«Nach Ghackets mit Hörnli kam die Polizei!»
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Wirtin in Tränen aufgelöst
«Nach Ghackets mit Hörnli kam die Polizei!»

Vor der drohenden Verlängerung des Beizen-Lockdowns proben diverse Schweizer Wirte den Aufstand. Trotz drohender Bussen machen sie heute auf. So zum Beispiel Daniela Liebi vom Restaurant Rothorn in Schwanden.
Publiziert: 11.01.2021 um 10:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2021 um 17:42 Uhr
Patrik Berger, Claudia Gnehm und Pascal Scheiber

Daniela Liebi (52) vom Restaurant Rothorn in Schwanden BE hat Wort gehalten und ihre Beiz aufgemacht. Ghackets und Hörnli kocht sie für ihre Stammkundschaft. Büezer vom Bau in der Umgebung, Zimmermänner, Elektromonteure und alleinstehende Rentner hätten es verdient, sich am Mittag einmal hinzusetzen, auszuruhen und sich aufzuwärmen, findet sie. Sie habe viele Reservationen bekommen.

«Zur Not gehe ich für die Aktion ins Gefängnis, aber es reicht mir langsam», sagt sie. «Die Polizei kam bereits vorbei und hat mich aufgefordert, den Betrieb zu schliessen», sagt Liebi. Das versuche sie nun hinauszuzögern. «Ich gehe aber davon aus, dass die Polizei nach dem Mittagsservice noch einmal kommt. Und ja, das wird dann wohl Konsequenzen geben», sagt die Beizerin und lacht.

Polizei stürmt das Lokal vor dem Dessert

Das Lachen ist ihr mittlerweile vergangen. Wirtin Liebi weint bittere Tränen. Der Zmittag ist mittlerweile serviert. Die Gäste zufrieden. Zum Dessert kommt die Polizei und macht das Restaurant zu. Liebi muss das Lokal innert kürzester Zeit räumen. Die Beamten bringen sie in ein Hinterzimmer. Und zeigen ihr auf, was ihr nun droht.

Daniela Liebi (52) vom Restaurant Rothorn in Schwanden BE.
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«Die Beamten teilten mir mit, dass ich sofort schliessen müsse. Sie sagten mir, dass ich die Gäste entweder selbst hinausbegleiten darf. Oder dass sie das dann machen würden», sagt Liebi. Sie habe nur noch ein paar Minuten Zeit. Dann versagt ihr Stimme. Sie wendet sich weinend ab. Sagt noch schnell: «Ich habe ja Verständnis. Die Polizei macht nur ihre Arbeit.»

«Ich bereue nichts»

Und sie hofft: «Vielleicht begreift jetzt der Hinterste und Letzte, was bei uns Beizern abgeht! Ich hoffe, dass unsere Branche nun endlich unterstützt wird», sagt sie und kämpft gegen die Tränen. «Ich muss nun sofort schliessen. Vielleicht verliere ich auch das Wirtepatent auf eine befristete Zeit», sagt sie zu ihren treusten Stammgästen.

Kurz darauf fasst sie sich wieder. «Ich würde das alles sofort wieder machen, ich bereue nichts. Ich habe mit Konsequenzen gerechnet», sagt sie zu BLICK. «Jetzt räume ich die Küche auf. Und warte ab, was auf mich zu kommt.»

Suter macht doch nicht mit

Mit der Polizei haben die aufständischen Beizer gerechnet. Franz Suter (58) vom Restaurant Mything in Schwyz wollte trotz des bundsrätlichen Beizen-Lockdowns bis am 22. Januar öffnen. Vor dem Entscheid des Bundesrats über die Lockdown-Verlängerung bis Ende Februar wollte er mit einigen Hundert anderen Beizern der Aktion mit dem Hashtag #wirmachenauf anschliessen und ein Zeichen setzen. Busse hin oder her.

