Arbeitslos mit über 50 – Beat Hossli verlor vor sechs Jahren seinen Job
600 Bewerbungen und noch immer keine Stelle

Beat Hossli hat jahrelang gut verdient. Dann verlor er im Alter von 50 Jahren seinen Job. Das war vor sechs Jahren. Seither findet er keine Stelle mehr. Mit BLICK spricht er ohne Scham über sein Schicksal.
Publiziert: 08.08.2019 um 21:56 Uhr
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Aktualisiert: 04.07.2020 um 10:41 Uhr
Noé Waldmann

Als Beat Hossli (56) vor sechs Jahren seinen Job verlor, dachte er: Mit 50 finde ich sicher wieder eine Stelle. Fast 600 Bewerbungen später ist der gelernte Elektrofachverkäufer noch immer arbeitslos – und ausgesteuert. Früher hat er als Versicherungsvertreter im Schnitt fast 10'000 Franken im Monat verdient. Heute lebt er von der Sozialhilfe.

«Arbeitslose Menschen über 50 Jahre haben es besonders schwer, wieder einen Job zu finden», kommentierte Hossli eine Community-Umfrage auf Blick.ch. Er schlug vor, das Thema Arbeitslosigkeit im fortgeschrittenen Alter genauer zu beleuchten. Hossli, wohnhaft im Aargau, lud BLICK zu sich nach Hause ein. In seiner Stube stehen säuberlich aufgereiht sieben Aktenordner – gefüllt mit Bewerbungen und Absagen.

Mit den Jahren und der Zahl der Bewerbungen seien seine Motivationsschreiben und Dossiers immer ausgefeilter geworden, erzählt Hossli. Er liess den Slogan der Firma einfliessen. Und auch das Logo der Firmen setzte er als Wasserzeichen aufs Blatt. Der Mann gibt sich ganz offensichtlich Mühe. Die Absagen bleiben jedoch die gleichen: Zu wenig relevante Erfahrung, nicht den Anforderungen entsprechend oder wegen besserer Kandidaten nicht berücksichtigt. Schon gute 550-mal – rund 50 Bewerbungen sind noch offen oder bleiben unbeantwortet. «Oft erhält man gar keine Antwort, dann fühlt man sich richtig klein», sagt Hossli.

Beat Hossli hatte einen gut bezahlten Job als Versicherungsvertreter. Nun ist er arbeitslos – und das schon seit sechs Jahren. Trotz viel Aufwand ist keine Anstellung in Sicht.
Foto: Siggi Bucher
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Bekommt Kleider von Freunden und Familie

Sein Haus mit sechs Zimmern musste er längst verkaufen. Genauso wie seine zwei Autos. Früher trug er Markenkleider und lud gerne Kunden und Freunde auf einen Znacht oder ein paar Bier ein. Heute trägt er das alte Hemd eines Freundes und die Hosen vom Bruder. Nachdem der Geldstrom versiegt war, hat sich auch der Freundeskreis ausgedünnt. «Man lernt, wo man wirklich Freunde hat. Ich kann an einer Hand abzählen, wer wirklich für mich da ist», sagt Hossli.

Den Tag zu füllen, ist für den Arbeitslosen nicht einfach. Er hat gerne Menschen um sich, interessiert sich für deren Lebensgeschichten. Stellenausschreibungen anzuschauen und sich weiter zu bewerben, sind schliesslich kein tagesfüllendes Programm. Auch Kurse und Weiterbildungen macht er heute eher nur noch sporadisch. Also geht der 56-Jährige spazieren, mischt am Computer Musik oder schaut Fernsehen. Um sein Budget aufzubessern, schlägt sich Hossli mit kleinen Gelegenheitsjobs durch. Mal Hausarbeit hier, mal Fahrdienste mit dem Auto der Freundin dort.

Auch Isabella Bordoni suchte vergeblich einen Job

Mit 61 Jahren suchte Isabella Maria Bordoni (62) eine Stelle. Sie schrieb 400 Bewerbungen und erhielt nichts als Absagen. Dabei hat sie allerlei Erfahrung, als Leiterin einer Kundenbetreuung oder als Assistentin der Geschäftsleitung. Fehlende Qualifikation oder Motivation war nicht das Problem. Es ging um ihr Alter, wie sie im SonntagsBlick berichtet. Sie gehöre zur Generation Babyboomer und kenne viele Altersgenossen, die sich gerne mehr einbringen würden. Die sich überhaupt wieder irgendwie einbringen möchten. «Viele würden auch für weniger arbeiten, für den halben Lohn etwa», sagt die Zürcherin. Sie reagierte untypisch auf Absagen: «Ich sagte mir, wenn eine Firma mein Potenzial nicht sieht, ist sie es auch nicht wert.» Eine selbstbewusste Haltung. Mittlerweile ist Bordoni frühpensioniert. Sie warf Ballast ab, darunter die Dreieinhalb-Zimmer-Maisonette-Wohnung mit Seeblick in Zürich: «Man muss lernen zurückzustufen.» Bedauern müsse sie deswegen niemand. Tobias Marti

