Anstieg um bis zu 60 Prozent
Hier sind die Preise für Eigentumswohnungen explodiert

Von wegen Krise: Die Immobilienpreise in den grössten Schweizer Städten sind in den vergangenen drei Jahren stark gestiegen. Die Übersicht.
Publiziert: 04.10.2023 um 17:10 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2023 um 13:26 Uhr
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Carmen Schirm
Handelszeitung

Seit einem Jahr ist alles anders. Oder besser gesagt, fast alles. Im Juni 2022 hatte die Schweizerische Nationalbank den Leitzins zum ersten Mal angehoben und markierte damit die Zinswende. Es folgten bis heute vier weitere Zinsschritte. Mit der Erhöhung des Leitzinses verteuerten sich die Hypotheken, die sich mittlerweile verdoppelt haben. Das ist unangenehm für all jene Immobilienbesitzerinnen, deren Hypothekarvertrag ausläuft. Und natürlich auch für Neukäufer, zumal sich auf der Preisfront nicht viel geändert hat, sprich, es nicht billiger geworden ist.

In grossen Städten sieht man bislang keine Preiseinbrüche. Von einem dramatischen Zerfall, wie ihn viele prophezeiten, kann erst recht nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Gerade in angesagten Zentren stiegen die Preise über den Zeitraum von drei Jahren hinweg stark an. Freilich haben sich die Preiserhöhungen im vergangenen Jahr verlangsamt. Doch deuten sie darauf hin, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher an die höheren Zinssätze gewöhnen. Zudem dauert es seine Zeit, bis sich die Zinserhöhungen der Zentralbanken auf den gesamten Immobilienmarkt auswirken. Dabei könnte eine Verlangsamung des Preisauftriebs dem Gesamtmarkt nur guttun.

Den höchsten Preisanstieg verzeichnete die Stadt Zug: Dort sind die Preise für Wohneigentum in den vergangenen drei Jahren um 60 Prozent gestiegen.
Foto: Keystone
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Höchster Preisanstieg in Zug

Die höchste Verteuerung verzeichnete die Stadt Zug. Dort haben die Preise für Wohneigentum in den vergangenen drei Jahren um sagenhafte 60 Prozent zugelegt. Das zeigt eine Auswertung des Immobilienspezialisten Iazi. Verglichen wurden die Veränderungen für ein Einfamilienhaus mit 5,5 Zimmern und 140 Quadratmeter Wohnfläche und eine Eigentumswohnung mit 3,5 Zimmern und 115 Quadratmeter. Die starken Preiserhöhungen sind die Kehrseite des wirtschaftlichen Erfolgs, den die Stadt verzeichnen kann.

Die tiefen Steuern ziehen jede Menge neuer Bewohnerinnen und Bewohner an. Was Firmenansiedlungen angeht, ist Zug mittlerweile Spitzenreiter. Die Kassen der Kommune sind voll; vergangenes Jahr wurde ein Überschuss von 71 Millionen erzielt. Dieses Geld wird in Infrastrukturprojekte investiert, etwa in Schulen oder in den Ausbau von Strassen, was die Stadt wiederum attraktiver macht. Der Wohnungsmarkt kann mittlerweile mit der starken Nachfrage nicht mithalten. Mietwohnungen sind rar am Markt, der Leerstand liegt bei 0,33 Prozent. Eigentumserwerb ist angesichts der stark gestiegenen Preise mittlerweile schwierig geworden. «Wir wollen kein Monaco werden», sagte der Gemeindepräsident André Wicki unlängst. Man hat den Ernst der Lage erkannt. Spätestens, nachdem die Bevölkerung von Zug unlängst eine Initiative für 2000 bezahlbare Wohnungen angenommen hat.

Eigentumswohnung in Zug, Zürich und Genf am teuersten

Mittlerweile bezahlt man für eine Eigentumswohnung in Zug gleich viel wie in Zürich: In beiden Städten kostet eine 4,5-Zimmer-Wohnung rund 2 Millionen. In Genf legt man noch mal 200’000 Franken drauf. Gleichzeitig ist der Leerstand in diesen Städten dramatisch tief: In Genf liegt er bei 0,52 Prozent, noch tiefer ist er in Zug mit 0,33 Prozent – und fast nicht mehr vorhanden in Zürich mit 0,06 Prozent. Ebenfalls stark gestiegen sind die Preise in Basel, Frauenfeld und Zürich – um die 40 Prozent. Gleichzeitig ist der Leerstand in Basel mit 1,07 Prozent noch weit entfernt von der angespannten Situation in Zürich oder Genf.

