Schweizer Firmen reissen sich um Ukrainerinnen
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Hotelrezeption und Dorfladen:Schweizer Firmen reissen sich um Ukrainerinnen

An der Hotelrezeption oder im Dorfladen
Schweizer Firmen reissen sich um Ukrainerinnen

Dank des Schutzstatus S dürfen ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz sofort eine Arbeit aufnehmen. Drei Arbeitgeber erzählen, wo sie den Ukrainerinnen und Ukrainern Arbeitsplätze anbieten.
Publiziert: 17.03.2022 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2022 um 15:06 Uhr
Nicola Imfeld und Pascal Scheiber

Die Solidarität mit der Ukraine in der Schweiz ist riesig. Für einmal wird nicht darüber gestritten, ob die Flüchtlinge ins Land kommen sollen, sondern wer sie aufnehmen darf. 8500 Ukrainerinnen und Ukrainer sind bereits in der Schweiz, der Bundesrat rechnet aktuell mit bis zu 1000 weiteren pro Tag. Sie alle haben Anspruch auf den erstmals aktivierten Schutzstatus S. Damit dürfen sie hierzulande einer Arbeit nachgehen.

«Die Schweiz ist bereit, ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen. Sie kann aber noch viel mehr tun, als sie zu beherbergen, indem sie ihnen Arbeit anbietet und Weiterbildungen ermöglicht», sagt Stefan Studer (60), Geschäftsführer von Angestellte Schweiz. «Das ist eine riesige Chance für unsere Wirtschaft wie auch für den künftigen Wiederaufbau in der Ukraine.»

Ukrainerinnen gegen den Fachkräftemangel

Im Schweizer Arbeitsmarkt ist es für Unternehmen in den letzten Jahren schwieriger geworden, freie Stellen zu besetzen. Der Fachkräftemangel sei Dauerthema, sagt Studer. «Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind gut ausgebildet. Ihre Eingliederung dürfte einen Beitrag leisten zur Entspannung am Schweizer Arbeitsmarkt.»

Philippe Charrière betreibt drei Migros-Partnerläden in der Zentralschweiz. Er will ukrainische Flüchtlinge anstellen: «Ziel ist, bis zu zwei Flüchtlinge pro Laden anzustellen.»
Foto: Pascal Scheiber
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Deshalb hat Studer in Zusammenarbeit mit Tino Senoner (62), Geschäftsführer des Stellenportals Dynajobs, ein Online-Tool entwickelt, das ukrainische Flüchtlinge und Schweizer Arbeitgeber zusammenführen soll. «Es hat enorm viele Interessenten», sagt Senoner. «Die Ukrainerinnen wollen hier eine Arbeit, und die Arbeitgeber brauchen sie. Eine Win-win-Situation.»

Auch Senoner bestätigt, dass sich durchwegs hochqualifiziertes Personal gemeldet hat. «Zum Beispiel eine 32-jährige Frau mit einem Master-Abschluss. Sie spricht vier verschiedene Sprachen und ist auf Social-Media-Marketing spezialisiert.»

«Zwei Flüchtlinge pro Laden»

Zu den Interessenten gehört Detailhändler Philippe Charrière (36). Er führt drei Migros-Partnerläden und will nun ukrainische Flüchtlinge anstellen. «Wir sind ein Dorfladen. Das ist ein Geben und Nehmen – und jetzt wollen wir zurückgeben, den Menschen auf der Flucht helfen», sagt er, als Blick ihn in seinem Laden in Neuenkirch LU trifft.

Charrière steht seit Tagen mit mehreren Hilfsorganisationen im Austausch und hat sich auch auf dem Online-Tool angemeldet. «Wir werden Arbeitsplätze oder Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen», sagt er. Noch sind Charrière keine arbeitssuchenden Flüchtlinge vermittelt worden. «Wir schauen mit den Menschen direkt, was Sinn macht. Das Ziel ist es, in unseren Filialen bis zu zwei Flüchtlinge pro Laden anzustellen», sagt er.

Es ist ein solidarischer Akt des Migros Partners, doch letztlich erhofft sich auch Philippe Charrière eine Win-win-Situation. «Optimal wäre es, wenn wir die Flüchtlinge dort einsetzen können, wo derzeit Vakanzen bestehen», sagt er.

Internationaler Linkedin-Aufruf

Auch Sanitärinstallateur Stefan Howald (37) will helfen. Er ist Geschäftsführer des eigenen Heizungs- und Sanitärbetriebs in Kölliken AG. «Wir haben einen Ausfall, den wir kompensieren müssen. Da bieten wir gerne Hand und geben einem Flüchtling die Chance», sagt er. Man werde sich auch die Zeit nehmen, um die neue Arbeitskraft einzuarbeiten. «Hauptsache, die Person will arbeiten», sagt Howald. Dann könne man alles lernen. «Wir sind sehr offen, einem Ukrainer auf der Flucht auszuhelfen und unser Wissen weiterzugeben.»

Die Luxus-Hotelkette Hyatt richtet auf dem Berufsnetzwerk Linkedin einen länderübergreifenden Aufruf an ukrainische Flüchtlinge, sich zu bewerben. HR-Managerin Katrin Melle (55) hat das Inserat verfasst. Sie sagt zu Blick: «Menschen auf der Flucht haben keine Zeit für eine ausgiebige Stellensuche. Mit der Kampagne wollen wir die Menschen direkt erreichen und ihnen den Bewerbungsprozess erleichtern. Und in solch schweren Zeiten auch eine Anlaufstelle der Fürsorge bieten.»

In der Hyatt-Zentrale in Zürich werden die Bewerbungen sortiert. «Wir vermitteln sie dann an ein passendes Hyatt-Hotel in ihrer Region und schauen, was möglich ist», sagt Melle. Bereits in der ersten Woche kam es zu einigen Vermittlungen. In Zürich gibt es drei Hyatt-Hotels. Es sei gut denkbar, dass auch hierzulande bald ukrainische Flüchtlinge mithelfen werden. Melle: «Wir haben bei Hyatt viele verschiedene Stellen. Auch hier in der Schweiz. Und dafür braucht es auch nicht immer zwingend eine Hotelfachausbildung.» Die Schweizer Wirtschaft zeigt sich in diesen Tagen so unbürokratisch und unkompliziert wie selten.

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