Arbeitszeitbeschränkung für Kader soll fallen
Kommts jetzt zur grossen Ausbeutung?

Eine Allianz von Branchenverbänden will die Arbeitszeitbeschränkung im Dienstleistungssektor aufheben. Betroffen wären 500'000 Kaderleute und Spezialisten. Das könnte erst der Anfang sein, warnt die Gewerkschaft Unia.
Publiziert: 01.06.2016 um 12:28 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:00 Uhr
Bastian Heiniger

Arbeiten fast rund um die Uhr – selbst am Sonntag. Geht es nach einer Allianz von sechs Branchenverbänden soll das gesetzlich legal werden. Zumindest für Kader und Fachspezialisten im Dienstleistungssektor.

Laut der Allianz wären etwa 500'000 Angestellte von unbegrenzten Arbeitszeiten betroffen – 10 Prozent aller Beschäftigten, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung».

Schützenhilfe erhält die Allianz der Verbände aus den Sektoren Wirtschaftsprüfung, Treuhand, Informatik, Beratung und Public Relations von der bürgerlichen Politik: Der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber (57) vertritt das Anliegen der Verbände in einem Vorstoss. 

Arbeitszeiten sollen flexibler werden.
Foto: STR

«Starre Wochenarbeitszeiten werden den Anforderungen unserer Dienstleistungsgesellschaft nicht mehr gerecht und begünstigen die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland», heisst es darin.

Gerade im Dienstleistungssektor wird derzeit oft das Arbeitsgesetz gebrochen – die maximal 45 bis 50 Arbeitsstunden werden überschritten, die Einschränkung der Sonntagsarbeit ignoriert. Der Vorstoss brächte daher die gesetzliche Anpassung an die Realität, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung.»

«Ein neuer Angriff»

Pepo Hofstetter von der Gewerkschaft Unia: «Dank der bürgerlichen Mehrheit im Parlament versuchen die Verbände, die Gunst der Stunde zu nutzen, um den Arbeitnehmerschutz anzugreifen.»
Foto: zvg

Davon will man bei der Gewerkschaft Unia nichts wissen: «Wenn das die Realität ist, funktionieren offenbar die Kontrollen der Arbeitsämter nicht», sagt Mediensprecher Pepo Hofstetter (60) zu BLICK. «Der Vorstoss ist ein neuer Angriff auf die kürzlich in Kraft getretene Verordnung.»

Seit diesem Jahr können Firmen und Angestellte bereits auf das Erfassen der Arbeitszeit verzichten. Und zwar wenn ein Arbeitnehmer gewisse Verantwortung besitzt und jährlich über 120‘000 Franken verdient. 

Das Problem: Möglich ist diese Vereinbarung nur auf Basis eines Gesamtarbeitsvertrages. «Das ist den Verbänden offenbar ein Dorn im Auge», sagt Hofstetter. 

Freizeit besser einteilen

Dominik Bürgy von der Verbandsallianz: «Wir wünschen uns eine Lösung, die besser in die heutige Zeit passt.»
Foto: Zvg

Dominik Bürgy, Partner beim Wirtschaftsprüfer Ernst & Young und Vorsitzender der Verbandsallianz, wiegelt ab: «Wir greifen das bewährte Arbeitsrecht nicht an», sagt er auf Anfrage. «Es geht darum, das erfolgreiche Modell geschickt weiterzuentwickeln.» 

Die Jahresarbeitszeit soll laut Bürgy nicht erhöht werden.«Aber unsere Mitarbeiter wollen sich ihre Arbeit und Freizeit besser einteilen können.» So sollen auch Branchen, die keinen Gesamtarbeitsvertrag «von flexiblen Lösungen profitieren».

Bei der Gewerkschaft fürchtet man dennoch ein Einreissen, falls der Vorstoss durchkäme. «Die Verbände setzen auf eine Salamitaktik», sagt Unia-Sprecher Hofstetter. «Wenn geregelte Arbeitszeiten erst in einzelnen Branchen fallen, kommen andere nach, die das auch wollen.»

Falls nötig, wäre ein Referendum denkbar: «Gegen eine massive Aufweichung des Arbeitsgesetzes werden wir uns sicher wehren.» 

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