App-Gaga bei den SBB – BLICK-Leser erzählen
Busse für Teenie, weil er Billett 30 Sekunden zu spät löste

Nachdem BLICK über die kompromisslose Bussenpolitik der SBB mit App-Billetten berichtet hat, haben sich zahlreiche Leser gemeldet, denen Ähnliches passiert ist. Einer der Schlüsse: Reklamieren lohnt sich – denn im Callcenter der SBB gibts gesunden Menschenverstand.
Publiziert: 15.02.2019 um 23:23 Uhr
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Aktualisiert: 29.04.2021 um 09:54 Uhr
Kein Verständnis für das Vorgehen der SBB: Kathrin Buholzer.
Foto: ZVG Thomas Hodel
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Konrad Staehelin
Konrad StaehelinWirtschafts-Redaktor

Grosses Obacht an alle SBB-Passagiere, die ihr Zugbillett via Handy-App kaufen: Sie müssen Extra-Zeit einplanen. Denn wer in letzter Minute auf den Zug eilt und sein Billett löst, nachdem der Zug schon abgefahren ist, wird bestraft. Selbst wenn der Kontrolleur erst eine halbe Stunde später vorbeikommt.

Vorgestern Donnerstag hat BLICK über einen solchen Fall im Interregio Zürich–Luzern berichtet, den das Portal «Zentralplus» aufgedeckt hatte. In der Folge meldeten sich zahlreiche weitere Personen bei BLICK, denen das Gleiche passiert ist.

Eine Mutter aus Wädenswil ZH erzählt einen besonders krassen Fall: Ihr 14-jähriger Sohn Matteo habe sein Billett 30 Sekunden zu spät gekauft. «Mein Sohn hat überhaupt keinen Anreiz, in irgendeiner Form zu tricksen, denn auf der SBB-App auf seinem Handy ist meine Kreditkarte hinterlegt.» Der Kontrolleur habe trotzdem keine Gnade gezeigt und ihn zu einer 90-Franken-Busse verknurrt. Ausgeschrieben: Neunzig Franken. Nicht ein Fünfliber, der oft bei einer Schussligkeit wie Abo-Vergessen für die Umstände verrechnet wird.

BLICK-Leser findens absurd

«Absurd, nicht nachvollziehbar und abschreckend», nennt Konsumentenschützerin Josianne Walpen diese Praxis. Die SBB schieben die Verantwortung auf die nationale Tariforganisation CH-Direct ab, die die Regeln aufstellt. Und diese hat auf BLICK-Anfrage eine interessante Begründung parat: Sie wolle alle Passagiere gleich behandeln – also jene ohne App gegenüber jenen mit App nicht benachteiligen. Dass der Gedanke, dass Innovation den Reisekomfort erhöhen sollte, damit ad absurdum geführt wird? Geschenkt.

Die Begründung kommt bei den BLICK-Leserinnen und -Lesern nicht gut an. In einer Umfrage sprechen sich nur 8 Prozent der über 11'000 Teilnehmer für die strikte Anwendung der aktuell gültigen Regel aus. Je 46 Prozent sind entweder für eine Änderung der Regelung oder für mehr Kulanz der SBB-Kontrolleure.

Lichtblick im Callcenter

Die Bernerin Kathrin Buholzer (46) erzählt ebenfalls eine frustrierende Geschichte: Vergangenen September fuhr sie vom Zürcher HB an die Station Hardbrücke. «Ich buchte mein Mobile-Ticket um 21.30 Uhr für den Zug, der um 21.37 Uhr abfahren sollte. Dann stieg ich in den Zug ein, der auf dem vorgesehenen Gleis stand. Der fuhr zwar ebenfalls an die Hardbrücke, hätte aber um 21.28 Uhr abfahren sollen und war verspätet. Er fuhr um 21.34 Uhr los.»

Weil ihr Billett erst ab 21.37 gültig war, kassierte Buholzer ebenfalls eine 90-Franken-Busse. Hätte sie ihr Billett am Automaten gekauft, wäre ihr das nicht passiert – es wäre schlicht ab dem Kaufzeitpunkt für eine Stunde gültig gewesen. So viel zur angestrebten Gleichbehandlung.

Und doch gibts bei allen Absurditäten einen Lichtblick: Die Mutter des 14-Jährigen beschwerte sich beim SBB-Bussen-Callcenter und konnte eine Reduktion rausschlagen. Buholzer war besonders hartnäckig, ihr wurde gar die ganze Busse erlassen: «Sie haben dort verstanden, dass diese Busse in allen Belangen unfair ist.»

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