Mit 61 Jahren suchte Isabella Maria Bordoni (62) eine Stelle. Sie schrieb 400 Bewerbungen und erhielt nichts als Absagen. Dabei hat sie allerlei Erfahrung, als Leiterin einer Kundenbetreuung oder als Assistentin der Geschäftsleitung. Fehlende Qualifikation oder Motivation war nicht das Problem. Es ging um ihr Alter, wie sie im SonntagsBlick berichtet. Sie gehöre zur Generation Babyboomer und kenne viele Altersgenossen, die sich gerne mehr einbringen würden. Die sich überhaupt wieder irgendwie einbringen möchten. «Viele würden auch für weniger arbeiten, für den halben Lohn etwa», sagt die Zürcherin. Sie reagierte untypisch auf Absagen: «Ich sagte mir, wenn eine Firma mein Potenzial nicht sieht, ist sie es auch nicht wert.» Eine selbstbewusste Haltung. Mittlerweile ist Bordoni frühpensioniert. Sie warf Ballast ab, darunter die Dreieinhalb-Zimmer-Maisonette-Wohnung mit Seeblick in Zürich: «Man muss lernen zurückzustufen.» Bedauern müsse sie deswegen niemand. Tobias Marti

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Rechnungen bereiten schlaflose Nächte

«Im grossen Ganzen geht es mir gut – vor allem auch dank meiner Freundin. Es fehlt mir einfach die Aufgabe im Leben.» Auch an das sparsame Leben hat sich der ehemalige Versicherungsvertreter gewöhnt. Die beste Anschaffung der letzten Zeit? Eine Vakuummaschine für knapp 40 Franken. Damit lässt sich Essen länger halten. Den Einkauf selber muss sich Hossli aber manchmal von seiner Mutter bezahlen lassen.

Es dauerte eine Weile, bis Hossli sich mit seiner neuen Lebenslage abfinden konnte. «Ich hatte auch depressive Phasen. Da haben sich die Briefe gestapelt. Ich dachte damals, das sind doch sowieso nur Rechnungen, die ich nicht bezahlen kann», sagt Hossli. Dieses Problem hat er in den Griff bekommen. Aber noch heute bereiten ihm Rechnungen Sorgen. «Ich verbringe schlaflose Nächte, wenn ich weiss, dass eine grosse Rechnung kommt», sagt Hossli weiter.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Mensch in seiner Situation so unverblümt über sein Leben erzählt. Wieso er das mache, will BLICK beim Abschied wissen. «Ich will meinem Umfeld zeigen, dass ich was wert bin», sagt Hossli. Der 56-Jährige freut sich nach wie vor auf eine Chance, um das beweisen zu können.

Globus geht auf schwangere Mitarbeiterin zu

Knallhart ausgemustert! Gestern berichtete BLICK über Entlassungen bei Globus. Und sprach mit zwei Betroffenen einer Filiale im Walliseller Einkaufszentrum Glatt. Unter ihnen Giuseppina Trimarco (53) aus Volketswil ZH. Knapp zwei Monate nach ihrem 20-jährigen Dienstjubiläum erhielt sie die Kündigung. Ihrer Kollegin, der im 5. Monat schwangeren Liridanan Jashari (27) aus Kloten ZH, wurde durch ihren Chef mündlich schon mal mitgeteilt, dass es nach der Rückkehr aus ihrer Babypause keine Stelle mehr für sie gebe. 

Das letzte Wort ist zumindest für Jashari noch nicht gesprochen. Nicht Globus, sondern sein Besitzer, der Detailhandelsriese Migros, meldete sich bei BLICK. «Die schwangere Mitarbeiterin ist in ungekündigtem Arbeitsverhältnis, und es besteht keine Absicht, ihr nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub zu kündigen», sagt ein Migros-Sprecher.

Vielmehr werde Globus gemeinsam mit der schwangeren Mitarbeiterin nach ihrer Rückkehr im Frühjahr 2020 klären, was ihren Vorstellungen und Wünschen entspreche. Zum Fall Giuseppina Trimarco äusserte sich der Migros-Sprecher nicht. Ulrich Rotzinger

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