei den Gewerkschaften nicht gut an.
Publiziert: 06.06.2018 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:15 Uhr
Julia Fritsche, Christian Kolbe

Gestern um 10 Uhr kam die Hiobsbotschaft: Postfinance streicht bis zu 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020. Das sind 15 Prozent der Belegschaft! CEO Hansruedi Köng (51) informiert die Betroffenen mit Einzelheiten erst heute.

Laut Gewerkschaften soll der Stellenabbau bis zu 1000 Angestellte treffen. Das liegt daran, dass beim Finanzinstitut der Post viele Teilzeit arbeiten. Der massive Stellenabbau kommt nicht von ungefähr: Postfinance hat schon im letzten Jahr 40 Stellen gestrichen, die Zahlen des ersten Quartals 2018 waren nicht berauschend.

Kritik der Gewerkschaft

Betroffen sind laut Gewerkschaft Syndicom Geschäftskunden-Betreuer und Sachbearbeiter. Alles qualifizierte Leute. Stimmen werden laut, die Chefs der Posttochter haben sich mit Wachstumsplänen verzockt. «Das Management hat es offenbar nicht geschafft, Postfinance im Geschäftskundenbereich attraktiv genug zu positionieren», kritisiert die Gewerkschaft. Zudem habe es die Bank verpasst, die Angestellten auf künftige Aufgaben im digitalen Zeitalter vorzubereiten.

Postfinance-Chef Hansruedi Köng will angesichts sinkender Gewinnmargen bis zu 500 Vollzeitstellen bis 2020 abbauen. (Archiv)
Foto: Keystone
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Postfinance widerspricht, die Digitalisierung verschlafen zu haben. «Wir waren früh dabei, sei es im E-Banking, später auch mit unserer Mobile App», sagt Sprecher René Kormann.

Auch Kreditgeschäft ist kein Allheilmittel

Ein weiterer Grund, so Postfinance: sinkende Margen in der Negativzinsphase. Sie darf selbständig keine Hypotheken und Firmenkredite vergeben. Spargelder sind mit den aktuellen Negativzinsen ein Verlustgeschäft. Das Kreditverbot gefährde «die Profitabilität und Rentabilität substanziell», moniert Köng seit Jahren. 

Der Ex-Bankenprofessor Hans Geiger (74) kann das, teilweise, nachvollziehen: «Die Postfinance ist eine Art kastrierte Bank, solange sie keine Kredite und Hypotheken vergeben darf.» Doch: «Selbst wenn das Kreditverbot gelockert würde, müsste die Postfinance erst das Kreditgeschäft aufbauen. Das dauert und kostet zuerst mal Geld.» Finanzprofessor Martin Janssen (69) sagt: «Ein Kreditverbot ist keine Erklärung für den Stellenabbau. Das gilt ja seit jeher.»

«Nichtstun ist keine Option»

Die Gewerkschaft Transfair vermutet, dass Postfinance politischen Druck aufbauen will: «In der Hoffnung, dass die Politik sich erbarmt und doch das Kreditvergabeverbot aufhebt.» Dazu Kormann von Postfinance: «Politisch scheint die Aussicht auf einen Fall des uns auferlegten Kreditvergabeverbots eher klein. Daher ist Nichtstun keine Option.» Statt Nichtstun stehen nun bald Hunderte Postfinance-Mitarbeiter auf der Strasse.

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