Avenir Suisse hat ausgerechnet
Krise kostet 12 Milliarden pro Monat – ein Shutdown 30 Milliarden

Der Schweizer Wirtschaftsmotor läuft langsamer, aber er ist immer noch auf Touren. Dennoch verliert die Schweiz mit den jetzigen Einschränkungen im Monat einen Fünftel der Wertschöpfung. Bei einem vollen Shutdown bräche die Hälfte der Wirtschaftsleistung weg.
Publiziert: 25.03.2020 um 21:53 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2020 um 08:31 Uhr
Claudia Gnehm

Das Coronavirus hat die Schweizer Wirtschaft im Würgegriff. Bereits mit den bisherigen Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verliert die Wirtschaft pro Monat mehr als einen Fünftel ihrer Wertschöpfung. Das entspricht gemäss einer Studie der Denkfabrik Avenir Suisse 12 Milliarden Franken. Die grössten Einbussen erleidet der gewichtige Dienstleistungssektor, der drei Viertel zur Gesamtwertschöpfung beiträgt.

Hier arbeiten auch die meisten der über 480'000 Angestellten, für die bisher Kurzarbeit angemeldet wurde – im Gastgewerbe, der Hotellerie, dem Detailhandel (exklusive Lebensmittel), in Kunst und Unterhaltung.

Tiefe Spuren hinterlässt die Coronakrise aber auch im Industriesektor. Die Schweizer Industriefirmen sind Teil der globalen Wertschöpfungskette, stehen bereits seit den Fabrikschliessungen in China unter Druck. Sie müssen teuer Alternativlieferanten suchen und stossen vermehrt auf Nachfrage- und Transportprobleme.

Bereits die bisherigen Schliessungen von Restaurants und vielem anderem kosten die Wirtschaft monatlich 12 Milliarden an Wertschöpfung.
Foto: Keystone
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Stillstand als letztes Mittel

Trotz der bereits einschneidenden Massnahmen erbringt die Wirtschaft laut Bundesrat Guy Parmelin (60) «immer noch 70 bis 80 Prozent ihrer Leistung». Monat für Monat laufen laut Avenir-Suisse-Direktor und Mitautor Peter Grünenfelder (52) derzeit Kurzarbeitskosten in der Höhe von 7,1 Milliarden Franken auf. Zudem haben die Tausenden Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten derzeit einen monatlichen Liquiditätsbedarf von fast 5 Milliarden Franken.

Nicht vorzustellen ist der Schlag für die Wirtschaft, wenn wie im Tessin alle Betriebe ausserhalb der Bereiche Nahrung und Gesundheit die Schotten dichtmachen müssen. Zwar ist Wirtschaftsminister Parmelin immer wieder mit Firmen konfrontiert, die Hygiene- und Abstandsregeln nicht einhalten können. Dennoch betonte er gestern: «Betriebsschliessungen sind das letzte Mittel.»

Konservative Annahmen

Dennoch bleibt das Schreckgespenst eines kompletten Shutdowns latent. Die verheerenden wirtschaftlichen Folgen hat Avenir Suisse berechnet: Bei einem umfassenden Shutdown nach italienischem Vorbild bräche die monatliche Wertschöpfung der Schweiz um gegen 30 Milliarden Franken ein. Auf ein Jahr hochgerechnet entspräche dies einer Reduktion um mehr als die Hälfte aller in der Schweiz produzierten Waren und Dienstleistungen. Diese Zahlen basierten auf konservativen Annahmen, so die Denkfabrik.

Das Dilemma: Den kalkulierbaren ökonomischen Folgekosten eines Stillstands stehen positive Effekte für Gesundheit und Gesellschaft gegenüber – der unbezifferbare Wert von Menschenleben. Die Studienautoren meinen: «Das Verbot jeglicher nichtessenzieller Produktion müsste aus staatspolitischen Gründen die ‹Ultima Ratio› darstellen und der Zusatznutzen gegenüber allen anderen möglichen Massnahmen klar grösser sein.»

Ökonomen hierzulande rechnen dieses Jahr mit einer Rezession. Raiffeisen erwartet einen Rückgang der Wirtschaft von 0,2 Prozent. Raiffeisen-Chef Heinz Huber sagt dem BLICK: «Die jüngsten Entwicklungen mit den drastischen Massnahmen in Europa zur Eindämmung der Pandemie deuten aber darauf hin, dass der Rückgang noch deutlicher ausfallen könnte.» Eine «temporäre» Rezession sei unvermeidlich.

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