Bieler Stadtpräsident Erich Fehr (55) sieht keine Abhängigkeit von Swatch und Co.
«Wir sind genug breit aufgestellt, um das aufzufangen»

Muss Biel zittern, wenn es der Uhrenindustrie schlecht geht? Stadtpräsident Erich Fehr (55) widerspricht. Und wehrt sich gegen den Vorwurf, dass die Stadt zu wenig getan habe, um sich steuerlich von einigen wenigen Unternehmen zu lösen.
Publiziert: 28.07.2024 um 01:53 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2024 um 16:28 Uhr
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Herr Fehr, die Swatch Group präsentierte vergangene Woche ein ausserordentlich schlechtes Halbjahresergebnis. Zittern Sie bereits vor einer Krise?
Erich Fehr: Es gibt immer Grund, sich Sorgen zu machen. Ich bin aber inzwischen in einem Alter, in dem ich gelernt habe, dass es immer wieder ein Morgen gibt. Unsere Wirtschaft musste sich schon oft neu erfinden. Heute sind wir so breit aufgestellt, dass man so etwas auffangen kann. Auch wenn nicht ohne Rumpeln.

Können Sie einschätzen, inwiefern sich eine Krise bei der Swatch Group auf die Steuereinnahmen der Stadt auswirken würde?
Die Steuern regelt der Kanton. Durch die hohe Zentralisierung fehlen uns gewisse Informationen. Auch wenn sie natürlich interessant sein könnten. Wir sehen bei den Unternehmen, dass die Wirtschaftsentwicklung und die Steuererträge nicht so direkt zusammenhängen.

Der asiatische Markt schwächelt. Führt das Biel längerfristig in Bedrängnis?
Bereits die Prognosen, die vor vier Jahren in der Pandemie gemacht wurden, waren zu pessimistisch. Ich würde sagen, 50 Prozent davon sind nicht eingetroffen. Also wäre ich vorsichtig, jetzt vorauszusagen, was in den nächsten Jahren passiert.

SP-Mann Erich Fehr ist seit 2011 Stadtpräsident von Biel.
Foto: Keystone
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Es gibt Kritik, dass Biel weiterhin zu abhängig von der Uhrenindustrie ist.
Da widerspreche ich ganz klar. Vor einem halben Jahrhundert waren noch über 50 Prozent der Beschäftigten in der Uhrenindustrie. Heute ist es noch gut ein Zehntel. Das zeigt: Die Welt ist eine andere. Was wir aber weiterhin sind, ist ein Export- und Industriestandort. Und da spielt nicht China die Hauptrolle, sondern vor allem geordnete Verhältnisse mit Europa. Das ist der wichtigste Handelspartner.

Dennoch heisst es, der Wirtschaftsstandort Biel sei zu wenig diversifiziert.
Aus den Uhren heraus hat sich die Präzisionsindustrie längst weiterentwickelt. Natürlich waren die Uhren stets wichtig. Und sie werden auch in Zukunft wichtig sein. Wir sind stolz und glücklich, sind die Uhrenfirmen hier. Doch Biel und der ganze Jurabogen sind heute ein Hightech-Cluster, das die ganze Breite der Präzisionsindustrie abdeckt. Daher gibt es auch Firmen, die sich ganz bewusst hier weiterentwickeln.

Hat man es verpasst, auch Unternehmen zu holen, die ausserhalb des Industriesektors tätig sind?
Es gibt keinen Grund, von der Präzisionsindustrie wegzugehen. Das ist eine Branche mit Zukunft. Die Schweiz hat inzwischen neun Millionen Einwohner. Da können wir nicht nur Arbeitsplätze in der Bank, in der Versicherung und in der Gastronomie schaffen. Es braucht auch einen starken zweiten Sektor in der Schweiz.

Ist Biel zu wenig aktiv in der Wirtschaftsförderung?
Wir sind nicht in Frankreich. Es gibt keine staatliche Industriepolitik. Wir sind selbst für die Rahmenbedingungen zuständig. Biel hat seit 100 Jahren eine aktive und erfolgreiche Bodenpolitik. Wir können es uns heute leisten, die Firmen auszusuchen und Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung zu schaffen.

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