Doch so weit kam es gar nicht. Der Beizer, der kaum mehr Einnahmen hat, kriegte noch vor der geplanten Öffnung Besuch von der Polizei und konnte nicht aufmachen. Die Folge: Suter taucht am Aktionstag ab. Der Wirt ist unauffindbar. Und hält sich künftig nun wohl doch an die Corona-Regeln. In der Kälte schlotternde Gäste sind enttäuscht von ihm. «Scheinbar hat auch er doch keinen Mut gehabt», sagt ein Wirte-Kollege, der extra aus Kaltbrunn SG angereist ist.

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«Protestaktionen bringen nichts»

Für Simon Obrist, Wirt vom Restaurant zum Hinteren Hecht in Winterthur ZH ist klar: «Wenn man als Beizer die Mehrwertsteuer nicht mehr bezahlen kann, dann braucht es eine politische Lösung. Das Lokal einfach illegal zu öffnen, das bringt es aber nicht.»

Epidemiologe Andreas Cerny (64) hält wenig von der illegalen Aktion. «Es ist gefährlich, wir steuern auf die dritte Welle zu. Wir reden von Verschärfungen der Massnahmen. Solche Protestaktionen der Wirte bringen nichts. Bundesrat und Kantone müssen die Gastronomie und Hotellerie unterstützen.»

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Gastrosuisse distanziert sich von Aufstand

Casimir Platzer (58), Präsident des Branchenverbands Gastrosuisse, weiss zwar wie prekär die Lage vieler Beizer ist. Trotzdem distanziert er sich vom Aufruf zum Aufstand: «Als Verband können wir so eine Aktion nicht unterstützen.» Aber er habe Verständnis für Betriebe, die aus lauter Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr sähen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Platzer appelliert an Bund und Kantone, jetzt endlich der Branche finanziell unter die Armee zu greifen. «Bis Ende März wird die Hälfte aller Betriebe im Gastgewerbe eingehen, wenn sie jetzt keine sofortigen finanziellen Entschädigungen erhalten.» Das ist kein Schreckensszenario, sondern das Ergebnis einer Umfrage, die Gastrosuisse Anfang Januar unter den Mitgliedern durchgeführt hat.

Vor der Krise hätten über 80 Prozent der Betriebe eine gute bis sehr gute Liquidität gehabt. In einem Monat stünden 80 Prozent sehr schlecht da. Platzer warnt nach den Kündigungen im Frühling und im November und Dezember vor einem weiteren Stellenabbau im Gastgewerbe: «Wenn der Bund jetzt nicht handelt, steht in der Branche eine dritte Kündigungswelle an.»

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Harzige Öffnungen

Gemäss der Website der Aktion «Wir machen auf» haben am Montag über 300 Gewerbetreibende vorwiegend aus der Deutschschweiz die Türen geöffnet. Danach wurde der Aufruf in den verschiedensten Branchen befolgt, von Automobil bis Tattoo sowie in gegen 80 Restaurants. Im Aargau beispielsweise machten 19 Betriebe mit, in Bern 27, in Basel 13, in Genf 5 und in Zürich 25. In manchen Ortschaften öffnete auch jeweils nur ein einziger Betrieb.

Es gab aber auch Wirte, die von Anfang an kritisch waren. Stefan Kull etwa, Wirt der legendären Amadeus Bar in Herisau sagt: «Wir von der Amadeus Bar Herisau distanzieren uns voll von der Aktion. Klar hängt unser Job mittlerweile an einem ganz dünnen Faden. Wer da aber mit macht, der wird nur noch höher gebüsst, das bringt nichts.» Und: «Wir kämpfen. Aber im gesetzlich legalen Bereich.»

Unia: «Ein Affront gegen die Menschlichkeit»

Die Gewerkschaft Unia ist gegen die Aktion. Eine unbekannte Zahl von Gewerbetreibende würde sich unter dem Motto «Wir machen auf» gegen die Massnahmen zur Pandemiebekämpfung stellen. Sie würden trotz Verbots ihre Restaurants öffnen und damit einem anonymen Aufruf aus deutschen «Querdenker»-Kreisen folgen.

Die Unia verurteilt diese Aktion aufs Schärfste, heisst es in einer Mitteilung. «Angesichts von jetzt schon über 8000 Corona-Toten in der Schweiz ist sie ein Affront gegen die Menschlichkeit und den gesunden Menschenverstand.»

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