Gerade in der Stadt Basel überraschen die hohe Preisanstiege, zumal es dort Verschärfungen des Mieterschutzes gegeben hat. Immobilienbesitzerinnen und Immobilienbesitzer haben mittlerweile in der Stadt am Rheinknie weniger Freiheiten beim Festlegen der Mieten und mehr Bürokratie. So gibt es eine Deckelung von Mietzinsaufschlägen bei Umbauten und Sanierungen sowie von Nettomietzinsen bei Ersatzneubauten. Eine Wohnschutzkommission (WSK) ist damit beauftragt, die maximalen Aufschläge und Nettomietzinse festzulegen, Mietzinskontrollen durchzuführen und die entsprechenden Bewilligungen zu erteilen.

Deutlich weniger stark angezogen haben die Preise in Genf. Mit 25 Prozent sind die Preise gerade mal halb so stark gestiegen wie in Zürich. «Es scheint, als sei das Plafond in Genf erreicht», sagt Donato Scognamiglio, Studienautor, Gründer und VR-Präsident des Immobilienberaters Iazi. «Nach dem starken Anstieg in den vergangenen Jahren ist es in Genf nun zu einer Verlangsamung gekommen.»

Tragbarkeit in den Grosszentren nicht mehr gegeben

Wer Eigentum in Grosszentren erwerben will, tut sich schwer. Das Problem für die Mehrheit der Bevölkerung beim Kauf einer Immobilie ist die Tragbarkeit, die bei den meisten nicht gegeben ist – ausser jemand erbt oder erhält eine grössere Schenkung, um das Eigenkapital aufstocken zu können und so die Hypothekenlast zu reduzieren.

Ein Beispiel: Um die Tragbarkeitsanforderungen einer typischen Eigentumswohnung mit einem Kaufpreis von 900’000 Franken zu erfüllen, ist heute ein Haushaltseinkommen von rund 160’000 Franken nötig. Für ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit einem Kaufpreis von 1,1 Millionen muss dieses deutlich über 200’000 Franken liegen. Über dieses Einkommen verfügen gerade mal 3 Prozent der Haushalte der Schweiz.

Eigenheim im Thurgau und Schaffhausen noch finanzierbar

Es stellt sich die Frage, wo sich heute noch ein bezahlbares Eigenheim findet. Dafür muss man weiter weg von Zürich, beispielsweise nach Frauenfeld oder Schaffhausen. Der Leerstand in Frauenfeld ist aktuell bei 1,41 Prozent, in Schaffhausen bei 0,54 Prozent. Zwar haben auch in den beiden Kantonshauptstädten die Preise stark anzogen – in Frauenfeld um 41 Prozent, in Schaffhausen um 32 Prozent –, doch liegt das Preisniveau für einen Käufer noch im finanzierbaren Rahmen. So bezahlt man in Schaffhausen für eine 4,5-Zimmer-Wohnung 815’000 und in Frauenfeld 860’000 Franken. Noch vor ein paar Jahren machte man einen Bogen um die beiden Städte. Heute sieht man an den Preissteigerungen und dem Bevölkerungswachstum, dass sie nachgefragt sind. Nicht zuletzt aufgrund von Corona, das Homeoffice möglich machte, und dank den Anbindungen an Zürich, die sich stark verbessert haben. Wer pendelt, ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln in rund vierzig Minuten in Zürich.

Ein Beispiel: Eine 4,5-Zimmer-Wohnung in Schaffhausen kostet 815’000 Franken. Dafür müssen 20 Prozent Eigenkapital aufgebracht werden, also 160’000 Franken. Die Summe der Hypothekarkosten darf einen Drittel des Einkommens nicht überschreiten. Die Banken rechnen mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent, in diesem Fall mit Hypothekarkosten von rund 33’000 Franken. Es bedarf daher eines Einkommens von 98’000 Franken.

Wie geht es weiter?

Doch wie geht es in Zukunft weiter mit den Immobilienpreisen? «Die Preisanstiege werden sich abflachen», sagt Donato Scognamiglio. «Es wird jedoch keinen Crash und auch keine grosse Korrektur geben.» Die Schweiz sei als Einwanderungsland einfach zu attraktiv, die Nachfrage zu gross. Immerhin kommen jedes Jahr 80’000 Menschen in die Schweiz, die auch bleiben. Der Boden ist begrenzt, verdichten soll nur der Nachbar, höher bauen wollen wir auch nicht. Es werden viel weniger Wohnungen gebaut, als nötig wären. So wirkt sich der Nachfragedruck über den Preis aus.

Soll man jetzt noch kaufen?

«Sofern man ein geeignetes Objekt gefunden hat, sollte man nicht zuwarten, nur weil die Zinsen gestiegen sind», sagt Donato Scognamiglio. «Es ist wie beim Heiraten oder beim Penaltyschiessen. Man sollte es einfach probieren.» Zudem ist eine Immobilie eine Wertanlage. Man kauft diese für mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte.

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